Digitalisierung rückt den Kunden in den Mittelpunkt

Mit einer umfangreichen internationalen Studie untersucht IBM das neue Verhältnis der Unternehmen zu den Kunden. Eindeutiger Trend ist, dass die individuellen Wünsche der Verbraucher immer mehr Einfluss auf die Strategien und Produkte der Hersteller und Anbieter nehmen.

Wichtigste treibende Kraft hinter diesem Trend hin zum Kunden ist laut den Autoren der IBM-Studie die fortschreitende Digitalisierung. So wollen laut der Untersuchung inzwischen 60 Prozent der CxO, also CEOs, CFOs, CIOs oder CMOs künftig direkt in die Gestaltung der Geschätsstrategien mit einbeziehen. In einer Studie aus dem Vorjahr gaben lediglich 43 Prozent der CoO an, den Verbraucher in den Mittelpunkt stellen zu wollen.

Für die Studie “Der Kunde entscheidet mit” hat IBM 4.100 Top-Manager der obersten Führungsebene (CxOs) in 70 Ländern und 20 Industrien befragt. Die aktuelle Studie ist die erste IBM Studie, die sich mit der gesamten Führungsebene befasst, und die 17. in der Reihe der C-Suite-Studien, die vom IBM Institute for Business Value (IBV) seit 2003 durchgeführt wurden.

“Unsere Umfragen unter den Top-Führungskräften in den letzten zehn Jahren zeigen, dass die Unternehmen immer stärker auf eine intensive Zusammenarbeit mit ihren Kunden setzen”, sagt Gregor Pillen, Geschäftsführer IBM Deutschland. “Dies ist getrieben durch die voranschreitende Digitalisierung der Geschäftsprozesse an der Schnittstelle zum Kunden. Die Digitalisierung der Backoffice-Prozesse ist weitgehend abgeschlossen, jetzt geht es an die “Kundenfront” – die Front-Office-Prozesse.”

Denn nicht nur die Unternehmen digitalisieren sich im wachsenden Maße. Auch die Schnittstellen der Unternehmen und natürlich auch die Kunden selbst erleben einen immer höheren Grad der digitalisierung, etwa durch die Vernetzung in sozialen Medien. Und auf diese Weise ist es den Unternehmen möglich, so stark wie nie zuvor den Verbraucher mit einzubeziehen. Vier Fünftel (83 Prozent) der Befragten beabsichtigen, ihre Schnittstellen nach außen, das so genannte Front-Office, für den digitalen Austausch mit Kunden moderner und effektiver zu gestalten.

Die Geschäftswelt verändert sich und die verschiedenen Manager haben ganz unterschiedliche Blickwinkel auf die neuen Möglichkeiten. Derzeit nutzt jedoch nur ein Bruchteil die Möglichkeiten von Big Data. Quelle: IBM
Die Geschäftswelt verändert sich und die verschiedenen Manager haben ganz unterschiedliche Blickwinkel auf die neuen Möglichkeiten. Derzeit nutzt jedoch nur ein Bruchteil die Möglichkeiten von Big Data. Quelle: IBM

 

Somit verschieben sich die Prioritäten der Unternehmen weg von den nach innen wirkenden Effizienz- und Produktivitätsverbesserungen zu einer nach außen auf den Kunden gerichteten Agenda. Dies führt in den Unternehmen auch dazu, bisherige Arbeitsweisen und Wertschöpfungsketten zu überdenken: das tun gemäß Studie 60 Prozent der Befragten. Die Hälfte der Befragten wollen Impulse und Innovation von außen für das eigene Unternehmen nutzen.

Doch das soll sich nicht nur in der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen niederschlagen. “Auch in fundamentalen Fragen wie der Entwicklung neuer Strategien hinsichtlich Preisstrukturen, Business-Ehtik oder Umweltschutz werden die Kunden stärker einbezogen”, teilt IBM mit. Schon heute geben 43 Prozent der Befragten an, dass der Kunde in den genannten Bereichen einen starken Einfluss hat. Dieser Einfluss wird den Erwartungen der CxOs zufolge in den nächsten drei bis fünf Jahren auf 60 Prozent steigen.

Natürlich gibt es dabei erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen. IBM sieht mit der Studie klar eine Korrelation zwischen hohem Umsatzwachstum, hoher Rentabilität und dem Einfluss der Kunden. In zwei Dritteln der besonders erfolgreichen Unternehmen richten die Führungskräfte Strategien und Investitionen neu aus, um Kundenbedürfnisse noch stärker zu berücksichtigen. Einige der fortschrittlichsten Unternehmen gehen sogar so wei, Kundengremien – sogenannte Customer Advisory Boards – einzurichten, in denen sich Kunden direkt zu strategischen Fragen äußern können. Nur knapp 40 Prozent der weniger erfolgreichen Unternehmen verfolgen vergleichbare Strategien.

Die Interaktion mit Kunden über digitale Kanäle wird in den nächsten Jahren nochmals zunehmen: CxOs erwarten, dass der Anteil der digitalen Interaktion mit Kunden von heute 52 Prozent auf 88 Prozent in den nächsten drei bis fünf Jahren steigen wird. Auch die CxOs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) wollen in den nächsten Jahren intensiver digital mit ihren Kunden interagieren (79 Prozent).

Doch trotz umfangreicher Digitalisierung wird auch weiterhin der persönliche Kontakt für die Manager ebenfalls wichtig bleiben. Vor allem in Europa denken die Führungskräfte so: In der Region Deutschland, Österreich, Schweiz sind es 83 Prozent. Weltweit sehen es jedoch lediglich 70 Prozent den persönlichen Kontakt als wichtig an.

Unterschiede zwischen den Regionen gibt es auch beim Thema Social-Media: Den Mangel an ineinander greifenden Social-Media-Konzepten und die Verzahnung mit der physischen Welt identifizieren die Befragten als größte Schwachstelle im digitalen Umfeld: 70 Prozent der DACH-CxOs (weltweit 63 Prozent) sehen hier für ihre Unternehmen die größten Hürden. Vor allem in kleinen und mittelständisch geprägten Unternehmen ist die Pflege von Social Media ein vergebliches Mühen, wie eine österreichische Studie gezeigt hat.

Doch gerade hier, so suggerieren die Ergebnisse der Studie, könnten die Unternehmen die größten Vorteile abschöpfen. Die fortschrittlichsten und vor allem auch die erfolgreichsten Unternehmen nutzen Erkenntnisse aus Social-Media-Kanälen, um Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen und so die Grundlage für eine möglichst individuelle Gestaltung der Kundenbeziehung zu schaffen.

Auch diese Studie selbst ist laut IBM das Ergebnis der so genannten Digitalisierung: Neben 4100 persönlich geführten Interviews, die ein Team von Geschäftsstrategen, Informatikern und Statistikern auswertete, kam zum ersten Mal auch die ‘künstliche Intelligenz’ von IBMs Watson zum Einsatz. Dadurch, so die Autoren der Studie, hätten weitere Interdependenzen in den Daten der Studie ermittelt werden können.