Die Old Banking Economy in Deutschland hat schon längst verloren, sagt Mindlab-CEO Heinz D. Schultz und beschreibt seine Vision vom “Community Banking”. Nur so könnten die Finanzinstitute das verlorene Vertrauen der Kunden zurückgewinnen.
Ich möchte mit diesem Beitrag meine Erlebnisse der Fraunhofer Veranstaltung Stuttgarter E-Business-Tage 2010 reflektieren. Speziell das Thema Banking und Social Media hat mich interessiert. Der Vortrag von Matthias Kröner, Vorstand der Fidor Bank, hat beeindruckend aufgezeigt, dass die Old Banking Economy in Deutschland schon längst verloren hat. In seinem Vortrag hat er auf den Edelmann Trust Report 2010 verwiesen. Im Vorjahr war das Vertrauen in die deutschen Banken bei 34 Prozent, heute im Jahr 2010 nur noch bei 17 Prozent. Im Vergleich zu unseren Europäischen Partnern liegen wir damit auf einem der allerletzten und damit schlechtesten Plätze.
Edelmann Trust Barometer 2010 für Banking und Technology
Foto: Edelmann
Die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre hat das Vertrauen der Anleger in die Stabilität der Finanzmärkte und die Funktionsfähigkeit der Bankensysteme stark erschüttert. Gerade das vertriebsorientierte Geschäftsmodell der im Retail-Banking etablierten Häuser wird zunehmend in Frage gestellt. Immer deutlicher werden Forderungen nach einem objektiven, transparenten und am Kundeninteresse ausgerichteten Betreuungsansatz artikuliert. Erste Vorreiter der Branche nutzen die nachhaltige Entwicklung des Internets hin zum Web 2.0 für innovative Geschäftsmodelle im Retail-Banking.
“Community Banking” schaut dann beispielsweise so aus: Die Kunden kennen sich und können interagieren. Sie tauschen über die Community Meinungen, Informationen und Erfahrungen aus und verbessern so die Basis für ihre Finanzentscheidungen. Im Fall von Fidor werden die Kunden für diesen Dialog und viele weitere Aktivitäten entlohnt. Dies erfolgt über ein proprietäres Bonussystem. Dabei können die Kunden entscheiden, ob sie ihren Finanzbedarf über die Bank (respektive Drittbanken) oder “peer-to-peer”, also mit anderen Kunden beziehungsweise Usern, decken wollen.
Unter dem Motto “Banking mit Freunden” werden so die zentralen Wirkprinzipien des Web 2.0 – Offenheit, Transparenz, Authentizität und Dialogbereitschaft – auf das Thema Finanzdienstleistung übertragen. Der Dialog mit Kunden, Mitgliedern und Interessenten wird weitgehend öffentlich und den Medien des Internets geführt, unter anderem über Twitter, Facebook, Xing und Youtube.
Auf Google Analytics dagegen verzichten die Macher der neuen Bankenwelt – das Tool genügt den hohen Datenschutzansprüchen nicht. Selbst mir stehen die Nackenhaare zu Berge, wenn ich auf die Bankenwelt aus Sicht eines
Webcontrolling-Anbieters (Webanalyse funktioniert ein wenig anders) in Deutschland schaue. Da werden immer noch fragwürdige Trackingsysteme eingesetzt, die Pixel in fremden Datensilos speichern um daraus Webanalyse Berichte zusammenzubasteln. Was mit den Benutzeraktionen passiert, vielleicht verschlüsselt, vielleicht auch nicht, interessiert die wenigsten IT-Verantwortlichen anderer Institute.
Erst neulich habe ich bei einer Tagung führender Versandhändler erleben müssen, wie Mitbewerber das Thema “Datenschutz in der Webanalyse” gegenüber einem meiner Kunden als Kavaliersdelikt mit dem Beispiel ‘Sie fahren in der 30km/h Zone auch keine 30km/h (Augenzwinkern)’ heruntergespielt haben. Wer dieses Beispiel zitiert hat, möchte ich hier nicht ausführen. Auf jeden Fall waren die Tagungsbesucher erschüttert über die unqualifizierten Äußerungen zum Datenschutz. Doch zurück zum Thema Banking.
Bislang haben nur wenige verstanden, was die Kunden heute und morgen wollen. Meine Söhne, heute 24 und 21 Jahre alt, sind in der Digitalen Welt aufgewachsen und sollen Bankprodukte mit entwickeln, beeinflussen und bewerten können. Bank- und Anlageberater der Old-Banking Economy die es verstanden haben meine Kids in jungen Jahren, mit 16 und 17 Jahren in die Filiale der Bank zu “zitieren” und 65 Prozent des Lehrlingsgehaltes in einem Bausparvertrag unterzubringen, müssen schon heute und morgen über sich ergehen lassen, dass sie durch die Wirkprinzipien des Web 2.0 bewertet, gelobt und getadelt werden.
Wird der Vorfall via Social Media publik, sparen sich die anderen Kids kostbare Zeit und Ärger. Die Eltern werden es dem Web 2.0 danken. Ein schönes Beispiel ist der Vorfall der die Bank of America in erhebliche Bedrängnis gebracht hat. Eine Kundin hat sich öffentlich beklagt, als der Zinssatz ihres Kreditkartenkontos von 6 Prozent auf über 30 Prozent erhöht wurde und sie tagelang niemanden im Servicecenter der Bank erreichen konnte. Das Video dazu wurde über 523.000 Mal gesehen. Der Medienverantwortliche der Bank of Amerika war 14 Tage ratlos und konnte das Video selbst mit richterlichen Versuchen nicht auf YouTube stoppen. Ich bin gespannt wann wir die ersten Videos über einen deutschen Bankenvorfall sehen werden.
Weitere Einblicke in den CEO-Alltag von Heinz D. Schultz können Sie in seinem Blog und künftig hier bei silicon.de nachlesen.