ERP-Zukunft basiert auf Low Code
Warum Low-Code-Lösungen einen flexiblen und günstigen Ausweg aus der ERP-Falle bieten, erklärt Karl Gerber von Step Ahead in seinem Gastbeitrag.
Hübsch im Design und benutzerfreundlich in der Bedienung: So sollten moderne Low-Code-Lösungen aussehen. Verständlich, betrachtet man die zuweilen starren und monolithischen ERP-Systeme der großen Player. Doch eine echte Low-Code-Lösung kann und darf sich nicht ausschließlich über eine ansprechende Optik definieren. Die zahlreichen Vorteile dieses Konzeptes – wie Flexibilität, Benutzerfreundlichkeit und einfache Wartung – lassen sich nur dann in voller Gänze ausnutzen, wenn die Software tatsächlich von Grund auf in Low Code entwickelt wurde. Denn auch Datenbankmodelle, Speicherprozesse und Business-Logik müssen leicht anpassbar sein, also in Low Code programmiert. Schließlich sollen sie alle notwendigen Business-Anforderungen wie Rechnungsstellungen, Steuersätze, Rabatte etc. erfüllen können. Durchgängiger Low Code bietet daher wesentlich mehr, als lediglich Daten an der Oberfläche verschieben zu können.
Unterschiede zum klassischen ERP
ERP-Systeme konventioneller Bauart wurden häufig bereits in den frühen 2000er-Jahren konzipiert. Zumeist basierten die Systeme auf dem damals weitverbreiteten, dreistufigen Client-Server Modell. Für den Anwendungskomfort war ein Application Server zuständig, auf dem wiederum eine möglichst benutzerfreundliche Oberfläche platziert war.
Stellte sich später heraus, dass die Bedienung nicht so anwenderfreundlich wie gedacht war, schufen gängige Low-Code-Werkzeuge Abhilfe. Mittlerweile haben auch die großen Anbieter Low-Code-Plattformen auf dem Markt, die sehr gut mit den jeweiligen Datenbank-Servern harmonieren. Allerdings bleiben diese Tools auf die reine Oberflächengestaltung beschränkt. Änderungen am Datenmodell müssen auf die althergebrachte Art und Weise programmiert werden – mit hohem Aufwand.
Nach diesem dreistufigen Client-Server-Schema funktionieren heute mehr oder weniger alle gängigen ERP-Systeme – egal ob Mittelstandsprodukte oder die Flaggschiffe der großen Anbieter. Einige haben dabei das Frontend im Web neugestaltet. Doch ein Frontend kann nur das liefern, was im Backend hinterlegt ist. Gewünschte Änderungen im Frontend sind demnach immer mit Umprogrammierungen im Backend verbunden.
In einem durchgängigen Low-Code-ERP-System gibt es hingegen den scharfen Unterschied zwischen Frontend und Backend nicht mehr. Alles, was auf der Plattform programmiert wird, steht im Web zur Verfügung, die Anwendungslogik läuft im Browser ab. Das ist eine komplett andere Architektur im Vergleich mit den klassischen Systemen. Deshalb lassen sich die existierenden Anwendungen auch nicht einfach „lowcodeifizieren“, sondern müssen von Grund auf neu erstellt werden.
Diesen Aufwand scheut der überwiegende Teil der Anbieter und sieht dafür letztlich auch keine Notwendigkeit. Denn sie verdienen mit ihren vorhandenen Produkten immer noch gutes Geld. Andererseits drängt mancher Hersteller seine Anwender derzeit zu kostspieligen Migrationen auf die neueste Systemversion. Dem sollten Unternehmen nicht blind folgen, sondern die Möglichkeit nutzen, um sich nach Alternativen umzuschauen. Dazu gehören Lösungen auf kompletter Low-Code-Basis, die mit vielen Vorteilen gegenüber herkömmlichen Systemen aufwarten können.
Low Code – flexibel, schlank und günstig
Denn es gibt viele Gründe, beim Umstieg Low-Code-Alternativen in Betracht zu ziehen. Die Migration von einem ERP-System auf ein anderes oder ein Upgrade sind komplizierte, mühselige und kostenaufwendige Prozesse. Mit einem Low-Code-System gibt es hingegen keinen regelmäßigen Migrationszwang. Werden neue Funktionen wie ein Gantt-Diagramm, ein Kanban-View oder ein neues Control benötigt, lassen sich diese jederzeit nachträglich implementieren. Die Anwender sind dabei sogar in der Lage, ihr System ganz einfach mit Drag & Drop selbst zu gestalten und an ihre Bedürfnisse anzupassen. Low-Code-Umgebungen können zudem – konfiguriert für das jeweilige Unternehmen – entweder modular oder als vollwertige Entwicklungsumgebung bereitgestellt werden. Vorbei sind die Tage, an denen sich Anwender durch eine Flut irrelevanter Funktionen wühlen mussten.
Doch nicht nur die Flexibilität ist ein Argument für durchgängigen Low Code. Auch finanzielle Aspekte spielen eine große Rolle. Ein Grund, warum klassische ERPs oftmals den Löwenanteil des IT-Budgets in Unternehmen verschlingen, sind die immensen Kosten für Consulting-Leistungen. Durch das unkomplizierte Customizing fällt bei Low-Code-Systemen viel weniger Aufwand an, zahlreiche Anpassungen können Kunden selbst vornehmen. Beraterkosten spielen nur noch eine untergeordnete Rolle an den Gesamtkosten. Der Dienstleistungsanteil am Softwarepreis lässt sich so auf bis zu 30 Prozent begrenzen. Bei herkömmlichen Systemen ist das Verhältnis umgekehrt, da zahlen Kunden für jeden Euro Lizenzgebühr noch einmal bis zu sechs Euro für den Service.
In der IT-Welt fehlt es zudem an Fachkräften. Dies ist insbesondere für die hochspezialisierte und komplizierte ERP-Welt ein Problem. Viele Anbieter klagen zusätzlich über den Abgang „alter Hasen“, die allmählich in den Ruhestand gehen. Um ein Low-Code-System zu entwickeln oder anzupassen, sind hingegen keine Programmier-Experten vonnöten. Kenntnisse in HTML, CSS und JavaScript genügen vollkommen. Low Code ist damit eine sinnvolle Investition gegen den Fachkräftemangel. Denn selbst Anwender mit geringen Vorkenntnissen arbeiten sich ohne aufwendige Schulungen schnell und einfach ein. Das steigert auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter, die sich längst nicht mehr mit eintöniger, umständlicher Software herumplagen möchten.
Lohnt sich der Umstieg?
Ein Wechsel des ERP-Systems ist mit hohem Kostenaufwand verbunden. Mehrere Millionen Euro sind eher die Regel als die Ausnahme. Trotzdem sollten Unternehmen den Umstieg nicht scheuen, langfristig kann er sich auszahlen. Spätestens dann, wenn der aktuelle Anbieter den Support aufkündigt, hat man sowieso keine Wahl mehr.
Zudem sind die heute eingesetzten ERP-Systeme in aller Regel innerhalb des dreistufigen und starren Client-Server-Modells aufgebaut. Die hierarchische Struktur macht sie deshalb sehr komplex, kostenaufwendig und unflexibel. Damit entsprechen sie nicht mehr den Anforderungen einer immer schnelllebigeren Umwelt. Durchgängige Low-Code-Systeme sind hier mehr als nur eine Alternative.
Ein komplett auf Low-Code-Technologie basierendes System spart schlussendlich Entwicklungsaufwand und Betriebskosten. Damit amortisiert sich der Migrationsaufwand in einem überschaubaren Zeitrahmen. Darüber hinaus ist eine solche Lösung anpassungsfähiger und unkomplizierter zu warten. Eine ernsthafte Überlegung ist das allemal wert. Der Ausbruch aus der bestehenden Komfort-Zone ist längst kein Wagnis mehr mit offenem Ausgang, sondern eine lohnenswerte Innovation in die Zukunft des Unternehmens.
Karl Gerber
verantwortet als CEO von Step Ahead die strategische Ausrichtung. Gerber bringt durch Führungspositionen u.a. bei TRYPTIS, Sinnwell, DeskSite und net on mehr als 20 Jahre Erfahrung im Business Development, IT- und Projektmanagement, Cloud-Computing sowie im Vertrieb von ERP-Systemen mit.