Kartellverfahren: Google erhält mehr Zeit
Bis Ende August muss der Konzern nun eine Stellungnahme abgeben. Eine mündliche Anhörung wolle Google nicht beantragen. Möglicherweise will es damit verhindern, dass auch die Beschwerdeführer zu Wort kommen.
Google hat nun bis zum 31. August Zeit sich zu den Kartellvorwürfen der EU-Kommission zu äußern. Bereits zum zweiten Mal hat es somit eine Fristverlängerung erhalten. Eigentlich hätte der Konzern bis zum 17. August eine Stellungnahme abgeben müssen. Das berichtet Politico. Demnach werde Google auch keine mündliche Anhörung beantragen.
Das US-Magazin zitiert Kommissionssprecher Ricardo Cardoso: “Die Kommission hat Googles Bitte zugestimmt, die Antwortfrist um weitere zwei Wochen zu verlängern.” Die Fristverlängerung hänge nicht mit Googles Umstrukturierung und Gründung der Konzernmutter Alphabet zusammen. Dies sei ein normaler Vorgang. Die Kommission habe die Gründe geprüft und anschließend eingewilligt, sodass Google seine Rechte voll ausüben könne.
Mit einer mündlichen Anhörung hätte Google direkt mit den zuständigen EU-Verantwortlichen verhandelt können und noch mehr Zeit gegeben. Allerdings hätten daran auch die 20 Beschwerdeführer und die 10 interessierten Parteien teilgenommen. Dann hätten unter anderem Microsoft, Yelp und Expedia ihre Vorwürfe vorbringen können.
Bislang steht noch nicht fest, ob die Kommission in den nächsten Monaten weitere Vorwürfe gegen Google erheben wird. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte angekündigt, auch in anderen Bereichen ermitteln zu wollen. Diese laufen parallel weiter – unter anderem zum Mobilbetriebssystem Android.
Vestager wirft dem Suchmaschinenanbieter offiziell vor, seine “beherrschende Stellung auf den Märkten für allgemeine Internet-Suchdienste im Europäischen Wirtschaftsraum” zu missbrauchen. “Ziel der Kommission ist es, durch Anwendung der EU-Kartellvorschriften dafür zu sorgen, dass die in Europa tätigen Unternehmen, wo auch immer sie ihren Sitz haben, die Auswahl für die Verbraucher in Europa nicht künstlich einschränken oder Innovation bremsen.”
Die Wettbewerbshüter bemängeln vor allem fünf Punkte: Google platziere erstens den Preisvergleichsdienst auf den eigenen allgemeinen Suchergebnisseiten systematisch an besonders sichtbarer Stelle, unabhängig von der Relevanz. Dieses Verhalten begann 2008. Der Konzern wende zweitens das Sanktionssystem, das er auf der Grundlage bestimmter Parameter auf andere Preisvergleichsdienste anwendet, nicht auf die eigenen Preisvergleichsdienst an, was dazu führen kann, dass sie auf den allgemeinen Suchergebnisseiten von Google auf einem niedrigeren Rang erscheinen. Drittens war Froogle, der erste Preisvergleichsdienst von Google, nicht in den Genuss einer Vorzugsbehandlung gekommen und entwickelte sich schlecht.
Infolge der systematischen Bevorzugung durch Google verzeichneten viertens die beiden Nachfolgedienste, “Google Produktsuche” und “Google Shopping”, höhere Zuwachsraten, zum Nachteil konkurrierender Preisvergleichsdienste. Und fünftens habe das Verhalten von Google negative Auswirkungen auf Verbraucher und Innovation. Konkurrenten hätten nur einen geringen Anreiz für Innovationen, da sie wüssten, dass der eigene Dienst unabhängig von seiner Qualität weniger sichtbar sein werde als der von Google.
Die EU-Kommission könnte Google zu einer Strafe in Höhe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes verurteilen. 2014 erzielte der Internetkonzern einen Umsatz von rund 66 Milliarden Dollar. Google kann gegen eine Strafe noch gerichtlich vorgehen. Allerdings dürften die Erfolgsaussichten nicht sonderlich hoch sein. Intel wurde 2009 zu einer Rekordstrafe von 1,09 Milliarden Euro verurteilt und hatte dagegen Berufung eingelegt. Letztendlich wurde das Urteil 2014 aber bestätigt. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass sich die beiden Parteien zuvor einigen.
[mit Material von Florian Kalender, ZDNet.de]
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