2010: Odyssee im Sommerloch
Tornado und Regen legen Teile Deutschlands lahm! Ach kommt schon, Kollegen von spiegel.de, lasst die Apokalypse im Keller, wir sind mittlerweile katastrophenresistent. Haben wir nicht gerade die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Stunde Null hinter uns?
Aber sowas von! Also denkt euch was anderes aus. Wir gehen derweil shoppen. Danach trauern wir um die, die es diesmal nicht geschafft haben. Sind einige, auch einige Namhafte aus der Kollegenzunft, aber bei der aktuellen, auch mich überraschenden Marktlage dürften alle Freigestellten bereits wieder einen neuen Arbeitgeber gefunden haben. Sofern sie denn wollen. Eigentlich hängt noch ein Hauch von Urlaub und Sommer in der Luft, im Falle der Abrufzahlen ist es gar ein Pestgeruch. Da stört der Aufschwung nur.
Aber egal, wir Zuhausegebliebenen machen derweil mit Alltag weiter. Demonstrieren war man beispielsweise schon lange nicht mehr. Dabei gäbe es so vieles, worüber man sich echauffieren könnte. Einen neuen Bahnhof beispielsweise. Den alten hab ich mir erst vorgestern angesehen. In Stuttgart, mein ich. Erschien mir nicht sonderlich erhaltenswert. Überhaupt fragt man sich, was in die Schwaben gefahren ist. Machen auf Millern- und Kottbusser Tor, das passt irgendwie nicht zu den Spießern im Südwesten.
Dabei liegt die Erklärung auf der Hand: Sie wollen nicht mehr für ebendiese Spießer gehalten werden – der Hype darum, gezündelt von einer Bank oder Lebensversicherung oder sonstwas für einen Mist, war ein kurzer, Gott sei’s gedankt –, in Baden-Württemberg wollen sie ein neues, krawalliges Image. Denn in Berlin gelten Schwaben als das Verachtenswerteste überhaupt. Obwohl und gerade es von ihnen in Prenzlberg und Friedrichshain nur so wimmelt. Dort radebrechen sie dann verzweifelt berlinerisch, um nicht als Schwarzwälder Kirschen erkannt zu werden. Das wurmt auf Dauer! Entsprechend verzweifelt suchen sie nun das Ruder herumzureißen und 1. Mai-Demo auf dem Bahnhofsdach nachzustellen.
Was kommt als nächstes? Wird in Böblingen HP angezündet? Nebenan bei IBM mit Farbbeuteln geschmissen? Heiligs Blechle! Viel Erfahrung im Randalieren haben die Schwaben ja nicht, das kann was werden! Ich darf wieder den Spiegel zitieren: “Direkt am Bahnhofseingang spielt eine Band ein paar Songs. Bei dem Queen-Klassiker ‘We are the Champions’ singen alle mit.” Menschen in Schwaben, höret meine Worte: Rock ist keine Form des Protestes mehr, Queen gilt als … als … mir gehen die Vokabeln aus. Ist jedenfalls nicht cool, man!
Apropos Almöhi: Vom Nachbarn in der Schweiz ist in Sachen Protest auch wenig Hilfreiches zu erwarten. Käserollen und Hanfanbau sind in der Hitliste des Terrors weit abgeschlagen. Vielleicht holen sie sich ja Hilfstruppen aus Griechenland. Können ja alles, die Leute im Ländle…