ITK-Branche schöpft mehr Wert als die Automobilindustrie
Der Bitkom und die Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants haben den zweiten Teil der Studie ‘Zukunft digitale Wirtschaft’ vorgelegt.
Der Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) hatte im ersten Teil Technologien identifiziert, die ein hohes Wachstumspotenzial haben – darunter Eingebettete Systeme, neue Software-Architekturen oder biometrische Sicherheitslösungen.
Der zweite Teil analysiert den Beitrag der ITK-Branche zur deutschen Wirtschaft. Die ITK-Wirtschaft besteht in diesem Sinne aus den Segmenten Informationstechnik (Computer-Hardware, Software, IT-Dienstleistungen), TK (Hardware, TK-Dienste: Festnetz, Mobilfunk, Datenübertragung) und digitale Unterhaltungselektronik.
Nach den Berechnungen erwirtschaftete die ITK-Branche im Jahr 2005 mit fast 74 Milliarden Euro die höchste Wertschöpfung der klassischen Industriezweige und lag vor dem Maschinenbau, der Automobilindustrie oder der Metallindustrie. Die Kennzahl Wertschöpfung misst den Wert der erbrachten Waren und Dienstleistungen abzüglich der Vorleistungen.
Demnach legte die Wertschöpfung der beiden Segmente Software und IT-Services zwischen 1995 und 2005 um 68 Prozent auf fast 28 Milliarden Euro zu. Bemerkenswert sei der Anstieg der Wertschöpfung bei ITK-Hardware, die sich im Zehnjahresvergleich auf über 13 Milliarden Euro fast verdoppelte.
Im Jahr 2006 wurden ITK-Waren und -Dienstleistungen im Wert von 57 Milliarden Euro exportiert. Das sei ein Plus von 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im OECD-Vergleich belege Deutschland bei Kommunikationstechnik, IT-Hardware und elektronischen Bauelementen jeweils einen Platz unter den fünf führenden Exportnationen.
Besonders stark gewachsen sei mit einem Plus von 22 Prozent der Export von Consumer Electronics. In der Summe bleibe Deutschland gleichwohl Nettoimporteur von ITK-Produkten und -Diensten. Bitkom-Präsident Willi Berchtold: “Deutschlands Hightech-Sektor wächst, aber manche Länder sind schneller als wir.”
So investierten die Unternehmen und der öffentliche Sektor in Deutschland deutlich weniger in ITK-Technik als andere Nationen. Spitzenreiter sei die USA mit einem Anteil von 4 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP), gefolgt von den skandinavischen Ländern. Deutschland liege mit einem Anteil der ITK-Investitionen am BIP von 1,9 Prozent noch unter dem Durchschnitt der EU. “Vergleichsweise niedrige ITK-Investitionen sind ein wesentlicher Grund für die Wachstumsschwäche Deutschlands in den letzten zehn Jahren”, sagte Berchtold.
Ein Schlüssel für die Entwicklung des ITK-Sektors seien die Anwenderbranchen, so der Bitkom. Ein Beispiel hierfür sei das Gesundheitswesen. “Allein die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte wird Einsparungen in Milliardenhöhe bringen und die Versorgung jedes Patienten verbessern”, sagte Berchtold. Die Ausgaben für Gesundheit machten mit mehr als 230 Milliarden Euro fast 11 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus.
Gleichzeitig stehe das Gesundheitssystem wegen des demografischen Wandels unter einem starken Druck, seine Effizienz zu steigern. Im Jahr 2006 hätten Ärzte, Krankenhäuser, Apotheker und Kassen 3,7 Milliarden Euro für ITK-Produkte und Dienste ausgegeben. In den Folgejahren steigt der Umsatz der Studie zufolge um jährlich 4 Prozent auf 4 Milliarden Euro im Jahr 2008.
Der umfassende Einsatz von ITK sei auch für den Bankensektor ein zentraler Erfolgsfaktor. Rund 60.000 IT-Spezialisten arbeiteten bei Banken. Das entspreche 8 Prozent aller ITK-Beschäftigten – ein Spitzenwert im Vergleich zu anderen Branchen. Online-Banking nutzten heute 40 Prozent der Bevölkerung und zwei Drittel der Internetnutzer. Die Kreditinstitute steigerten ihre Produktivität mit ITK aber vor allem im Backoffice. Beispiele seien die Automatisierung des Zahlungsverkehrs, von Wertpapiertransaktionen oder des Kreditgeschäfts. Nach der Bitkom-Schätzung werden die ITK-Ausgaben der Banken von 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2006 um jährlich 3 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro im Jahr 2008 steigen. “Die Finanzinstitute investieren wieder verstärkt in ITK, nachdem sie ihre Ausgaben nach dem Börsen-Crash zwischen 2001 und 2004 zunächst spürbar reduziert hatten”, so Berchtold.
Die dritte Anwenderbranche mit hohem ITK-Einsatz sei die Automobilbranche. Elektronische Bremsassistenten oder der Tempomat seien heute Standard. Hinzu kämen Navigationssysteme und Multimedia-Anwendungen. Laut Bitkom entfallen bis zu 70 Prozent der Kosten bei neuen Modellen auf Elektronik und Software. ITK-Technologien kommen in der Produktentwicklung, bei der Steuerung der Produktion und im Service zum Einsatz. Gemäß der Studie werden die ITK-Ausgaben der Automobilindustrie von 4,6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr um jährlich 4,6 Prozent auf 5 Milliarden Euro im Jahr 2008 ansteigen.
Aus Sicht von Berchtold kommt es nun darauf an, innerhalb Deutschlands die Zusammenarbeit der ITK-Anbieter mit den großen Anwendergruppen noch enger zu ziehen. “Wir müssen hin zu einer voll integrierten Zusammenarbeit über Branchengrenzen hinweg.” Bei einer anhaltend positiven Entwicklung der Anwenderbranchen und unter der Voraussetzung günstiger politischer Rahmenbedingungen könne der ITK-Markt in Deutschland bis zum Jahr 2010 um jährlich 3 Prozent auf 164 Milliarden Euro wachsen, hieß es.