Stefan Pfeiffer

ist Marketing Lead Social Business Europe bei IBM Deutschland und nennt sich selbst "Schreiberling aus Passion".

Der erfolgreiche Vertriebler ist ein Netzwerker

Seit geraumer Zeit wird über Social Media und soziale Netzwerke geredet. Welche Rolle spielen diese für den Vertrieb? Dazu gibt es sicher sehr abweichende Meinungen. Für silicon.de-Blogger Stefan Pfeiffer sind Meinungen, wie “Das ganze Zeug bringt mir nix”, ein Grund, einmal zurückzublicken.

Ich habe nun einige Jahre im Marketing in der Softwarebranche hinter mir und viele Vertriebler erlebt. Und ich bin der Meinung, dass die Vertriebler am erfolgreichsten waren (und sind), die am besten vernetzt waren (und sind). Ich habe meinen Lieblingsvertriebler vor Augen, nennen wir ihn Otto. Otto ist ein Vertriebsmitarbeiter alter Schule. Er kennt seine Kunden, sein Klientel. Er ist oft und regelmäßig beim Kunden, vereinbart persönliche Termine oder organisiert Vororttreffen, in denen die aktuellen Themen präsentiert und diskutiert werden. Natürlich gehört das Telefon (ich schreibe bewusst nicht Smartphone) zu seinem täglichen Handwerkszeug. Seine Kunden und Interessenten lädt er gerne zu Veranstaltungen ein, besonders dann, wenn ein Event ihm auch die Chance gibt, abends bei einem Glas Wein zu “socializen”.

Sein persönliches Adressbuch ist aktuell. Die Telefonnummern und E-Mail-Adressen der wichtigsten Ansprechpartner sind immer à jour, oft leider nur im persönlichen Adressbuch und nicht im CRM-System der Firma. Aber das ist eine andere Geschichte. Beim Kunden ist er bekannt wie ein bunter Hund und durchaus geschätzt, denn er ist auch ein Kümmerer, der genau weiß, dass er seinen Kunden auch jenseits des gerade getätigten Deals helfen muss. Er will ja wieder Geschäfte mit dem Kunden machen, denn zufriedene Kunden kaufen wieder oder mehr. Otto ist ein Kommunikator, er redet gerne (und viel), baut Beziehungen auf und pflegt sie. Natürlich hat Otto auch ein Profil auf XING, vernetzt sich dort mit seinen Kunden und Interessenten und nutzt XING (nur) als Adressbuch.

Otto weiß auch, dass er seine Kollegen aus der Technik und dem Projektgeschäft braucht, denn er ist niemand, der sich in technische Details oder Spezifikationen vertieft. Also pflegt er auch intensiv sein firmeninternes Netzwerk, den Kontakt zu Architekten und Servicepersonal. Bis in die Produktentwicklung kennt er Leute und nutzt diese Kontakte, oft auch zum Leidwesen der Vorgesetzten, denn Otto pflegt durchaus an den normalen oder vorgeschriebenen Prozessen vorbei zu gehen. Dies führt ab und an zu Spannungen, aber man verzeiht ihm, denn er ist erfolgreich und im Grunde genommen ein netter Kerl. Wie beschrieben, Otto ist einfach der erfolgreiche Vertriebsprofi alter Schule. Er lebt von seinen externen und internen Beziehungen und seinem Netzwerk.

Seit einiger Zeit beobachte ich nun einen neuen Schlag Vertriebler. Ich nenne ihn mal Julian. Julian ist ein junger Kerl, der frisch von der Uni oder Berufsakademie ins Unternehmen gekommen ist. Julian ist logischerweise mit StudiVZ und Facebook aufgewachsen. Er nutzt das auch privat, um mit seinen Freunden weltweit Infos auszutauschen. Da ist natürlich der nächste Schritt nicht weit, denn Julian ist ja ein helles Kerlchen. Warum nicht soziale Netzwerke auch für seinen Vertriebsjob einsetzen? Also fängt er an, sich intensiv auf XING zu vernetzen. Julian recherchiert Ansprechpartner bei seinen Kunden und hat auch keine Hemmschwelle, diese über das soziale Netzwerk zu kontaktieren. Mal reagieren die Ansprechpartner positiv, mal reagieren sie nicht. Doch Julian geht noch mindestens einen Schritt weiter. Er prüft, welche Onlinecommunities oder Gruppen es auf XING (und anderswo) gibt, in denen “seine” Themen, sein Vertriebsgebiet und seine Branchen diskutiert werden. Dort wird er Mitglied, liest mit und reagiert, wenn sich Ansatzpunkte ergeben. Wenn die entsprechenden Communities Treffen vereinbaren, geht er natürlich auch hin, um Kunden und Interessenten nicht nur virtuell, sondern auch persönlich kennenzulernen. Daneben schaut er sich genau ab, was Otto so treibt und kopiert dessen “Best Practises”. Auch Julian weiß, wie wichtig Beziehungen und sein Netzwerk für seinen Erfolg sind.

Julian hat verstanden, wie er soziale Medien in seinem beruflichen Umfeld einsetzen kann, um sich mit seinen Kunden zu vernetzen und erfolgreicher zu sein. Er ist experimentierbereit und probiert Kanäle wie Twitter aus, auch wenn er dort (noch) nicht viele seiner Kunden findet. Über die sozialen Netze lädt er Interessenten und Kunden zu Events und Webinars ein. Und nach einer Weile traut er sich auch, in den Communities zu kommentieren und eigene Beiträge zu schreiben. Im Idealfall hat Julian Hilfestellungen, wie er sich in den sozialen Medien bewegt. Das können sogenannte Social Media Guidelines sein. Das sollten auch Kolleginnen und Kollegen sein, die ihn beraten, wenn er Fragen hat. Mit denen bespricht er, wie offensiv er öffentlich gegenüber dem Wettbewerb sein kann, wie er auf Kritik reagiert und vieles mehr. Julian ist kein offizieller Unternehmenssprecher, aber nach einer Weile ist er online als Mitarbeiter der Firma bekannt, ein Gesicht, das man mit dem Unternehmen identifiziert.

Aufbauend auf dem, was ihm Otto vorlebt, setzt Julian einen weiteren Kommunikations- und Vernetzungskanal hinzu: soziale Medien und soziale Netzwerke. Dieser neue Kanal hat seine eigenen Regeln und Normen, die Reichweite ist eine andere, denn Äußerungen sind “öffentlicher” als im persönlichen Telefongespräch oder Treffen. Aber natürlich ist diese Reichweite auch eine Chance. Nun höre ich wieder die Skeptiker:

  • “Im Business-to-Business (B2B) spielt das keine Rolle.”

  • “Für meine Themen gibt es keine Communities. Die sind viel zu speziell.”

  • “Über soziale Medien erreiche ich nur das Fußvolk und nicht die Entscheider.”

  • “Ich kann doch nicht überall aktiv sein, Twitter, Facebook, XING, LinkedIn, Google … Was denn noch? Da hab ich keine Zeit für. Ich muss verkaufen.”

In all diesen Einwänden steckt auch ein Fünkchen Wahrheit, aber:

  • das Fußvolk sind “Influencer”, die Geschäfte beeinflussen und zu denen sollte man auch eine Beziehung haben,

  • man muss nicht überall hyperaktiv sein, sondern man kann sich die Community oder das Netzwerk aussuchen, wo man sich wohl fühlt,

  • Studien weisen unterdessen nach, dass ein großer Teil von Kaufentscheidungen im B2B durch soziale Netzwerke und Onlinediskussionen beeinflusst werden,

  • man kann (zusammen mit Marketing) auch Themen pushen und Communities aufbauen, um zu einem Komplex als “Thought Leader” aufzutreten und Interessenten so abzuholen.

Wie gerade erwähnt sind schon heute Einkäufer, Entscheider und Influencer massiv in sozialen Netzwerken aktiv. Und dies wird immer weiter zunehmen, denn die jüngere Generation scheint noch netzwerkaffiner und noch stärker “social” zu sein. Wir bewegen uns massiv ins “Social Business”, in denen die erfolgreich sind, die sich auch über soziale Kanäle extern und intern vernetzen. Julian ist einfach der Otto der nächsten Generation, der Vertriebsprofi, der weiß, wie wichtig ein persönliches Beziehungsgeflecht ist. Und fortschrittliche Unternehmen werden Julian auf seinem Weg begleiten, unterstützen und coachen, ihm Datenflatrate und Smartphone zur Verfügung stellen.

Die Ottos und Julians gibt es nicht nur im Vertrieb. Im Marketing gibt es sie ebenso: Die Marketingkollegen, die die Klaviatur des konventionellen Methoden des Marketings beherrschen, und diejenigen, die Social Media on top setzen. Die Referenten des IBM Social Business JamCamps, das wir im Oktober durchführten, habe ich zu großen Teilen über meine sozialen Netze gewonnen. Über “Social Media Monitoring” bin ich auf eloquente Experten aufmerksam geworden, habe mit ihnen Kontakt aufgenommen, mich mit ihnen vernetzt und sie vom JamCamp überzeugen können. Darunter sind technische Experten und Digital Residents ebenso wie CIO’s und CMO’s.

Kommunikationsabteilungen haben meist schon realisiert, dass nicht nur Journalisten heute Einfluss nehmen. Sie gehen auf Blogger und Online Influencer zu und behandeln sie ebenso wie die Journalisten. Produktentwicklung: Unternehmen verstehen immer mehr, wie sinnvoll es sein kann, in sozialen Netzwerken zuzuhören oder gar dort Input einzuholen, um die eigenen Produkte kundengerecht weiterzuentwickeln. HR-Abteilungen realisieren, dass sie High Potentials gut über soziale Medien identifizieren können. Die Einsatzgebiete für Unternehmen sind vielfältig und vielleicht noch nicht durchdekliniert, aber spätestens jetzt ist der Zeitpunkt, sich auf den Weg zum “Social Business” zu begeben.