Vom Tool zum Teammitglied: Wie KI die Zusammenarbeit neu definiert

„KI ist mehr als nur ein persönlicher Produktivitäts-Booster“, sagt Veit Brücker von Asana im Interview. „Richtig eingebunden, hilft KI, die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten.“

Herr Brücker, KI wird zur Zeit eher als ein Effizienz-Tool für die individuelle Produktivität von Mitarbeitenden gesehen. Sie sagen aber, KI habe das Potential, auch ein echtes Teammitglied zu sein. Was genau meinen Sie damit?

Veit Brücker: Viele Unternehmen setzen KI aktuell vor allem dafür ein, individuelle Aufgaben schneller zu erledigen: Texte prüfen, Infos zusammentragen, kleinere To-dos abhaken. Klar, das ist praktisch. Aber damit schöpft man das Potenzial von KI bei weitem nicht aus.

Gerade in Zeiten von Remote Work und hybriden Teams fehlt manchmal der direkte Draht zueinander. Kurze Absprachen, klar verteilte Aufgaben und ein enges gemeinsames Arbeiten am selben Ziel können da hin und wieder auf der Strecke bleiben. Hinzu kommt, dass die heutige Arbeitswelt zunehmend durch branchenspezifisches Fachwissen geprägt ist, das leicht in Silos verloren gehen kann. Genau hier kann KI viel mehr leisten als nur persönliche Assistenztätigkeiten. Wenn sie gut in Workflows eingebunden ist, hilft sie Teams, sich besser zu strukturieren, Wissen verfügbar zu machen, Aufgaben zu priorisieren und letztlich gemeinsam effizienter zu arbeiten.

Was bedeutet das konkret? Studien zeigen zum Beispiel, dass Mitarbeitende viele Stunden pro Woche in Meetings und mit Tool-Wechseln verbringen. Welche Aufgaben kann KI hier übernehmen, um Teams messbar zu entlasten?

Veit Brücker: Seien wir ehrlich: Informationen gehen heutzutage viel zu oft verloren, sei es in Meetings ohne klar dokumentierten Output, endlosen Chatverläufen oder durch die Nutzung von fragmentierten Tools. KI kann helfen, Wissen für alle festzuhalten und nutzbar zu machen. Das ist die Basis für eine wirklich gute Zusammenarbeit im Team. Die Zahlen sprechen da eine klare Sprache.

Laut unserem State of Innovation Report 2024 verbringen Mitarbeitende im Durchschnitt 8,8 Stunden pro Woche in ineffizienten Meetings und weitere 8 Stunden mit dem Wechsel zwischen verschiedenen Tools. Das ist viel Zeit, die für Koordination statt Kreation verloren geht. KI setzt genau da an. Sie fasst Meetings automatisch zusammen, filtert relevante Infos aus E-Mails und unterschiedlichen Tools, erstellt Status-Updates und priorisiert Aufgaben. Und all das ohne manuellen Input.

KI ist besonders gut darin, Muster zu erkennen. Wie lässt sich das für die Teamzusammenarbeit nutzen? Insbesondere, wenn es darum geht, Reibungsverluste zwischen verschiedenen Tech-Teams zu vermeiden?

Veit Brücker: KI kann auch eingesetzt werden, um frühzeitig zu erkennen, wenn es einmal hakt. Wenn zum Beispiel regelmäßig Freigaben zu lange dauern oder Aufgaben immer an denselben Stellen ins Stocken geraten, meldet sich die KI-Lösung und schlägt vor, wie man das besser machen kann. Das spart Teams wertvolle Zeit, die sie für Tätigkeiten mit echtem Mehrwert verwenden können.

Ein gutes Beispiel ist die Erkennung typischer Engpässe im Projektmanagement. Wenn mehrere Tech-Teams an einem Projekt arbeiten, erkennt die KI-Lösung, wann sich Deadlines überlagern oder welche Teammitglieder überlastet sind. Auf dieser Grundlage kann sie frühzeitig Empfehlungen zur Optimierung geben, etwa Aufgaben umpriorisieren oder Zuständigkeiten anpassen. Gerade in funktionsübergreifenden Teams, wo die Kommunikation gerne mal unübersichtlich wird, ist das sehr hilfreich.

Welche technischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit KI reibungslos in Team-Workflows integriert werden kann, etwa im Hinblick auf Daten- und Governance-Strukturen oder die Kompatibilität mit bestehenden Systemen?

Veit Brücker: KI braucht Kontext. Und der kommt nur, wenn Daten aktuell, strukturiert und zugänglich sind. Wenn das nicht gegeben ist, kann auch die beste KI keine sinnvollen Empfehlungen liefern. Das heißt konkret, es braucht gepflegte Projektdaten und klar definierte Workflows. Außerdem tool-interne Feedback-Schleifen, mit denen Teams die Vorschläge der KI einfach bewerten und gegebenenfalls nachjustieren können. Denn die Nutzung soll anwenderfreundlich sein. Dafür muss KI nahtlos in bestehende Tools integriert werden, nicht als zusätzliches System, sondern als Erweiterung dessen, womit Teams sowieso schon arbeiten. Nur so entsteht eine echte Unterstützung im Alltag, die nicht neue Silos schafft, sondern bestehende Prozesse intelligenter macht.

Ein Blick auf den Status Quo in Unternehmen zeigt, dass sie und ihre Mitarbeitenden KI primär als Projekt des Managements oder der zentralen IT-Abteilung sehen. Warum kommt es darauf an, dass auch Fachabteilungen und Teams frühzeitig einbezogen werden?

Veit Brücker: Das ist so wichtig, weil die Fachabteilungen diejenigen sind, die täglich mit der Technologie arbeiten. Wenn KI-Use-Cases nur „von oben“ kommen, bleiben sie für viele abstrakte Projekte. Der tatsächliche Mehrwert entsteht erst dann, wenn Teams selbst erkennen: Genau an dieser Stelle unterstützt die KI-Lösung, hier wird Zeit gespart und die Arbeitsbelastung reduziert. Denn das eigentliche Ziel ist, dass KI Teams sinnvoll ergänzt. Sie soll dort unterstützen, wo sie ihre Stärken hat, und nicht die menschliche Rolle ersetzen.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Teams frühzeitig in den Einführungsprozess eingebunden werden. Denn nur so entwickelt sich auch Vertrauen. Wenn Mitarbeitende im vorgegebenen Rahmen mit eigenen Use-Cases arbeiten, die KI-Lösung testen und anpassen dürfen, wird sie vom Tool zum Teammitglied. Dann nutzen nicht nur die zentrale IT und das Management die Technologie, sondern das ganze Unternehmen profitiert. Und das ist letztlich der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration.

 

Veit Brücker

ist Head of DACH & South EMEA bei Asana.

 

 

 

 

 

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