Ellison: Amazon liegt bei Database-Services 20 Jahre hinter Oracle zurück
Neben einer Low-Code-Initiative für Mobile und Cloud von Oracle gibt es auch eine selbst für Larry Ellison ungewöhnlich scharfe Attacke auf den Cloud-Marktführer und IaaS-Pionier Amazon. Ist es der Mut der Verzweiflung?
Oracle scheint es mit dem Umstieg auf die Cloud durchaus ernst zu meinen, auch wenn das die Anwender bisher so noch nicht in ihre Strategie einbeziehen. Vor wenigen Tagen hatte Chairman Larry Ellison den neuen Public Cloud Service von Oracle vorgestellt und diesen gegen Amazon Web Services in Stellung gebracht. Jetzt sorgt er bei Marktbeobachtern mit markigen Sprüche über den Mitbewerber eher für Kopfschütteln.
Neben Aussagen Larry Ellisons zur Überlegenheit der eigenen Datenbank-Dienste gegenüber Amazons Angeboten, stellt das Unternehmen auch einen neuen Low-Code-Service vor. Der soll es Entwicklern erlauben, auch ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse Cloud-Anwendungen und Erweiterungen zu entwerfen.
Das Project Visual Code ist eine in einen Browser integrierte Entwicklungs- und Laufzeitumgebung. Anwender können damit mobile Apps und Cloud-Anwendungen programmieren. Wie in einem Baukasten-System können sie sich aus dem Oracle-Cloud-Marktplatz Dienste und Komponenten zu einer eigenen Anwendung zusammenstellen. Mit leichten Änderungen lassen sich diese an die eigenen Bedürfnisse anpassen.
Oracle wolle damit vor allem IT-Abteilungen in Unternehmen entlasten und Anwenderunternehmen damit agiler machen. Oracle setzt für das Entwickler-Tool das JavaScript Extension Toolkit, sowie JavaScript und REST ein. Daneben lassen sich die wiederverwendbaren und responsiven Nutzerschnittstellen-Komponenten auch mit externen Services wie Facebook oder Salesforce verbinden.
Entwickler und Business-Nutzer können damit Anwendungen über jeden beliebigen REST-basierten Service erstellen oder selbst eigene Objekte bauen. Im Oracle Marketplace können Entwickler Anwendungen nicht nur erwerben, sondern auch selbst Anwendungen anbieten.
Mit dem Messer in die Cloud
Daneben versucht sich Larry Ellison in einer Art Ehrenrettung als Cloud-Anbieter: Jahrelang hatte sich Oracle gegen Cloud-Gedanken gewehrt. Jetzt will Oracle den inzwischen gigantischen Vorsprung anderer Anbieter in wenigen großen Schritten wieder aufholen.
Größter Konkurrent ist in diesem Segment der Anbieter Amazon Web Services, der mit einem extrem komfortablem Vorsprung vor allen anderen Anbieter Cloud-Services vertreibt. Jetzt poltert Oracle-Chairman Ellison, dass Amazon rund 20 Jahre hinter Oracle zurück liegt – zumindest, was den Bereich DBaaS anbelangt.
Glaubt man den Zahlen Oracles, scheint der Datenbankspezialist in der Cloud bei Datenbanken die performanteren Systeme anzubieten: Der Database-as-a-Service (DBaaS) von Oracle soll Workloads bis zu 105-mal schneller verarbeiten als der von Amazon.
Online Transaction Processing (OLTP) könne der Oracle Service bis zu 35-mal schneller verarbeiten. Mixed-Workloads prozessiere Oracle mit dem eigenen Dienst mehr als 1000-mal schneller. Oracle-Datenbanken, die auf dem Oracle-Dienst betrieben werden, sollen um den Faktor 24 schneller sein als auf der Infrastruktur von Amazon.
Zudem seien die Amazon-Datenbanken wie DynamoDB, Aurora oder Red Shift nicht zu anderen Datenbanken kompatibel. Anwender, die bereits in Teradata, IBM DB2 oder Oracle investiert haben, könnten diese nicht zusammen mit dem AWS-Cloud-Dienst verwenden. Für Ellison ist AWS daher “geschlossener als ein IBM-Großrechner aus den 70-er-Jahren”.
Aber wie kommt Ellison zu der Aussage: “Amazon ist 20 hinter der Datenbank-Technologie von Oracle hinterher”? Er führt dafür mehrere Gründean. So lasse Amazon Aurora “kritische OLTP-Features” vermissen, die Oracle auf dem On-Premises-Angebot bereits vor 20 Jahren eingeführt habe. Auch skalierbare Read-Write-Cluster, paralleles SQL und die Möglichkeit, verschlüsselte Datenbanken zu replizieren, seien über Amazon nicht verfügbar, aber seit 20 Jahren ein Bestandteil von Oracles Technologie. Redshift dagegen lasse Analytics-Funktionen vermissen, die Oracle ebenfalls vor rund 20 Jahren mit Table Partitioning, Materialized Views, Rich Data Type und Sophisticated Query Optimization eingeführt habe.
“AWS ist schlicht nicht für Oracle-Datenbanken optimiert und auch für die eigenen Datenbanken ist der Service nicht optimiert. Amazon, ein Poinier für IaaS, liefert noch immer Infrastructure-as-a-Service der ersten Generation”, kommentiert Ellison. Ob dieser Vergleich statthaft – geschweige denn fair – ist, dürfte den lautstarken Oracle-Gründer kaum interessieren.
Ganz ohne Kritik an der Oracle-Strategie ist man auch bei der Anwendervereinigung DOAG nicht, wie Christian Trieb, Leiter der DOAG Datenbank Community, gegenüber silicon.de kommentiert: “Grundsätzlich wird der Trend zu Cloud gehen. Deutschland ist da noch sicher am Anfang. Dass die DB 12.2 zur Zeit nur in Cloud zur Verfügung steht, erfreut die On-Premise DOAG-Mitglieder und Oracle-Kunden sicherlich nicht.”
Mit 12.2 führe Oracle auch neue und interessante Funktionalitäten ein, die nun in der Cloud verfügbar sind. Damit sei ein Anfang gemacht. Gleichzeitig kann Trieb auch aus eigener Erfahrung bestätigen, dass Oracle mit den Platform as a Services die Versprechen einlösen kann. Mit Paragon Data habe er Cloud-PaaS auf Basis der Oracle-Datenbank bereits entworfen und auch schon implementiert, wie er in einem Blog beschreibt.
Stefan Kinnen, Vorstandsvorsitzender der DOAG,
http://www.doag.org/de/doag/personenseiten-doag/stefan-kinnen.html
sieht aber nicht nur eine vereinzelte “Initiative” Oracles, sondern einen “vollständigen Wechsel des Geschäftsmodelles”. Weil diese Abo-Verträge aber nur dann rentabel werden, wenn viele Nutzer längere Zeit die Angebote nutzen, sind mittelfristig von Oracle keine Umsatzsteigerungen zu erwarten. Die Folge ist laut Kinnen, dass Oracle weitere Einsparungen realisiert. “Das macht eine engere Zusammenarbeit zwischen Kunden und Partnern notwendig, um hier wieder Vertrauen aufzubauen. ”
Ellison vs Reality 0:1
Misst man Oracle aber an den Maßstäben, die der Hersteller bei On-Premise-Infrastruktur- und Datenbank-Deployments anlegt, dann ist Oracle bestenfalls ein Nischenanbieter. René Büst, Analyst des Marktbeobachtungsinstitutes Crisp Research sieht bei dem Datenbank-Giganten Oracle “im IaaS- als auch im PaaS-Bereich noch sehr viel Nachholbedarf”. Denn für ein erfolgreiches Public-Cloud-Angebot gehöre “bei weitem viel mehr dazu, als nur performante Datenbanken im Portfolio zu haben”.
Büst weiter: “Die Gründe hierfür lassen sich in der ‘Augen zu und durch’-Strategie beziehungsweise der ablehnenden Haltung gegenüber der Public Cloud in den letzten Jahren erklären. Und hier versucht Oracle oder vielmehr Larry Ellison nun mit einem Messer ein Territorium zu erobern, für welches schwere Geschütze erforderlich sind.”
Und das kann Büst auch mit Zahlen untermauern, denn nur 0,7 Prozent der deutschen Mittelständler haben Oracle als Teil ihrer Cloud-Strategie (IaaS, PaaS) auf dem Schirm. “Das sagt viel über die schwache Marktdurchdringung oder vielmehr dem Aufholbedarf von Oracle aus. Bevor Oracle damit auch nur auf Tuchfühlung mit Amazon Web Services kommt, müsste Oracle zunächst einmal an Google auf Rang 3 und Microsoft, Rang 2, vorbeiziehen.”
Büst weiter: “Den Vorsprung, den AWS, Microsoft oder auch Google sich bis heute erarbeitet haben, ist nur mit sehr großen Anstrengungen wieder einzuholen. Das Vorhaben gleicht einer Herkulesaufgabe. Allerdings gewinnt man mit Marketing-Phrasen oder leeren Worthülsen keine Marktanteile.”
Hyperkonvergente Systeme
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