Die Geheimniskrämerei hat – teilweise – ein Ende
Als Resultat von Microsofts neuer, rigider Informationspolitik sickerten News zu Windows 8 in den vergangenen Wochen nur noch tröpfchenweise nach draußen. Auf der weltweiten Partnerkonferenz (WPC) in Toronto hat der Konzern nun zumindest etwas mehr bekanntgegeben und gleichzeitig auch eine spannende Akquisition verkündet.
Hoffentlich ist das kleine Organisationschaos zur Beginn der Veranstaltung kein Omen für den Erfolg von Windows 8: Das Registrierungssystem für die WPC hatte Schluckauf und ließ die Schlangen vor dem Air Canada Center immer länger werden. Und nachdem Steve Ballmers Mikrofon während seiner Keynote den Dienst versagte, konnte erst das vierte Handmikro für Abhilfe sorgen. Indes: Die Nachrichten, die Ballmers Kollegin Tami Reller zum Besten gab, verbesserte die Laune der 16.000 Besucher – neuer Teilnehmerrekord – schlagartig. Windows 8 in der RTM-Version werden die Hardware-Hersteller in der ersten Augustwoche bekommen, die grundsätzliche Verfügbarkeit des neuen Betriebssystems kündigte Reller in ihrer Funktion als Corporate Vice President und CFO für die Windows-Produkte für Oktober an.
Das neue Windows wird Microsoft in 109 Sprachen in 231 Länder ausliefern. Auf der WPC zeigte Reller darüber hinaus neue für Windows 8 optimierte Hardware. Neben dem bereits bekannten Lenovo Yoga, das um 360 Grad drehbar und sowohl als Ultrabook als auch als Tablet nutzbar ist, frische Geräte von Acer, Samsung und Fujitsu. Zudem Tablets von Asus mit ARM und auch Intel-Prozessoren und schließlich einen Tablet-Prototypen von Qualcomm. Dabei demonstrierte Reller aber ebenfalls, wie sich auch herkömmliche Geräte ohne Touchscreen mit dem neuen Betriebssystem nutzen lassen können, und zwar über das integrierte Touchpad.
Den ersten ehrlichen Anerkennungs-Applaus des Publikums erntete allerdings ein Gerät, das Ballmer mit einem (leicht modifizierten) Satz ankündigte, den man bei Produktpräsentationen eher vom verstorbenen Steve Jobs kannte: “There is one last thing!” Dabei handelt es sich um ein 82-Zoll-Display des US-Unternehmens Perceptive Pixel, dessen Akquisition Ballmer praktischerweise gleich mit bekannt gab. Dieses Multi-Touch-Gerät basiert auf einem herkömmlichen Windows-8-PC und ist mit einer sehr robusten Oberfläche versehen. Damit lässt sich in Präsentationen hineinzoomen, und der Anwender kann mittels Eingabestift sämtliche Dokumente mit handschriftlichen Notizen versehen. Auch die Video-Funktionalitäten, die Perceptive Pixel-CEO Jeff Han auf der WPC-Bühne vorführte, konnten überzeugen.
Bekannt geworden sind die Displays des Unternehmens durch den US-Wahlkampf 2008, in dem CNN und andere Sender die interaktiven Fähigkeiten der Bildschirme ausschöpften und die durch die Windows-8-Benutzeroberfläche voraussichtlich nun eine wesentliche Qualitätssteigerung erfahren werden. Somit bewegt sich Microsoft mit Perceptive Pixel nach der Surface-Ankündigung zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit weiter in Richtung Hardware – beachtlich.
Echten Beifall auf der WPC, die auch insgesamt unter dem Eindruck der strikten Informationspolitik Ballmers steht, löste dann nur noch die Ankündigung von “Microsoft Office 365 Open” aus. Dabei handelt es sich um ein Paketangebot der Cloud-Office-Suite, bei dem Microsoft-Partner direkt mit den Endkunden die jeweiligen Subskriptionen abrechnen können und nicht mehr über Microsoft gehen müssen.
Zum Ende seiner Keynote unternahm Steve Ballmer den Versuch, die Partner auf seine Seite zu ziehen. Mit dem anstehenden Produktportfolio aus Office 15, der Windows 8-Familie und schließlich Windows Phone 8 – Gerüchten zufolge wird es hierzu auf der WPC eine weitere Ankündigung geben – könnten die Partner nun “deutlich erfolgreicher gegen diejenigen Typen antreten, die uns jeden Tag so viel Ärger machen”, spielte Ballmer offensichtlich auf seinen neben Google ärgsten Wettbewerber Apple an.
Im deutschen Markt soll dieser Wettbewerb vor allem durch qualifizierte Partner gewonnen werden. In einer für Microsoft realisierten Befragung von 300 deutschen Partnerunternehmen konstatierten die Marktforscher von techconsult allerdings noch massiven Nachholbedarf in dieser Richtung, denn auch die Partner leiden offensichtlich an der Ballmerschen Informationspolitik: “Zwar existiert eine riesige Erwartungshaltung hinsichtlich der neuen Produkte. Die Partner wissen aber selbst noch nichts über die Features von Windows 8”, sagt Peter Burkhardt, Geschäftsführer von techconsult. Dennoch, so Burkhardt, rechnen die Partner mit einer starken Marktnachfrage zu den neuen Technologien, wenngleich vor allem die Cloudprodukte aus Partnersicht ebenfalls sehr erklärungsbedürftig seien. Burkhardt: “Beratung, Integration und Customizing werden vor allem bei cloud-basierten Projekten eine Rolle spielen. Ein Trend, der mit Blick auf Microsofts Produktoffensive im Herbst weiter an Schwung gewinnen dürfte. Schließlich weisen alle wichtigen Neuvorstellungen deutliche Referenzen zum Cloud Computing auf.”
Last but not least startet Microsoft Deutschland eine Fachkräfteinitiative für IT (FIT) und investiert gemeinsam mit Partnern mehrere Millionen Euro. Schwerpunkt ist die Ausbildung an Universitäten frühzeitig mit modernen Technologien von Microsoft zu verbinden. Darüber hinaus wird die Softwarecompany mit seinen Partnern ein Traineeprogramm auflegen. Dabei wird der Hochschulabsolvent zwar beim Partner angestellt sein, aber wesentliche Ausbildungsinhalte wird Microsoft beisteuern. Bereits im vergangenen Jahr investierte Microsoft Deutschland mehr als 150 Millionen Euro in die Partner, ein Großteil davon ging in Schulungen, Seminare und Workshops. Martin Berchtenbreiter, General Manager Mittelstand Partner Microsoft Deutschland ließ jedoch durchblicken, dass die Investitionssumme zum Ende dieses Jahres durchaus höher ausfallen kann.
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