SAP-ERP auf HANA In-Memory – Ein Game-Changer?

Analysten reagieren positiv darauf, dass SAP die ERP-Lösung Business Suite jetzt auf den Rücken von der In-Memory-Technologie HANA gestellt. Dennoch sehen Branchenexperten noch einige offene Fragen und Baustellen und sehen neben dem großen Potential auch ein großes Risiko für SAP.

“Wir ersetzen Planung durch kontinuierliche Kontrolle”, erklärte Co-CEO-Hagemann Snabe zur Ankündiung der SAP Business Suite auf HANA. Um die Bedeutung dieses Schritts zu illustrieren bemüht nicht nur das SAP-Marketing den Vergleich von der Umstellung von R2 auf R3, mit dem SAP zum weltweit erfolgreichsten Anbieter von ERP-Software wurde. SAP scheint diesen Schritt noch einmal tun zu wollen und will damit natürlich auch weiterhin erfolgreich am Markt agieren.

“SAP Business Suite auf HANA hat das Potential ein Game-Changer zu werden, weil es SAP für den Kunden noch relevanter macht”, kommentiert Tony Baer, Analyst bei Ovum SAPs neuen Schritt. “Aber kurzfristig sollte die SAP Business Suite auf HANA als ein Anpassungs-Upgrade für bestehende Kunden oder eine Greenfield-Möglichkeit für neue gesehen sehen”, so Baer.

Denn bekanntlich ist der ERP-Markt eher behäbig. “Wenn überhaupt, dann geniest der Austausch des ERP-Systems nur bei sehr wenigen Unternehmen die höchste Priorität”, erklärt Baer. Es sei für SAP die größte Herausforderung, die fest verwurzelte Anwenderbasis der Business Suite davon zu überzeugen, dass die “transformativen” Vorteile der Suite auf HANA technisch gesehen non-disruptive sind. “Unternehmen tauschen nicht mal eben über Nacht ihre Investitionen in Datenbank und ERP aus”, schränkt der Ovum-Analyst Baer ein.

Jim Hagemann Snabe  stellt die "Revolution" der Business Suite auf der In-Memroy-Technologie HANA in Frankfurt vor. Quelle: SAP
Jim Hagemann Snabe stellt die “Revolution” der Business Suite auf der In-Memroy-Technologie HANA in Frankfurt vor. Quelle: SAP

Ähnlich sieht das auch Andreas Zilch, von der Experton Group: “Nachdem ja viele Anwender die Lösung sehr stark anpassen, stellt sich bei Verfügbarkeit der Lösung die Frage, ob das für alle Kunden so funktioniert.” Dazu erklärt Wieland Schreiner, Product Owner Business Suite auf HANA bei SAP, dass das aktuelle Enhancement-Package in den meisten Fällen das Customizing unterstützt. Bei eigenen Modifikationen des Codes hingegen werde es auch manuellen Anpassungsbedarf geben.

Zudem müsse laut Zilch SAP zusammen mit den Anwender herausfinden, ob und wo der Mehrwert durch HANA für ein Unternehmen liegt. Denn “Geschwindigkeit alleine wird den Umstieg nicht antreiben”.

Als positiv wertet Zilch jedoch die Tatsache, dass SAP die neue Technologie als “technische Migration”vorantreibt. So könne der Anwender mit “relativ geringem” Aufwand die neue “Version” einführen. Auch wenn für SAP nach wie vor die Applikations-Ebene die wichtigste Schicht ist, so sieht Zilch den Wandel hin zu einer mehr Datenbank-orientierten Architektur.

Auch Ovum-Analyst Warren Wilson sieht in den von SAP versprochenen und durchaus beeindruckenden Performance-Zugewinnen nicht den größten Vorteil: “Die Geschwindigkeit ist eigentlich der am wenigsten wichtige Vorteil von HANA. Die In-Memory-Architektur erlaubt es, dass Datenansichten ‘On-the-Fly generiert werden können. Das reduziert nicht nur den Datenbank-Footprint und die Anforderungen an das Storage, sondern vereinfacht möglicherweise auch das Modeling und das Deployment von Daten, Anaysen oder andere komplementäre Applikationen, die auf der Business Suite laufen.”

Mit HANAs In-Memory-Architektur können Analytics auch in das Transaktion Processing eingebettet werden, was dazu führt, das Unternehmen noch agiler werden.


Ovum sieht darüber hinaus noch weitere Herausforderungen für den Hersteller. “SAPs Herausforderung liegt jetzt in der Marke und in der Kommunikation”, so Ovum-Analyst Baer. “HANA hat sich in den letzten beiden Jahren von einer Datenbank zu einer analytischen Plattform zu schlicht einer “Plattform” gewandelt. Für SAP hängt viel davon ab, dass es den Markt nicht verwirrt.

Auch Stefan Ried, Analyst bei Forrester, erkennt, dass viel für SAP auf den Spiel steht. Zum einen sieht auch er einen großen technologischen Schritt für SAP. Auf der anderen Seite aber, sei aber auch das Risiko sehr hoch. “Wenn mit diesem Projekt etwas schief geht, dann ist die Reputation von SAP stark beschädigt”, erklärt Ried gegenüber silicon.de. “SAP spielt mit seiner Glaubwürdigkeit.” So habe SAP bereits mit MaxDB und Sybase eher mäßig erfolgreiche Datenbanken auf dem Markt.

HANA für Analytics gibt es bereits seit rund einem Jahr. Allerdings liege, wie Ried betont, der Fokus hier auf dem Lesen. Mit der transaktionalen Ausrichtung aber komme HANA in einem ganz anderen Bereich zum Einsatz. “Wenn einem Anwender eine Transaktion fehlt, hat man ein Problem”, so Ried. SAP, erklärt Ried, habe mit einem Vorstoß in das Retail schon einmal Probleme mit dem Transaktionsvolumen bekommen, was schließlich zu Klagen von US-Retailer geführt habe.

Doch laut Ried gehe es SAP auch nicht darum, in den Markt für relationale Datenbanken einzusteigen. Anders als Oracle versucht SAP die Business Suite als Ganzes zu vermarkten. Und so vergleicht Ried HANA mit Netweaver, das ebenfalls außerhalb der Welt der SAP-Applikationen kaum eine Rolle spielt.

“Alleine die Lizenzen der Nutzer von Oracle-Datenbanken unter SAP-Anwendungen macht pro Jahr rund 1 Milliarde Dollar aus”, erklärt Ried. “Und diese Milliarde hätte SAP gerne für sich.” Und das sei der eigentliche Grund, warum SAP diesen Datenbank jetzt so stark in den Vordergrund stelle.

Ried, der wie andere Analysten bereits im Dezember die neue Technologie vorgestellt bekommen hatte, bestätigt, dass die Migration der Business Suite “schmerzfrei” abläuft. Allerdings, so schränkt er ein, gebe es hier noch einige Baustellen. Etwa bei der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen: “Wenn man neben HANA zum Beispiel noch Hadoop nutzen will, braucht man dafür einen eigenen In-Memory-Server.” Auch beim Systems Management sieht Ried noch Nachholbedarf, genauso wie bei der Performance vom Schreiben von Transaktionen. So sei es zum Beispiel nicht möglich, an HANA ein SAN (Storage Area Network) anzuschließen. Auch hier sei dann wieder zusätzliche Infrastruktur notwendig.

Sein Rat an die Anwender lautet daher: “Probieren Sie es aus, aber nicht in einem Bereich mit kritischen Daten, sondern in einem kleineren System und geben Sie der Sache noch etwa ein Jahr Zeit.” Bis dahin, so schätzt Ried, werde SAP diese kleineren Unzulänglichkeiten ausbügeln.

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