Fernsehsessel wird zum Fitnesstrainer
Sport machen, ohne den Fernsehsessel zu verlassen – dieser Wunschtraum könnte bald in Erfüllung gehen. Ein Team mit Forschern der Technischen Universität München (TUM) entwickelt einen Sessel, der über Sensoren Bewegung und Vitalfunktionen misst und an eine Informationsplattform schickt.
Diese Informationsplattform soll Ernährungstipps geben, Ärzte informieren und zum Training motivieren. Am Fernseher werden dann Übungen und Spiele vorgeschlagen, die der Nutzer mit seinen Bewegungen im Sessel steuert. “Wir wollen die Menschen an ihrem Lieblingsplatz zur Bewegung anregen”, sagt Thomas Linner vom TUM-Lehrstuhl für Baurealisierung und Baurobotik. “Sie sollen in einem Möbelstück aktiv werden können, ohne aufstehen zu müssen.”
Das Prinzip ähnelt demjenigen von Videospiel-Konsolen: Über den Fernseher wählen die Nutzer Sport- und Spielprogramme aus. Mikrosensoren in Sitzfläche und Lehnen des Sessels sowie in einem Gürtel als Zusatzgerät registrieren Bewegungen und Kraftaufwand und setzen sie in die Programme um. Der Nutzer steuert so mit seinem Körper ein Spiel am Bildschirm oder bekommt dort Rückmeldungen, etwa über falsche Belastungen bei einer Trainingseinheit.
“Auch im Sitzen können jede Menge Muskeln und die Beweglichkeit trainiert werden”, erklärt Thorsten Schulz vom Lehrstuhl für Sport und Gesundheitsförderung. Ein Beispiel: Der Nutzer bewegt seine Beine gegen einen Widerstand am unteren Sesselrand. Das klingt einfach – und entspricht damit dem Ziel der Wissenschaftler. “Es geht ja gerade darum, die Schwelle für inaktive Menschen so niedrig wie möglich zu halten”, so Schulz. “Wenn sie ihre Übungen beherrschen, können sie sogar gleichzeitig ihre Lieblingssendung im Fernsehen schauen.” Als Zielgruppe sehen die Forscher neben allen, “die das Gefühl haben, mehr tun zu müssen, aber sich nur schwer motivieren können”, auch gehbehinderte Senioren.
In einem zweiten Schritt wollen die Entwickler den Sessel nicht nur als Sportgerät, sondern auch zur Gesundheitsüberwachung einsetzen. Ebenfalls über Sensoren soll er Blutdruck und Puls, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung messen sowie als EKG-Gerät einsetzbar sein. Die Informationsplattform soll die übermittelten Daten auswerten und in einfache Worte übersetzt auf Fernseher, Handy oder PC anzeigen.
Servicedienste oder Ärzte könnten Applikationen anbieten, die über diese Plattform arbeiten: Ernährungs- und Sportprogramme leiten aus den Gesundheitsdaten Empfehlungen und Trainingspläne ab. Mediziner und Pfleger nutzen die Daten für ihre Behandlung. Notfalldienste werden bei einem kritischen Zustand informiert. “Über allem steht das Ziel, die Vitalität zu fördern”, so Linner. Und weil man daran nicht oft genug arbeiten könne, könnten sich die Wissenschaftler vorstellen, nach dem Prototypen für Zuhause auch Stühle für Büro, Bahn und Flugzeug zu entwickeln. Neben den beiden TUM-Lehrstühlen sind weitere Forschungseinrichtungen und mehrere Unternehmen am Projekt ‘Gesund wohnen mit Stil’ (GewoS) beteiligt, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt mehr als zwei Millionen Euro in drei Jahren fördert.