Kooperativen im Fachhandel: Was sie bieten, was sie bringen
Lohnt es sich für Systemhäuser, ISVs und VARs, Mitglied in einer Kooperation zu werden? Wozu sind die Gemeinschaften gut, welche Vorteile bieten sie?
Der Markt für den deutschen IT-Fachhandel im weitesten Sinne – also auch für alle, die ihr Geschäft im Dienstleistungsbereich machen – ist derzeit in Deutschland nicht gerade rosig, da kein positives Investitionsklima herrscht. “Wir sind der Meinung, dass das Endspiel angepfiffen ist. Besonders im Einzelhandel wird es innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Marktbereinigung geben – auch für Ketten, die nicht groß genug sind. Bei Systemhäusern wird eine ganz starke Konsolidierung und Professionalisierung eintreten.” Das ist die Einschätzung von Oliver Haubrich, Geschäftsführer der europäischen Verbundgruppe ElectronicPartner, zu der die Systemhaus-Gruppe ComTeam gehört, zur derzeitigen Geschäftslage.
Hilft das Zusammenrücken in einem Verbund da weiter? Kooperationen entwickelten sich von Einkaufsgemeinschaften zu Organisationen, die ihren Mitgliedern eine Fülle von Leistungen bieten. Frank Garrelts, Gründer und Vorstand der “Kooperation eigenständiger Systemhäuser, VARs und IT-Fachhändler” Akcent Computerpartner Deutschland AG, reklamiert für sich, als erster die Idee für den Computerbereich gehabt zu haben: “Ich habe den Kooperationsgedanken in die IT-Branche gebracht.” Angefangen hatte alles in Lilienthal bei Bremen. Dort gründete er 1984 die Einkaufskooperation Comteam, an der die Händler als Kommanditisten beteiligt waren. 1985 kam der Fachgroßhandel Microteam dazu.
Die drei Großen
Doch die Händlerkollegen hatten wohl andere Vorstellungen von der Kooperation als Garrelts: “Viele Ideen sind nicht realisiert worden.” Und so verließ er Comteam 1992 als Geschäftsführer und veräußerte seine Anteile. Bereits seit 1989 baute er den “Arbeitskreis Computerfachhandel” (AKC) auf, der sich im Laufe der Zeit zur neuen Kooperation “Akcent” entwickelte, wobei es Garrelts auch auf ein überregionales Marketing ankam. Akcent zählt seit Anfang diesen Jahres 753 Mitglieder, die sich aus rund 60 Prozent IT-Fachbetrieben und je etwa 20 Prozent Systemhäusern und VARs zusammensetzen. Die Kooperationsarbeit soll in die neuen EU-Länder ausgeweitet werden, insbesondere mit Polen und Tschechien bestehen erste Kontakte.
ComTeam wurde 2001 von der ElectronicPartner (EP) Handel GmbH mit Sitz in Düsseldorf übernommen. Zurzeit gehören rund 210 Systemhäuser in Deutschland und etwa 100 in Österreich dazu. Julian Riedlbauer ist seit März 2004 Geschäftsführer der ComTeam Systemhaus GmbH und Bereichsleiter I&C (Information & Communication) von ElectronicPartner. In diesem Unternehmensbereich werden ungefähr 600 Systemhäuser betreut, die als “eigenprofilierte Mitglieder” auftreten, damit aber auch nicht an zentralen Marketingaktionen teilnehmen können.
Die dritte im Bunde ist die “Einkaufs- und Dienstleistungskooperation” Microtrend, die seit ihrer Gründung 1994 zur PC-Spezialist Franchise AG mit Sitz in Bielefeld gehört. Sie zählt derzeit 1108 Mitglieder. Bei der Franchise-Kette stehen die Zeichen weiter auf Expansion: Im Dezember letzten Jahres ging man zusätzlich eine “umfassende strategische Zusammenarbeit” mit der Kooperation I-Team mit 280 IT-Systemhäusern in Deutschland ein. Aber auch bei Microtrend ist erklärtes Ziel für 2005, die Kooperation “in Deutschland und Österreich bekannter zu machen”. Microtrend-Vorstandssprecher Frank Roebers dazu: “Nach unserer Ansicht werden nur die Händler in der IT-Branche überleben, die sich einer Kooperation anschließen.”
Einkaufsvolumenbündelung, Zentralregulierung
Der Einkauf läuft heutzutage in erster Linie über Online-Datenbanken. Bei PC-Spezialist gibt es dafür die EGIS-Datenbank (Enterprise Global Information System). Dort können Produktpreise, -Verfügbarkeit und -Lieferzeiten abgefragt werden. Nach eigenen Angaben verhandelt Microtrend “täglich rund 1200 Preise individuell für die angeschlossenen Partnerbetriebe”. Außerdem steht den Microtrend-Mitgliedern noch die Best-Practice-Datenbank, eine Art Intranet der Kooperation, zum Erfahrungsaustausch zur Verfügung.
Bei ComTeam gibt es ein duales Bezugssystem über das EP-Lager einerseits und rund hundert Hersteller und Distributoren andererseits. Über 50.000 Artikel stehen zur Auswahl. Die Kooperationspartner haben Zugriff auf zwei Informationssysteme und auf die Bestellplattform BestBuy für den zentral regulierten Direkteinkauf. Sie können zu den individuellen Konditionen ihrer Lieferanten online bestellen und dafür auf die Datenbanken der angeschlossenen Distributoren zugreifen, sowie tagesaktuelle Preise und Verfügbarkeiten einsehen.
Akcent arbeitet mit rund 120 Vertragslieferanten zusammen und bietet seinen Mitgliedern für den Einkauf das Produktdatenmanagement ALF (Akcent Lieferanten Finder). Alle wichtigen Informationen zur Produktrecherche stehen dort zur Verfügung. Die Anbindung an die Warenwirtschaftssysteme der Lieferanten ermöglicht es ihnen, direkt zu bestellen und online einzukaufen. Außerdem können die Mitglieder in der ‘Akcent Shopping Mall’ eigene Produkte anbieten. Als Diskussionsforum dient die zentrale Plattform Akcent Extranet.
Abgesehen von den Wettbewerbsvorteilen der Einkaufsmengenbündelung in einer Kooperation spielt die Zentralregulierung eine große Rolle: Obwohl die Mitglieder ihre Waren größtenteils direkt bei ihren Lieferanten beziehen, wird die Bezahlung zentral geregelt, was den Vorteil verlängerter Zahlungsziele hat und die Übernahme des Delkredere (Bürgschaft, Haftung für den Eingang einer Forderung) durch die Kooperation.
Aufnahmekriterien
Aber genau deshalb gehört natürlich die Bonitätsprüfung zu den vorrangigen Bedingungen, um in eine Kooperation aufgenommen zu werden. “Gute Bonität ist die wichtigste Voraussetzung. Die Kreditsicherung wird sehr sorgfältig geprüft”, erklärt Frank Garrelts von Akcent dazu. Auch werden immer wieder Partner im Laufe der Zeit wegen Aufhebung des Delkredere ausgeschlossen. Oliver Haubrich von ElectronicPartner sieht es als großen Vorteil an, dass EP eine Teilbankgenehmigung besitzt und damit die Kreditwürdigkeit der Anwärter selbst prüfen kann. Schließlich komme es darauf an, dass sich ein Mitglied “im Sinne der Gemeinschaft verhält”.
Zu den weiteren Bedingungen gehören bei Microtrend die Vor-Ort-Besichtigung nach internen Kriterien, aktuelle BWA (betriebwirtschaftliche Auswertungen) und die Bilanz des Vorjahres für “Einkaufspartner”. Für “Handelspartner” ist die Freigabe zur Teilnahme am Microtrend-Marketing abhängig von Umsatz, Geschäftsmodell und Qualifikation. Gebühren dafür staffeln sich je nach Vertragsmodell. Die Voraussetzungen für I-Team-Systemhäuser sind Serviceorientierung, mehr als zehn Mitarbeiter und die Fähigkeit, Dienstleistungen anzubieten und “in komplexer Form abzuwickeln”. Erscheinungsbild, Dienstleistungen und Referenzen werden vor Ort geprüft.
“ComTeam-Systemhäuser müssen besondere Qualitätsanforderungen erfüllen, damit sie als Mitglied aufgenommen werden können”, erklärt Geschäftsführer Julian Riedlbauer: “Systemintegrative Lösungskompetenz, Ausrichtung auf IT-Anwender mit fünf bis 250 Arbeitsplätzen, ausreichende personelle Kapazität für Planung, Projektierung und Lösungsimplementierung, Personal für Service, Wartung und Störfallbehebung und Vertriebsaußendienst.” Außerdem sind bestimmte CI-Richtlinien (Corporate Identity) einzuhalten, was ihr Erscheinungsbild betrifft. Für I&C-Systemhäuser genügen die Bonitätsanforderungen von ElectronicPartner. Mitgliedsbeiträge richten sich bei ComTeam- und I&C-Systemhäusern nach dem Leistungsumfang.
Akcent hat ein mehrstufiges Beitragssystem mit jeweils unterschiedlichen Leistungen und Bonusausschüttung, das heißt, dass eine Rückvergütung bei entsprechendem “Einkaufsengagement” erfolgt. Es gibt die einfachen “Akcent-EinkaufsPartner” und die “Akcent-CompetencePartner”. Diese müssen dafür Klassifizierungskriterien erfüllen wie Mindestumsatz, eine bestimmte Mitarbeiteranzahl, einen vorgeschriebenen Anteil an Gewerbekunden und eine Unternehmensstruktur mit unterschiedlichen Ansprechpartnern. Sie haben Referenzkunden vorzuweisen und eine eigene Homepage, Kerndienstleistungen anzubieten, sowie die telefonische Erreichbarkeit innerhalb definierter Geschäftszeiten sicher zu stellen.
Weitere Leistungen
Allen gemeinsam ist bei den Leistungen das Marketing, das zentrale Aktionen wie Mailings und Anzeigenkampagnen, Kundenzeitschriften und Werbemittel beinhalten kann, aber auch Unterstützung bei der Pressearbeit der einzelnen Partner. Aus- und Weiterbildung ist für alle Kooperationen ein wichtiges Thema. Dazu zählt neben Seminaren und Workshops oder der Microtrend-Akademie auch der rege Informationsaustausch der Mitglieder untereinander auf Regionaltreffen und auf eigenen Veranstaltungen wie dem Akcent-IT-Fachhandelskongress, der I&C-Zentralveranstaltung für EP-Mitglieder oder dem Geschäftsführertreffen bei Microtrend.
Betreuung und Beratung wird in diversen Bereichen angeboten, so etwa Rechtsberatung bei ComTeam und betriebswirtschaftliche Beratung bei Akcent. Vertriebsunterstützung gibt es von Akcent für seine “CompetencePartner” durch die Vermittlung von Projekten und Projektpartnern. ComTeam hat einen eigenen Vertriebsinnendienst, offeriert technischen Support, Unterstützung bei der Neukundengewinnung mit Zielgruppenbestimmung, Vermarktungsaktionen für zertifizierte Lösungen und die zentrale Vergabe von Service-Aufträgen.
In diesen Kontext gehören auch unterschiedliche Finanzdienstleistungen, die alle Kooperationen offerieren, von EC-Cash bei Microtrend bis zur Projektfinanzierung bei ComTeam. Als Besonderheiten bietet Microtrend beispielsweise seinen Mitgliedern die Kooperation mit Freenet für DSL und Telefonie und mit der Loomes AG für das Design und die Pflege von Homepages an. Eine Spezialität von Akcent ist die Präsenz in Verbänden wie etwa Bitkom und DIHK.