SAPs langer Weg zu verständlichen Lizenzen
Zu viel und zu wenig Komplexität werfen SAP-Anwender und auch Anwendergruppen dem Lizenzmodell der SAP vor; SAP hat bereits gelobt, hier nachzubessern. Aber wie ein internes Dokument jetzt zeigt, scheint das auch bei gutem Willen seitens des Walldorfer Konzerns schwieriger als gedacht.
Allen voran versucht die Deutsche SAP-Anwender-Gruppe DSAG seit einigen Jahren auf eine Verbesserung der Lizenzstrukturen bei der SAP hinzuwirken. “Das SAP-Lizenzmodell ist ungeheuer komplex. Es gibt über 1000 Positionen, nach verschiedenen Metriken aber nicht immer passen diese auch an die Bedürfnisse der Unternehmen”, erläutert Andreas Oczko, Mitglied im Vorstand der DSAG und Experte für Service & Support.
So gibt es etwa alleine für die SAP Business Suite 15 verschiedene Nutzer: Business Expert, Professional, Limited Professional, Business Information, Business Expert Upgrade, B2B Sales, Developer, Employee, Employee Self-Service, Employee Self-Service Core, Professional Upgrade, Limited Professional Upgrade, Business Information Upgrade und den Employee Upgrade. Und auch in anderen SAP-Lösungen wird es nicht unbedingt einfacher. So gibt es eine Vielzahl von Berechtigungen und Ausnahmen, die den Anwender zunächst vor wirklich komplexe Aufgaben stellen.
Auch anderen Anwender-Gruppen geht das häufig zu weit. Im zurückliegenden Herbst hat die UK and Ireland SAP User Group (SUG) die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht: 95 Prozent der Anwender sehen die Lizenzmodelle als “overly complicated” an. Und 88 Prozent sind der Ansicht, dass SAP die Preisliste veröffentlichen sollte. Wie auch die deutschen Kollegen kritisieren die britischen und irischen Anwender, dass bei verschiedenen Angebotspaketen ebenfalls zu komplexe Regeln gelten.
Nachdem sich auch einige Module selbst installieren, bezahlen manche Unternehmen für Funktionen, die sie überhaupt nicht nutzen.
Auf der anderen Seite bietet das SAP-Modell auch zu wenig Komplexität, wie Oczko bemängelt: “Entweder ich habe meine gesamte SAP-Landschaft unter Wartung oder ich kündige den Vertrag. Wenn ich nur die Hälfte meiner Lizenzen benötige, muss ich anders als bei anderen Wirtschaftsgütern wie etwa Mitarbeiter oder Bürofläche dennoch für alle Lizenzen Wartung bezahlen.” Auch das ein Problem, das auch die SUG bemängelt. Oczko jedoch erklärt, dass Vertreter der DSAG bereits mit SAP in verschiedenen Gremien an dem Problem arbeitet.
Jetzt zitiert der US-Branchendienst Internetworld aus einem vertraulichen internen 130 Seiten starkem SAP-Papier, aus dem hervorgeht, dass man nun auch bei SAP zu der Überzeugung gelangt, dass viele Kunden vor großen Lizenzproblemen stehen. Durch die Cloud-Nutzung einiger Komponentenbekommt das Thema eine weitere Ebene.
Niemand verlangt von SAP, alles mit einer Lizenz abzudecken. Dennoch scheint man bei SAP mit einigen Vertrags-Blaupausen für Anwender das Problem zumindest in einem ersten Schritt anzugehen. Auch die neuen Produkte der Familie 360 Customer scheinen in einigen Punkten aus sicht der SAP die Lage zu verbessern. Das Dokument aber zeige auch, so die InfoWorld-Kollegen, dass vor SAP noch ein weiter Weg liegt.
Denn ein vereinfachtes Lizenzmodell ist nicht nur im Sinne der Anwender, sondern auch des Anbieters, der trotz alledem das Interesse an der Wertschöpfung durch die eigenen Produkte nicht aus den Augen verlieren darf. Denn so mancher Anwender mag sich angesichts eines undurchsichtigen Lizenz-Dschungels für die Produkte anderer Hersteller entscheiden. Daran ändern auch in manchen Fällen die bereits erwähnten Packages nichts. Denn will ein Kunde spezifische Anpassungen an sein Package, dann steht er wieder vor dem gleichen Problem und muss sich gegebenenfalls noch tiefer einarbeiten.
Und für die Anwender steigt dadurch auch die Fehlerquelle. Sie können – möglicherweise ohne es zu wollen – unterlizenziert sein. Durch die hohe Komplexität, bei der wie gemunkelt wird, selbst SAP-Vertriebler und Partner den Überblick verlieren, wird zudem auch dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
Und wie Dr. Thomas Jansen, Anwalt bei DLA Piper in einem Beitrag für silicon.de erklärt http://www.silicon.de/41580129/der-cio-als-know-how-wachter/ birgt auch die Überlizenzierung für Verantwortliche ein erhebliches rechtliches Risiko. Denn diese kann dazu führen, dass ein CIO wegen Untreue von Unternehmensmitteln belangt wird.
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