Philipp Rösler will laut einem Bericht den alten ‘Neuen Markt’ wieder aufleben lassen. Sein Ziel ist es, Gründerstimmung und Börsengägne in der deutschen Startup-Szene zu verbessern. Passend dazu veröffentlicht silicon.de-Blogger Heinz Paul Bonn einen Beitrag über die geplatzte Dotcom-Blase und was davon heute noch übrig ist.
Es klingt paradox – funktioniert aber schon seit mehreren Tausend Jahren: Menschen investieren Kreativität, Kraft und Cash, um künftig weniger von allem investieren zu müssen. Praktisch bedeutet das in der Regel, dass andere dafür mehr leisten müssen – das nennt man Wachstum. Und die damit verbundene Skalierbarkeit sorgt dann – vielleicht – tatsächlich dafür, dass am Ende beide Seiten weniger investieren müssen. (In Wirklichkeit ist es dann aber meist unser Planet, der draufzahlt – aber das ist eine andere Geschichte…)
Als die New Economy die Old Economy ablösen sollte, bestand die Hoffnung darin, dass Menschen mit dem gleichen Investment an Kreativität, Kraft und Cash nicht nur ihren Markt vor der eigenen Haustür erreichen könnten, sondern einen globalen Massenmarkt adressieren würden, wenn sie hinter ihr altes Geschäftsmodell die Endung Dot-Com setzen und die Geschäftsprozesse ins Internet verlagern. Erst sollte also die Skalierung kommen, dann die Kostensenkung.
Was tatsächlich passierte, war die Vernichtung von einigen Milliarden Dollar weltweit. Und die Erkenntnis, dass die New Economy nicht aus der Bewältigung der Geschäftsmodelle von gestern mit den Kommunikationsmöglichkeiten von morgen entsteht, sondern aus der kreativen Zerstörung des Bestehenden durch Prozessinnovationen. Das ist der Grund, warum eBay, Google, Amazon und Facebook das Platzen der Dot-Com-Blase überlebten (beziehungsweise überhaupt erst abwarteten).
Zu den Geburtsfehlern des Cloud Computings gehört die Wiederholung dieses Phänomens. Die ersten Angebote, die seit 2009 auf den WWW-Markt drängten, waren die Auffrischung alter Geschäftsmodelle mit neuen, wolkigen Services. Und wieder trat die Skalierung vor der Kostensenkung ein. Es waren die sündhaft teuren Service-Rechenzentren, die ein kostengünstiges Cloud-Sourcing weder für Anbieter noch für Anwender realistisch machten.
SAP zum Beispiel soll – so hört man – Milliarden Euro in die schlichte Wiederholung eines alten Geschäftsmodells in der Cloud versenkt haben: Baue einen möglichst komplexen Anwendungsmonolithen, biete seine Nutzung über das Web an, organisiere eine möglichst große Gruppe an Implementierungspartner und locke mit einem vordergründig attraktiven Preis. Business by Design war eine Dot-Com-Blase in der SAP-eigenen privaten Cloud.
Oder IBM. Während sich die ganze Company zur Servicegesellschaft mit hohen Gewinnmargen wandelte, erfand die alte Mainframe-Fraktion einen Cloud-Service nach dem anderen – immer mit dem Ziel, die riesigen, schon fertiggestellten Server-Farmen auszulasten. Das Ergebnis waren fette Outsourcing-Verträge mit Unternehmen, die dafür nun nicht mehr fette Mainframe-Käufe tätigten. Ein neuer Markt entstand für IBM erstmal nicht.
Aber IBM hat einen langen Atem. Heute sind es Tausende an Clients und Millionen User, die in IBM-Rechenzentrum ihre Cloud-Anwendungen betreiben. Neben den fetten Brocken wie dem US-amerikanischen Bundesinnenministerium (zuständig für die nationalen Ländereien), das jetzt einen Platin-Kontrakt über eine Milliarde Dollar abschloss, sammeln die Salesmen weltweit kleine namenlose Cloud-Verträge mit Mittelständlern ein – übrigens in Europa und Amerika ebenso wie in Asien. Und trotzdem gerät die Aktie unter Druck.
Auch SAP hat einen langen Atem im Geschäft mit der Cloud. Und auch die SAP-Aktie ist unter Druck. Will Deutschlands größtes Softwarehaus seine Umsatzprognose halten, müssen Cloud Computing und die In-Memory-Datenbank Hana ein sensationelles zweites Halbjahr hinlegen. Allerdings performt SAP derzeit eher in Amerika und Europa, weniger jedoch in Asien.
Geschichte wiederholt sich. Während Dickschiffe wie SAP und IBM in der Post-New-Economy des Cloud Computings erst unverändert Kurs halten wollten, ehe sie begriffen, dass sie sich zu neuen Manövern durchringen müssen, sind die Risikokapitalisten gerade dabei Millionen in Start-up-Companies des Cloud Computings zu werfen. Nach einer Befragung der Analysten von Deloitte unter 400 Venture Capitalsts ist die Cloud derzeit das sicherste und zugleich vielversprechendste Investment. Jetzt muss skaliert werden – auf einen Markt in der Größenordnung von 240 Milliarden Dollar im Jahr 2020.
Gleichzeitig befürchtet die amerikanische Information Technology & Innovation Foundation (ITIF) dass die aktuelle Spionage- und Abhöraffäre den Cloud Markt in den nächsten drei Jahren um bis zu 35 Milliarden Dollar schädigen könnte. US-amerikanische Cloud-Anbieter könnten demnach bis zu 20 Prozent ihres Maktanteils verlieren. Kommt doch die Cloud-Blase in der Post-New-Economy? Geschichte wiederholt sich – aber meist eher als Parodie.
Naja, die “Wachstumskritik” des Autors in allen Ehren, aber Wachstum bedeutet eben nicht die Verlagerung von Ressourcenkonsumption weg von Arbeitskräften oder dem Mensch hin zu begrenzten Naturressourcen, sondern die effizientere Nutzung von Ressourcen durch Technologie und Technologiefortschritt. Wo würde die Erde samt Menschheit heute stehen, wenn sie auf ebendieses Wachstum verzichtet hätte? Vor einem (wie auch immer) “gesunden” Planeten? Selbst wenn die Menschheit mangels medizinischem Fortschritt nur ein Drittel so groß wäre wie sie heute ist, wären alle endlichen Ressourcen wohl schon längst aufgebraucht – OHNE das Wissen, was für Technologien nötig wäre, die eine entsprechende evolutionäre Anpassung der Menschheit erlebten. Wachstum ist Anpassung an stets neue Umweltbedingungen wie die Menge der dabei gesammelten Erfahrung – und eben NICHT dumpfer Ressourcenkonsum, wie gern dargestellt.
Das Aufblähen und damit absehbare Platzen der “Dot-Com” Blase hatte andere Gründe: Die gerade in der Masse verbreitete Gier vieler Menschen vernebelte ihnen den Verstand. Immer mehr Menschen, die immer weniger vom Internet und seinen Technologien verstanden, von Märkten und oekonomischen Grundprinzipien, wollten “den Anschluß” an die blinde Horde Lemminge nicht verlieren, die für jeden echten Experten erkennbar auf einen Abgrund zurannten.
Das Phänomen ist ja nicht neu: Bereits die Amsterdamer legten auf ähnlichste Weise den ersten “Börsencrash” hin, nachdem ein halbes Land auf dem Papier mit Tulpenzwiebeln reicht geworden war. Bezahlen taten am Ende vor allem die, die ihr Wisssen, ihre Skills und ihre Expertise schlichtweg überschätzten.
An dessen Ende stand jeweils ein “gesundgeschrumpfter”, dafür umso robusterer Markt wie die Erkenntnis (zumindest einiger), das blinde Gier und Selbstzumessung von Kompetenz eben nicht zu ökonomisch nachhaltigen Ergebnissen führt.
Statt dies erkennen zu wollen, fordert man nun die “Entschleunigung” angeblich “zu schnell gewordener” Märkte oder gar Verbote für die Teilnahme am Handel oder die “Abkehr von der Wachstumsgläubigkeit” (wie es inzwischen ja selbst Kirchenoberhäupter predigen) – ein ebenso absehbar in den Rückschritt führender Weg, der vor allem eines nicht erfüllen kann: Einen effizienteren, nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen – nein, man rennt stattdessen gezielt in die entgegengesetzte Richtung, weil “früher ja alles besser” war.