Cloud-Services aus dem Windrad

WestfalenWIND-Gruppe betreibt energieintensive Rechenzentren klimaneutral in den Türmen von Windkraftanlagen.

Die WestfalenWIND-Gruppe betreibt und verwaltet rund 120 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 350 MW. Die Abhängigkeit von Netzbetreibern stellte für den Erzeuger von nachhaltigem Strom ein großes Problem dar, da die Netze wegen Überlastung in der Vergangenheit sehr oft abgeschaltet werden mussten. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich technisch und wirtschaftlich unabhängig zu machen, stießen die Paderborner mit windCORES auf ein völlig neues Geschäftsmodell.

Servertechnik in der Windturbine

Windräder eignen sich aufgrund ihrer Beschaffenheit hervorragend als geschützte Umgebung für energieintensive IT-Systeme. Mit ihren dicken Betonwänden, einer kontrollierten Zugangsinfrastruktur und ausreichend Raum für Einbauten in mehreren Etagen sind sie bestens geeignet für die Unterbringung hochverfügbarer Servertechnik. So entstand die Idee 2018, das erste Rechenzentrum in den Turm einer Windturbine im Windpark im Kreis Paderborn zu verbauen. Das Ziel: Den durch das Windrad erzeugten Strom direkt vor Ort in Form von Rechenleistung zu verarbeiten und Kunden in der Region und darüber hinaus nachhaltige Rechenzentrumsinfrastruktur zu verkaufen.

Am Standort windCORES II, verteilen sich heute mehr als 50 Server auf drei übereinander liegenden Ebenen im Inneren des Turms. Während oben der Wind die Rotoren antreibt, werden unten sensible Daten verarbeitet. Das ist nicht nur effizient, sondern auch platzsparend: Neue Flächen müssen nicht erschlossen, keine neuen Gebäude errichtet werden, da man nutzen kann, was bereits vorhanden ist.

Herausforderung: Technik trifft auf Energieanlage

Der Umbau eines Windradturms zu einem vollwertigen Rechenzentrum ist allerdings kein Standardprojekt. Die gesamte IT-Infrastruktur, wie Serverracks, unterbrechungsfreie Stromversorgung, Brandschutztechnik und Kühlung mussten  so konzipiert werden, dass sie durch die schmalen Einstiegsluken in den Turm transportiert und dort installiert werden können. Gleichzeitig musste sichergestellt werden, dass der Betrieb der eigentlichen Windkraftanlage in keiner Phase beeinträchtigt wird.

Eine besondere Bedeutung kommt der strikten Trennung der beiden Gewerke zu: Rechenzentrum und Windanlage arbeiten unabhängig voneinander. Für Wartungseinsätze gelten klare Zutrittsregeln: so ist ausgeschlossen, dass Personal der Windtechnik Zugriff auf die IT hat oder umgekehrt. Diese Trennung ist organisatorisch sinnvoll sowie sicherheitsrelevant, etwa im Hinblick auf Datenschutz und Systemstabilität.

Eigenständiger Cloud-Service-Provider

Zu Beginn startete windCORES als Anbieter klassischer Colocation-Dienste und vermietete Server oder einzelne Racks und Cages inklusive Stromversorgung und Internetleitung, in dem nachhaltig betriebenen Rechenzentrum. Mit Blick auf die steigende Marktnachfrage entwickelte sich der IT-Anbieter aber weiter: Weg vom reinen Infrastruktur-Vermieter, hin zum eigenständigen Cloud-Service-Provider. Aus diesem Grund setzt windCORES für die Bereitstellung der Cloud-Dienste auf eine hyperkonvergente Infrastrukturplattform des Kölner Unternehmens gridscale einer Tochter von OVHcloud. Sie erlaubt es Unternehmen, virtuelle Maschinen, Speicher und Plattformdienste – inklusive Containerlösungen – flexibel zu buchen und zu verwalten. Die Plattform läuft im sogenannten White-Label-Modus: Für die Kunden tritt allein windCORES als Anbieter auf.

Damit positioniert sich windCORES gezielt gegenüber den internationalen Hyperscalern, deren Rechenzentren oft weit entfernt betrieben werden und bei vielen Kunden Fragen zum Datenschutz oder zur rechtlichen Compliance aufwerfen. Die Daten bei windCORES bleiben in Deutschland, unterliegen vollständig der DSGVO und sind durch ISO 27001-Zertifizierungen zusätzlich abgesichert, was einen klaren Pluspunkt für Unternehmen mit sensiblen Daten oder hohen regulatorischen Anforderungen, wie beispielsweise im Versicherungswesen, bietet.

Auch eine geringe Latenz überzeugt: Gerade bei Anwendungen im Bereich Industrie 4.0, Smart City oder IoT, wie etwa bei der Echtzeitanalyse von Sensordaten, sind kurze Übertragungswege ein entscheidender Vorteil. Hier zeigen dezentrale Rechenzentren, wie die in Windrädern untergebrachten Cloud-Knoten eine doppelte Leistung: Sie sind einerseits näher an den Endgeräten und bieten andererseits durch ihre Struktur auch eine hohe Ausfallsicherheit.

Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

Ein Rechenzentrum im Windrad ist nicht nur eine technische Innovation, sondern auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Die Nutzung lokal erzeugter Windenergie macht den Betrieb nicht nur unabhängig vom allgemeinen Stromnetz, sondern vermeidet auch Übertragungsverluste.

Die CO₂-Bilanz ist entsprechend überzeugend: Laut Betreiber lassen sich pro Rack jährlich rund 14 Tonnen CO₂ einsparen, sowohl durch den Einsatz erneuerbarer Energien als auch durch die Reduktion von Energieverlusten und Kühlaufwand. Für viele Unternehmen, die heute verstärkt auf Nachhaltigkeit achten, sei es durch regulatorische Vorgaben oder wachsende Kundenanforderungen, ist das ein entscheidendes Argument.

Deutschlandweites Netz aus Edge-Rechenzentren

Die Idee, Rechenzentren in Windkraftanlagen zu integrieren, ist nicht auf Paderborn beschränkt. Die Betreiber schätzen, dass bundesweit rund 4.000 bis 5.000 Windkraftanlagen technisch in der Lage wären, ein vergleichbares Setup aufzunehmen. Damit ließe sich ein deutschlandweites Netz aus Edge-Rechenzentren aufbauen, das sowohl leistungsfähig als auch resilient und unabhängig von internationalen Lieferketten, sicher im Betrieb, ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich tragfähig ist.

Diese Dezentralität ist besonders in Krisenzeiten von Vorteil: Sollte es zu regionalen Ausfällen oder Netzüberlastungen kommen, bleiben Datenverarbeitung und digitale Dienste durch lokale Cloud-Knoten aufrechterhalten.

Mit windCORES und der gridscale-Infrastruktur zeigt WestfalenWIND, wie sich klassische Energieinfrastruktur zukunftsfähig weiterentwickeln lässt. Wo früher ausschließlich Strom erzeugt wurde, entstehen heute multifunktionale IT-Standorte: Rechenzentren mit eigenem Kraftwerk, sicherer Anbindung ans Netz und grüner DNA. Das Konzept hat das Potenzial, sich weit über Ostwestfalen hinaus zu entwickeln.

 
ist CEO von gridscale.
 
 
 
 
 
 
 
 

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