IRQ 12-2 – Suche nach dem Osterwurm
Welches Update wär’ denn wirklich wichtig? Das iPhone 5, Windows 8 oder doch Android 5? – Alles falsch. Den Stuxnet 2.0 braucht’s.
Nach allem, was man weiß, ist um diese Jahreszeit herum vor rund 1980 Jahren im Nahen Osten in etwa Folgendes passiert: Ein sanfter, junger Rebell wurde auf Veranlassung seiner politischen Konkurrenten durch die Besatzungsmacht auf die damals übliche grausige Art und Weise zu Tode gebracht.
Seine Anhänger leugneten die Endgültigkeit dieses Ereignisses und starteten daraufhin unter dem Slogan “Tod, wo ist dein Stachel?” (1. Korintherbrief, Kap. 15, Vers 55) eine äußerst nachhaltige Marketing-Kampagne, aus der schließlich der heutige Marktführer für Spiritualität hervorging.
Skeptiker allerdings bezweifeln inzwischen zunehmend dessen Kompetenz in Sachen Leben und Tod. Sie vertreten vielmehr die Auffassung: Nur dem Ungläubigen ist das Leben wirklich heilig. Denn bloß der weiß, dass nirgendwo ein Back-up davon herumliegt.
Deshalb mag diese Gruppe auch zu keinem anderen religiösen Service-Providern wechseln. Und so war es durchaus in ihrem Sinne, dass vor zwei Jahren in dem Land, das bis ins 20. Jahrhundert hinein Persien genannt wurde, Stuxnet aufgetaucht ist.
Der kann Motoren auf deutlich über 1000 Umdrehungen pro Sekunde beschleunigen und sie dann abrupt abbremsen. – Man zuckt unwillkürlich zusammen, wenn man sich die Auswirkungen von Derartigem bei seinem Auto vorstellt. Aber um Gaszentrifugen, mit deren Hilfe wohl spaltbares Uran 235 für die Kernwaffenproduktion gewonnen werden sollte, war’s nun wirklich nicht schade.
Wahrscheinlich mit einem schlichten USB-Stick wurde 2010 Leuten im Iran, die die Sache mit Leben und Tod recht locker sehen, die Kompetenz entzogen, darüber zu entscheiden. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Insofern war Stuxnet ein sorgfältig und mit sehr viel Umsicht geschriebenes Programm.
Heuer zu Ostern nun hat wieder einer etwas zum Thema Nuklearwaffen geschrieben, einer der begnadetsten Schreiber, der Literaturnobelpreisträger Günter Grass. Einen Text hat er verfasst, der gesetzt ist wie ein Gedicht, also wie Lyrik ausschauen soll.
Sprachliche Vorträge wurden im antiken Griechenland oft vom Lyra-Spiel begleitet, damit’s schöner klang. Daher kommt das Wort “Lyrik”.
Die ist in dem Fall aber völlig daneben. Für die Erörterung von militärischen Präventivschlägen genügt die Ästhetik eines Datenblatts vollauf. Alles andere kann nur der Beschönigung dienen.
Günter Grass wollte wohl seine Kritik an der Politik des Staates Israel in die Sphäre des Schöngeistigen heben, damit sie gefälliger rüberkommt. Sowas ist nicht in Ordnung.
Aber kritisieren darf er. Niemand kann ihm das verbieten. Keine Politik ist sakrosankt.
Nur Theokratien beanspruchen das für sich. Und darum, dass eine solche sich anschickt, die zweite Nuklearmacht im Nahen Osten zu werden, geht es doch gerade.
Von daher ist es perfide, einem skrupulösen Kritiker israelischer Politik Antisemitismus vorzuwerfen, bloß weil so was vermeintlich immer geht. – Es geht nicht!
“Judenfeindliche Klischees ohne Ende” war ein genauso unsinniger wie exemplarischer Kommentar im Handelsblatt überschrieben. Einer von Hunderten.
Und Reinhold Robbe, ein ehemaliger sozialdemokratischer Hinterbänkler im Bundestag, möchte nicht mehr, dass der große Literat seine Partei im Wahlkampf unterstützt. “Seine Zeit ist einfach vorbei”, sagt da einer, dessen Zeit noch nie war und wohl zum Glück auch nicht mehr kommen wird.
Günter Grass hat nichts anderes gemacht, als in guter Absicht ein verquastes Gedicht über Nuklearwaffen zu schreiben. Das musste schief gehen. Denn das Beste, was zu diesem Thema jemals geschrieben wurde, war eh keine Lyrik, sondern das waren Lines of Code.
So, das war das, “was gesagt werden muss”. Dixi et salvavi animam meam. (Ich sage dies zur Rettung meiner Seele, Hesekiel, Kap. 3, Vers 19.) Gerade Leuten, die von deren Unsterblichkeit nicht so sehr überzeugt sind, liegt doch sehr daran, dass sie zu Lebzeiten keinen Schaden nimmt.