Facebook wehrt Klage wegen Fake-News in Deutschland vorerst ab
Das Landgericht Würzburg hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Facebook zurückgewiesen. Geklagt hatte ein Flüchtling aus Syrien, dessen Selfie mit Bundeskanzlerin Merkel mehrfache in falschem Zusammenhang gepostet wurde.
Im Verfahren um verleumderische und sachliche falsche Meldungen auf seiner Seite hat sich Facebook in der ersten Runde durchgesetzt: Nach der Verhandlung am 6. Februar hat das Landgericht Würzburger heute seine Entscheidung verkündet: Die Richter sehen Facebook weder als Täter noch als Teilnehmer der Verleumdungen. Sie haben den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung daher zurückgewiesen. Die ausführliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Ungeachtet dessen wollen die Kläger Schadenersatz verlangen und die nächsthöhere Instanz anrufen.
In dem Verfahren ging es um ein Selfie, das Anas Modamani, ein Flüchtling aus Syrien, 2015 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgenommen hatte. Er war dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Das Bild tauchte später mehrfach in völlig anderen Zusammenhängen und teilweise auch modifiziert bei Facebook auf – der Abgebildete war aber jedes Mal gut zu erkennen. Einmal wurde dabei behauptet, Modamani sei eine der Personen, die an Weihnachten 2016 in einem Berliner U-Bahnhof einen Obdachlosen angezündet haben, im Sommer 2016 hieß es dazu, Modamani sei an Attentaten in Brüssel beteiligt gewesen. Beides ist frei erfunden.
Vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurden von Modamani und seinem Anwalt Chan-jo Jun Dutzend verunglimpfende Kommentare über das von Facebook angebotene Online-Formular gemeldet. Facebook hatte jedoch keinen der beanstandeten Beiträge entfernt und dies damit begründet, sie verstießen nicht gegen die Richtlinien. Vor Gericht ging es nun vor allem darum, ob Facebook nur die ihm gemeldeten Beiträge blockieren muss oder ob und wenn ja wie weitgehend sie gelöscht werden müssen.
In einer ersten Stellungnahme (PDF) hatte Anwalt Jun am Tag nach dem Verfahren bereits mitgeteilt: “Facebook hat im Prozess eingeräumt, dass es gar keine Bilder gelöscht hat. Die einzigen Aktivitäten beschränken sich darauf, sog. ‘Geoblockings’ für einzelne Bilder zu installieren. Es handelt sich dabei um einen Mechanismus, bei dem in Abhängigkeit der IP-Adresse des Clients entweder das tatsächlich aufgerufene Bild oder eine Fehlermeldung ausgegeben werden. Unstreitig waren Bilder, die bereits im Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 30.12.2016 enthalten waren, zum Beispiel aus Österreich ohne weiteres abrufbar.”
Bei Geoblocking beschränke sich die Sperre auf den Facebook-Post, das eigentliche Bild sei weiterhin abrufbar. Eines der als Beleg angeführten Bilder ist aber inzwischen tatsächlich nicht mehr abrufbar – laut Facebook “leider” und “derzeit”.
Im Verfahren habe Facebook kritisiert, dass die beanstanden URLs nicht über ein spezielles Facebook-Meldeformular eingereicht worden seien. Die Kläger hatte erklärt, jeder bekannte Post sei einzeln über die bei Facebook angebotene Funktion gemeldet worden. Jun dazu: “Es ist nicht nachvollziehbar, dass es bei mehreren Meldewegen im Belieben von Facebook steht, welcher zu einer Kenntnisnahme führen soll und welcher nicht.” Der von Facebook vorgeschlagene Meldeweg sei nur dann erreichbar ist, wenn eine Urheberrechtsverletzung angegeben werde, die dann mit einem weiteren Meldesystem vorgenommen werden muss. Dies kann jedoch nur der Betroffene persönlich tun. Ansonsten wird auf das Meldesystem nach Gemeinschaftsstandards zurückverwiesen.
Im Verfahren wurde auch die Frage behandelt, ob sich Facebook auf das sogenannte Hostprovider-Privileg nach § 10 TMG berufen kann. Zu ihr hat sich das Gericht nicht geäußert. Im konkreten Fall ist das laut Anwalt Jun auch unerheblich, da ja zuvor die beanstandeten Inhalte gemeldet wurden.
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Das Landgericht Würzburg hat in der mündlichen Urteilsbegründung dargelegt, dass sich Facebook seiner Auffassung nach die Inhalte nicht zu eigen mache. “Bei dem sich ‘Zueigenmachen’ handelt es sich um einen komplizierten äußerungsrechtlichen Begriff”, erklärt der Berliner Anwalt Johannes von Rüden in einem Kommentar. “Dabei kann eine fremde Äußerung auch dann als eigene Äußerung gelten, wenn die Äußerung derart in den eigenen Gedankengang eingebunden wird, dass sie als eigene Äußerung erscheint. Seiner Auffassung nach lässt sich die Begründung aber nicht darauf stütze. Vielmehr müsste man auf die Störerhaftung abstellen.
Laut von Rüden wolle das Gericht die Sache nicht im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entscheiden, sondern im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens auch darüber entscheiden, “ob es technisch für Facebook möglich ist, solche verleumderische Einträge vorab zu prüfen. Dazu sollen auch Sachverständigengutachten eingeholt werden.”
Anwalt Jun sieht das etwas anders: “Spätestens nach Meldung eines Inhalts und der Überprüfung nach den Gemeinschaftsstandards hat Facebook sich den Inhalt zu Eigen gemacht, indem es entweder entscheidet, dass ein Verstoß vorliegt oder nicht. Die Gemeinschaftsstandards sind dabei auch bekanntlich nicht dafür vorgesehen oder geeignet, um die Rechtseinhaltung sicherzustellen, da sich die Gemeinschaftsstandards erheblich von jeder Rechtsordnung der Welt unterscheiden. Sie sind die redaktionellen Richtlinien, mit denen das Erscheinungsbild von Facebook durch Facebook reguliert wird.”
Auch der Versuch von Facebook, die verlangte Erkennung und Löschung gleichartiger Bilder in nicht gemeldeten Post als technisch zu aufwändig und in der Praxis nicht umsetzbar darzustellen, weist Anwalt Jun als Ausrede zurück: Die erforderliche Technik (etwa die Microsoft-Software PhotoDNA) sei längst vorhanden und werde sogar von Facebook für andere Zwecke sogar genutzt.
Das sieht auch von Rüden ähnlich: Facebook dürfte seiner Auffassung nach zumindest als s genannter Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können. “Maßgeblich dafür ist, dass Facebook von den rechtswidrigen Inhalten Kenntnis erlangt und sie nicht binnen einer angemessenen Frist löscht. Dabei dürfte die Angemessenheit daran zu messen sein, wie schwer die Persönlichkeitsrechtsverletzung wiegt. Bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen – etwa dem Vorwurf staatsgefährdender Straftaten wie im verhandelten Fall sei auch eine Frist von wenigen Stunden möglich.