IT- und Telekommunikationsanbieter drängen ins Bankgeschäft
Wo wird die Finanzindustrie künftig ihren Schwerpunkt haben? Glaubt man den Marktbeobachtern von Roland Berger, dann werden es vermehrt IT-Unternehmen sein, die dank niedriger Einstiegshürden in den Finanzmarkt vordringen.
Immer mehr drängen Anbieter von IT- und Telekommunikationslösungen in den traditionellen Bankmarkt vor. Etablierte Anbieter geraten aufgrund von neuen Lösungen unter Druck. Vor allem Filial- oder Retailbanken haben deutliche Nachteile.
Das geht jetzt aus dem neuen Strategiepapier “Retail Banking – The coming revolution” von der Unternehmensberatung Roland Berger Consulting hervor. Ein Beispiel für diese Entwicklung sehen die Analysten in der Partnerschaft, die Apple für den Bezahldienst Pay mit den Kreditkartenanbietern American Express, Visa und Mastercard geschlossen hat. Apple bringt damit einen Bezahldienst auf das Smartphone.
Auch wenn Experten die Erfolgsaussichten von Apple Pay eher durchwachsen sehen, und erste Händler bereits angekündigt haben, nicht an dem System teilnehmen zu wollen, glauben die Experten von Roland Berger, dass diese Entwicklung nicht ohne Auswirkungen auf das Retail-Banking haben wird: “Durch gezielte Lösungen schaffen es IT-Anbieter, eine effiziente Finanzinfrastruktur auf die Beine zu stellen und einen lukrativen Markt für sich zu erschließen”, so Wolfgang Hach, Partner von Roland Berger Strategy Consultants. “Denn für jede mobile Zahlungsabwicklung fallen selbstverständlich Transaktionsgebühren an.”
Auch wenn Banken auf ein etabliertes Fililalnetz zurückgreifen können, sieht Roland Berger die IT-Unternehmen durchaus im Vorteil. Denn IT-Anbieter haben eine deutlich schlichtere Vertriebsstrategie als Banken.
“Ein IT-Unternehmen, das Finanzapplikationen anbietet, benötigt dafür nur ein digitales Netz, um Produkte weltweit zu betreiben”, so Roland Berger-Partner Jörg Oliveri del Castillo-Schulz. “Das sieht bei Kreditinstituten ganz anders aus: Sie müssen sowohl den Online-Vertrieb als auch das Filialnetz betreiben, um ihre Kunden an sich zu binden. Für Finanzinstitute bedeutet dies einen deutlichen Kostennachteil gegenüber reinen Online-Anbietern.”
Handlungsbedarf sehen die Experten nun vor allem auf Seiten der Banken. Diese setzen wiederum auf unterschiedliche Strategien: vom Aufbau digitaler Banken und Online-Angeboten bis hin zu gezielten Partnerschaften mit dem Einzelhandel im Bereich der Kreditkartenzahlung. “Die meisten Kreditinstitute zeigen jedoch noch großen Nachholbedarf. Sie sollten viel schneller und entschlossener auf den Vormarsch der neuen Anbieter reagieren, um wichtige Marktanteile nicht zu verlieren”, so Hach.
Denn es gehe hier nicht nur um Transaktionsgebühren, sondern auch um die Kundenbindung: Laufen die Kreditkartentransaktionen etwa über einen dritten Anbieter, so verlieren Banken Wissen über die Transaktionen der Kunden und damit auch die Fähigkeit, ihre Kundschaft mit gezielten Produktangeboten an sich zu binden.
Bei anderen Angeboten wie PayPal haben die traditionellen Banken ebenfalls zu spät reagiert. Nachdem der Bezahldienst wieder von der Online-Auktionsplattform getrennt werden soll, wird sich die Konkurrenzsituation hier möglicherweise noch weiter verschärfen.
Die Experten glauben zwar, dass es noch ein Weile dauern wird, bis diese neuen Angebote greifen, doch scheint es wenig Zweifel zu geben, dass dieser Vorstoß das “de facto-Oligopol der Banken” in Frage stellen wird.
Derzeit haben allerdings die Kreditkarten-Unternehmen noch einen Vorteil: Anders als Apple kennen Sie sämtliche Transaktionen und sind derzeit als einzige Unternehme am Markt in der Lage anhand von Kundendaten das Marketing zu optimieren.