ERP-Projekte: Immer noch zu spät und zu teuer
Auch 20 Jahre nach dem Aufkommen der ersten ERP-Programme gestalten sich deren Einführungsprojekte weiterhin als extrem risikoreich. Gemäß einer weltweiten Untersuchung dauert die Einführung bei 61 Prozent der Unternehmen länger als vorher veranschlagt. Oft dauert es Jahre bis sich das Projekt – wenn überhaupt – finanziell lohnt.
Betrachtet wurden in der Untersuchung der amerikanischen Unternehmensberatung Panorama Consulting die Einführungsprobleme bei den drei größten Anbietern: SAP, Oracle und Microsofts Dynamics. Dabei stellten sich erhebliche Unterschiede bei den Einführungszeiten heraus. Im Durchschnitt dauert die ERP-Einführung bei Microsoft 13 Monate, bei SAP sind es 17 und bei Oracle 19 Monate. Doch das ist weitaus mehr als das, was die Anbieter vorher zugesagt haben. So verzögerten sich die Oracle-Projekte um durchschnittlich vier Monate und bei SAP und Microsoft waren es immerhin noch jeweils zwei Monate. Mit anderen Worten: Bei Microsoft beträgt die durchschnittlich versprochene Einführungszeit elf Monate; bei SAP und Oracle sind es dagegen 15 Monate.
Doch es gab nicht nur erhebliche Projektverzögerungen, sondern auch die von den Anwendern erhofften finanziellen Vorteile bleiben häufig aus. So gab ein Drittel an, dass sie keinen “Return on Investment” verbuchen konnten und ein weiteres Drittel meinte, dass es rund drei Jahre gedauert habe, bis sie irgend einen finanziellen Vorteil in der ERP-Einführung entdecken konnten. Dagegen werden andere Vorteile einer ERP-Einführung genannt: 60 Prozent sehen die schnelle Verfügbarkeit von Geschäfts-Informationen als größten Vorteil. Wogegen nur sieben Prozent der Befragten Einsparungen beim Personal als Vorteil einer ERP-Installation ansehen.
Sehr oft führen die Verzögerungen und Mehrkosten bei der ERP-Installation auch zu erheblichen Verstimmungen zwischen Anbieter und Kunde, die häufig genug vor Gericht landen. Oracle ist in einen solchen Prozess mit der Montclair State University in New Jersey verwickelt. Hier geht es um 20 Millionen Dollar, um die die Projektkosten angestiegen sind. Auch SAP muss sich ab und an mit seinen Kunden vor Gericht treffen – oder zumindest öffentlichen Tadel einstecken. So meldete Ingram Micro im vorigen Jahr, dass eine SAP-Installation den Gewinn um knapp 20 Millionen Dollar gedrückt hätte.
Über die Ursachen der Termin- und Kostenüberschreitungen gibt es unterschiedliche Ansichten. “Die häufigste Ursache für die Terminüberschreitungen sind Änderungen am Anforderungsprofil, welche während der Einführungsphase anfallen”, meint beispielsweise Eric Kimberling, Chef von Panorama Consulting. Der zweithäufigste Grund sind für ihn unklare Organisations-Abläufe, die erst durch die Einführung offensichtlich werden. Kaum eine Rolle spielt dagegen die Funktionalität der jeweiligen ERP-Software. Nur vier Prozent der von Panorama befragten Unternehmen geben an, dass ihre Einführungsprobleme auf Funktionsmängel bei der Software zurückzuführen waren.
Andere Experten sehen die Ursachen überwiegend in den strukturellen Abläufen einer ERP-Implementation. Für Michael Krigsman, Chef von Asuret, ist die Wurzel des Übels die unklare Verantwortung bei der Einführung, an der normalerweise drei Parteien beteiligt sind: Der Anbieter, der Anwender und eine Beratungsfirma, die die Implementation vornimmt. Er nennt diese Struktur ein “Teufelsdreieck”, denn es erlaubt ein hin-und herschieben von Verantwortungen.
“Solange wir hohe vorab definierte Festpreise für komplexe ERP-Einführungen haben, solange werden die Anwender versuchen das maximale rauszuholen, während die Anbieter auf Gewinnmaximierung fokussiert sind. Die Consultants wiederum werden versuchen, beides zu beschränken, damit möglichst viel vom ERP-Budget bei ihnen landet”, lautet seine düstere Markteinschätzung. Doch er sieht auch einen Silberstreifen am Horizont: Cloud-Computing. “ERP aus der Wolke befreit die Anwender von den dicken Vorabverträgen, sie starten langsam und zahlen nur nach Bedarf. Damit wird jeder Anbieter versuchen, dass die Anwender mehr – und nicht weniger – Leistungen nutzen. Andererseits kann der Anwender sofort wieder abschalten, was ihm keine Vorteile beschert”, lautet seine hoffnungsvolle Aussicht für alle geplagte ERP-Anwender.