A fatal error has been detected…
Es gibt Tage, da ist das Leben wie Windows: Man ist vollauf damit beschäftigt, Fehlermeldungen wegzuklicken. Zu Wochenbeginn war wieder so ein Tag.
Zuerst zur Bank: Der “persönliche Kundenberater” meint, es sei doch schade, Geld auf ein Sparbuch zu legen. Und er habe da gerade einen äußerst interessanten Fond im Angebot.
Der Verkaufsprospekt zeigt einen Mann in mittleren Jahren zwischen Reben, der laut Werbebotschaft gut vorgesorgt hat. Warum für lausige Finanzanlagen eigentlich immer in Weinbergen geworben wird, fragt man sich da doch. – Wahrscheinlich weil der übermäßige Genuss des dort produzierten Getränks die Kaufbereitschaft fördert. Es vernebelt einem den Kopf.
Aber wenn der klar ist, bringt er eine Fehlermeldung: File is corrupt. So viel bekommt man selbst mit Finanzmarktkenntnissen auf Windows-Niveau zustande. Und der Fond-Verticker erhält eine Error Message im Excel-Format: #Null!
Dann geht’s in die Redaktion. Der neue Ressortleiter will seine Pläne vorstellen. Und er möchte alle seine Mitarbeiter dabei haben, hat er ausrichten lassen, auch die freien.
Warum bloß bezeichnet man journalistische Stücklöhner mit diesem inadäquaten Adjektiv, grübelt man, während der Ressortleiter über seine Führungsgrundsätze, unvermeidliche Konsolidierungsanstrengungen und eine konsequentere Qualitätssicherung referiert, also über mehr Druck und weniger Geld. Der Mann wird es sicherlich noch weit bringen.
Die Frage aber lässt sich nicht beantworten. Also die nächste: Warum kommen ausgerechnet solche Leute immer nach oben? Systemfehler! Sowas kann einem doch den ganzen Tag versauen.
Allerdings die Kolleginnen sind hübsch anzuschauen. Eine kommt zu spät und setzt sich auf den einzig noch freien Platz, neben den Zeilenschreiber, der über Freiheit und System sinniert. Dabei rutscht ihr Rock hoch. Oops! Vergeblich versucht sie, ihn zurechtzuzupfen. Es ist einfach zu wenig Stoff da. Mangel kann auch wunderbar sein.
Das zerebrale Windows schaltet in den DOS-Modus. Den interessierten Zuhörer mimen und gleichzeitig über die Welt nachdenken, ist jetzt nicht mehr. Geistiges Multitasking wird unmöglich.
Die eher animalische Seite beansprucht das ganze System. Sowas kann zu kurzem Glück führen oder auch zu langem oder direkt ins Unglück. Letzteres währt stets sehr lange.
Sicherheitshinweis: Diese Seite enthält sowohl sichere als auch nicht sichere Objekte. – Möchten Sie die nicht sicheren Elemente anzeigen? – Nein! Sowas geht in einen DOS-Schädel nicht rein.
Das einzige, was jetzt nicht kommen darf, ist die Meldung: Kann Ini-File nicht finden. Vielleicht geht’s mit Twittern: “Wir kennen uns noch gar nicht. Bist du neu in der Assistenz?” – “Ich bin Redakteurin”, gibt sie empört zurück. There was an error posting your tweet.
Abbrechen? Niemals! Kommen diese Worte doch aus dem süßesten aller Schmollmunde. Und der lächelt jetzt auch wieder.
Doch, es geht was. Der ressortleitende Systemfehler hat aufgehört zu dozieren. Und plaudernd verlässt man den Verlag.
Kurz vor dem obligatorischen Vorschlag: “Vielleicht könnten wir ja noch…” aber entdeckt sie einen vorm Gebäude wartenden Mann. Sie stürmt auf ihn zu, fällt ihm um den Hals. Und der süßeste aller Schmollmunde findet den Seinen.
“Mein Freund” stellt sie den Mann vor. – A fatal error has occurred.
Es ist ein unsympathischer Typ. Gar kein Intellektueller. Wahrscheinlich einer, dessen gesamter Wortschatz sich in einer einzigen SMS versenden lässt. Und Tweets können solche Leute wohl mit der Hypophyse abhören.
Er ahnt natürlich, dass getwittert wurde. Ein Instinktmensch. Eine einzige, misstrauische, personifizierte Fehlermeldung: Sie haben nicht die erforderlichen Berechtigungen. Was finden schöne Frauen ausgerechnet an solchen Gestalten?
Ok, ok. Der Vorgang ist fehlgeschlagen. Man verabschiedet und versichert sich, es sei angenehm gewesen, sich kennengelernt zu haben. Unwürdig ist so was. Normalerweise lässt man sich als Journalist fürs Lügen bezahlen.
Was anfangen mit dem Rest eines so versauten Tages? Die Kollegen sind noch in den Biergarten. Und Frust macht ja auch Durst. Ignorieren? Abbrechen? Keines von beiden.
Am Tisch unter der ganz großen Kastanie sitzen sie alle. Und die neue Software-Redakteurin ist auch dabei. So recht besehen, hat die ja den süßesten aller Schmollmunde. Das zerebrale Windows wechselt wieder in den DOS-Modus und meldet: Starten Sie das Programm neu.