Wenn Fortschritt zum Stolperstein wird

Nicht immer bringt Digitalisierung den erhofften Effizienzgewinn, da stattdessen die Komplexität wächst. Welche Folgen hat operatives Chaos und wie lässt es sich vermeiden?

Der Unternehmenserfolg hängt maßgeblich von reibungslosen Prozessen ab – sei es bei Zahlungen an Lieferanten, der Bereitstellung von Produkten oder der Betreuung von Kunden. Doch die Abläufe werden zunehmend komplexer: Prozesse laufen oft isoliert, Strukturen sind unübersichtlich, Daten schwer zu analysieren und die IT entwickelt sich ständig weiter. Gleichzeitig erfordert der digitale Wandel, kombiniert mit innovativen Geschäftsmodellen, steigenden Kundenerwartungen und neuen Regulierungen, eine hohe Flexibilität und schnelle Entscheidungsfähigkeit.

Die Studie „Reality Check 2025“ der Software AG zeichnet ein alarmierendes Bild: 70 Prozent der Unternehmen kämpfen mit operativem Chaos. Das bedeutet, dass ein unkoordiniertes Nebeneinander von Systemen und Prozessen nicht nur zu Ineffizienzen und Reibungsverlusten führt, sondern auch Innovationen ausbremst.

Mehr Technologie, weniger Agilität?

In den vergangenen Jahren haben Unternehmen massiv in ihre IT-Infrastruktur investiert – laut Studie haben 84 Prozent ihre technologische Basis deutlich erweitert. Doch anstatt für mehr Effizienz zu sorgen, wirkt sich dieses Wachstum in vielen Fällen hinderlich aus: 77 Prozent der Unternehmen berichten, dass die zunehmende Komplexität ihre Agilität und Produktivität beeinträchtigt. Besonders betroffen sind die Finanzdienstleistungsbranche mit 78 Prozent und der Transport- und Logistiksektor mit 75 Prozent operativem Chaos. Beide Branchen stehen vor der Herausforderung, immer mehr Technologien zu managen – ohne dass diese automatisch zu Mehrwerten führen.

Bevor Unternehmen ihren Technologie-Stack weiterentwickeln, sollte zunächst die bestehende IT-Landschaft bereinigt werden. Denn ohne die Modernisierung veralteter Systeme steigt für 81 Prozent der Befragten das betriebliche Chaos mit jeder neuen Technologie weiter an. 77 Prozent nennen veraltete IT als Ursache für ineffiziente Abläufe, während 43 Prozent mit Konflikten zwischen alten und neuen Systemen kämpfen. Zudem erkennen 73 Prozent der Unternehmen, dass Schatten-IT oft kaschiert, wie es tatsächlich um ihre Prozesse steht.

Kundenfrust und Governance-Probleme als Folgen

Die Auswirkungen des operativen Chaos sind längst spürbar. 78 Prozent der Befragten berichten, dass es die Kundenerfahrung negativ beeinflusst – sei es durch langsame Prozesse, inkonsistente Daten oder verzögerte Reaktionszeiten. Die steigende IT-Komplexität erschwert eine nahtlose Interaktion mit Kunden.

Auch im Bereich Governance zeigt sich die Problematik deutlich: 70 Prozent der Unternehmen sehen durch die technologische Vielfalt verstärkte Herausforderungen bei der Einhaltung regulatorischer Vorgaben, der Datensicherheit und der effizienten Prozesssteuerung. Zudem geben 75 Prozent an, dass operatives Chaos ihre Entscheidungsfindung ausbremst, während 80 Prozent Verzögerungen bei der Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen feststellen.

Strategien gegen Chaos und Komplexität

Um IT-Wildwuchs zu vermeiden, braucht es einen strategischen Ansatz. Die Studie hebt drei zentrale Maßnahmen hervor:

Prozessintelligenz gezielt einsetzen

Transparente und automatisierte Abläufe sind für 82 Prozent der Befragten der Schlüssel zur Reduzierung von Chaos. Process Intelligence ermöglicht eine durchgängige Sicht auf Prozesse und bildet eine fundierte Entscheidungsgrundlage. Durch Datenanalysen lassen sich Engpässe frühzeitig erkennen und Abläufe systematisch optimieren. So werden ineffiziente Prozesse sichtbar und gezielte Verbesserungen möglich.

Schwerpunkt IT-Governance

Schatten-IT kann Unternehmen ausbremsen. Klare Verantwortlichkeiten, transparente Prozesse und ein konsequentes Schnittstellenmanagement helfen, unkontrolliertes Wachstum zu verhindern. Alle genutzten Technologien sollten dokumentiert und zentral verwaltet werden, um IT-Kosten und Sicherheitsrisiken im Griff zu behalten. Eine starke Governance sichert zudem die Compliance und ermöglicht eine nachhaltige IT-Strategie. Um die Einhaltung der Vorschriften in vollem Umfang in Angriff nehmen zu können, ist es jedoch wichtig zu wissen, welche Prozesse „im Verborgenen“ existieren. Task Mining kann hier helfen, indem es nachverfolgt und analysiert, welche Systeme die Mitarbeiter tatsächlich nutzen und wie sie mit ihnen arbeiten – auch solche, die außerhalb der offiziellen IT-Infrastruktur liegen. Dadurch lassen sich unkontrollierte Softwareeinsätze, potenzielle Sicherheitsrisiken und ineffiziente Arbeitsabläufe frühzeitig erkennen. In Kombination mit einem Feedback-Zyklus können Unternehmen auf Basis dieser Erkenntnisse Prozesse systematisch verbessern und die Einhaltung regulatorischer Vorgaben sicherstellen.

Technologische Modernisierung strategisch angehen

Neue Technologien sollten nicht unüberlegt in bestehende Strukturen eingefügt werden. Stattdessen braucht es eine klare Strategie, wie Systeme sinnvoll zusammengeführt und ineffiziente Prozesse schrittweise eliminiert werden können. Dabei gilt es nicht nur, neue Technologien einzuführen, sondern auch bestehende Abläufe kritisch zu hinterfragen. Automatisierung und KI können repetitive Aufgaben optimieren und Personalressourcen gezielter einsetzen. Eine strategische IT-Planung schafft langfristig eine flexible und widerstandsfähige IT-Landschaft.

Unternehmen stehen heute vor einer Vielzahl wirtschaftlicher, regulatorischer und technologischer Herausforderungen. Dabei sollte IT eigentlich unterstützen – doch wenn sie ohne klare Strategie eingesetzt wird, führt sie oft zu mehr Chaos als Nutzen. Trotzdem ist es unerlässlich, neue Technologien einzubinden, um Prozesse zeitgemäß aufzustellen. Process Intelligence hilft dabei, potenzielle Stolpersteine frühzeitig zu erkennen, gezielt gegenzusteuern und die Digitalisierung effektiv zu nutzen, um Veränderungen strategisch und strukturiert anzugehen.

Steve Ponting

ist Director Software AG.

 

 

 

 

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