Wie oft höre ich in Chats und Gesprächen über die Arbeitswelt der Zukunft die Argumentation: Wir würden ja flexiblere Modelle anbieten, aber unsere Mitarbeiter wollen das gar nicht. Dazu fallen mir immer zwei Fragen ein. Zum ersten: Haben Sie Ihre Mitarbeiter gefragt? Und haben Sie richtig gefragt?
Wenn ich anbiete, keine Zeit mehr zu erfassen, und dann aber die gesamte restliche Arbeitsorganisation beim Alten lasse, wäre jeder Mitarbeiter töricht, der sich auf dieses Spiel einlassen würde, das für sie oder ihn lediglich nach unbezahlten Überstunden schmeckt. Es muss dann auch eine andere Arbeitskultur her, die nicht mehr ortsgebunden ist. Flexibilität muss dann auch räumlich möglich sein. Viele Wissensarbeiter benötigen für ihre Arbeit lediglich ein Notebook und einen Zugang zum Firmennetz. Warum dann ins Büro fahren? Das geht auch von zuhause aus.
Zum anderen stellt sich mir oft die Frage: Wen haben Sie gefragt? So böse das klingen mag, aber gerade die High Potentials die Menschen mit Schlüsselskills wünschen sich oft eine ‘bessere Balance zwischen Beruf und privat’, und gerade dort ist der Wunsch nach der Möglichkeit, auch mal zuhause zu arbeiten groß; ebenso die jungen Berufsanfänger mit den neuesten Skills, die aber bei weitem weniger Wert auf Karriere legen, die eine gute Balance zwischen dem privaten und dem beruflichen Leben fordern. Frage ich aber langjährige Mitarbeiter, die ihr gesamtes Lebenskonzept auf den 9-17 Uhr Job ausgerichtet haben, so werden diese solch neuen Freiheiten generell erstmal misstrauen, ebenso wie so mancher Betriebsrat. Auch bei den Mitarbeitern erfordern neue Arbeitsmodelle ein Umdenken, mehr Selbstverantwortung und die Begabung dazu, auch die eigenen Wünsche wichtig zu nehmen.
Wollen wir wirklich alle an der Arbeitszeit gemessen werden, oder lieber am Arbeitsergebnis? Und wollen wir ein getrenntes Arbeits- und Privatleben, ein Privatleben, das nur noch auf die Regenerierung für den Beruf abzielt (Work Life Balance, wobei die Balance immer die Arbeitskraft erhalten soll) oder wirkliche Work-Life Integration, bei der wir ein Mensch aus einem Guss sind, und nicht unser Wesen am Werkstor abgeben und das Privatleben der Karriere unterordnen? Also ich wünsche mir letzteres. Aber ich bin ja auch wie manche meiner Bekannten, Kollegen und Leser sagen: Komisch.
Und noch ein Aspekt bekommt immer mehr Gewicht. Der Trend zum “BYOD” also Bring your own device. Da hat zum Teil die IT-Abteilung gar nicht mehr viel mitzureden. Diejenigen, die es gewohnt sind, ihren Freundeskreis auf Facebook oder Google+ zu pflegen und ebenso ihre beruflichen Kontakte, erwarten, dies auch am Arbeitsplatz tun zu können. Auch hier verschmilzt zwangsläufig privat und Beruf. Wer hier mit strengen Verboten arbeitet, wer hier glaubt, nur ein zu hundert Prozent für die Firma arbeitender Mitarbeiter ist ein guter Mitarbeiter, sollte sich dringenst fragen, warum Firmen wie Google, IBM, Microsoft so erfolgreich sind? Dort wird den Mitarbeitern eben nicht alles verboten, was auch nur irgendwie nicht nach hundertprozentiger Humanressourcen-Auslastung klingt.
Wir wissen schon seit langem, dass eine produktive Tätigkeit gerade bei Wissensarbeitern maximal während 70 Prozent der Arbeitszeit möglich ist. Aber wir tun immer noch so, als müsste jeder Mensch am Eingang zur Firma zu einem Arbeitsautomaten mutieren. Get real, sage ich da nur. Smartphones, Tablets, Netbooks die auch schon mal einen ganzen Tag laufen. Wir können sie alle verbieten, den Arbeitnehmer zur Arbeitsmaschine verdammen. Aber das fördert weder Motivation noch Loyalität zum Arbeitgeber. Wer seinen Mitarbeitern vermittelt, dass man sie zur Arbeit tragen muss, dass man sie kontrollieren muss, damit die passenden Ergebnisse herauskommen, der wird auch genau solche Mitarbeiter bekommen. Wer Mitunternehmer will, muss auch Freiheiten zulassen.