Aktuelle Studien zeigen, dass der Frauenanteil in der IT weiterhin unter 20 Prozent liegt. Welche Gründe gibt es dafür? Ist es die Männerdominanz, die es Frauen schwer macht, in der IT Fuß zu fassen? Haben Frauen weniger Interesse an der IT? Wir haben Steffi Susser, Country-Lead Hacker School Österreich gefragt.
Wie beurteilst Du die Rolle der Frauen in MINT-Berufen im DACH Raum, insbesondere im Technologiesektor?
Aus meiner Sicht sind Frauen in der IT nach wie vor stark unterrepräsentiert, besonders auf den höheren Führungsebenen. Das liegt sicherlich nicht an mangelnden Fähigkeiten oder Interesse, sondern vielmehr an überholten, aber sehr hartnäckigen Stereotypen. Technologie ist für viele immer noch – zumindest unterbewusst – eine Männerdomäne. Zudem sind die meisten Role Models im Tech-Bereich Männer, nicht weil es keine qualifizierten Frauen gibt, sondern weil es diesen Frauen nach wie vor an Sichtbarkeit fehlt.
Was wird auf Schul- und Ausbildungsebene gut gemacht, und bei welchen Initiativen gibt es Ihrer Meinung nach noch viel zu tun?
Es ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, dass die digitale Bildung zunehmend in den Fokus der schulischen Ausbildung rückt. Frühzeitige Vermittlung digitaler Kompetenzen bereitet Kinder und Jugendliche nicht nur auf die Anforderungen unserer digitalen Welt vor, sondern befähigt sie auch, als aktive Mitgestalter*innen an dieser teilzuhaben. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die ambitionierten Pläne der Politik in der Praxis oft an den realen Gegebenheiten in Schulen scheitern. Dies führt zu erheblichen Unterschieden in der Qualität und Tiefe, mit der digitale Themen im Schulalltag behandelt werden.
Ein weiteres Problem sehe ich im fehlenden Praxisbezug. Nur wenn wir Kindern und Jugendlichen die kreativen Möglichkeiten aufzeigen, die ihnen durch Programmieren und technologische Fähigkeiten eröffnet werden, kann der IT-Unterricht lebendig, interessant und weit entfernt von trocken und abstrakt werden. Es ist entscheidend, dass junge Menschen erfahren, wie sie Technologie nutzen können, um ihre Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Hier besteht ein klarer Handlungsbedarf, um digitale Bildung über das Pflichtprogramm hinaus als spannende und kreative Herausforderung zu gestalten. Ich persönlich hätte ohne das Engagement und die Inspiration durch zwei IT-Lehrerinnen, die uns diesen kreativen Umgang mit Technologie nahegebracht haben, nie meinen Weg in die IT gefunden.
Welche Berufsbilder haben deiner Meinung nach das größte Potenzial und/oder die meisten Chancen für Frauen?
Das größte Potenzial für Frauen sehe ich definitiv im Bereich künstlicher Intelligenz. Die Mitgestaltung dieser zukunftsweisenden Technologien durch Frauen ist nicht nur wünschenswert, sondern absolut kritisch. Diverse Teams sind essentiell, um sicherzustellen, dass wir Fehler und Stereotypen der Vergangenheit nicht einfach reproduzieren. Wir stehen hier vor einer breiten Palette an neuen und spannenden Berufsfeldern, in denen Frauen nicht nur erfolgreich sein können, sondern auch gefragt sind, ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus anderen Fachgebieten einzubringen. Für eine gerechte und inklusive Entwicklung dieser Technologien sind vielfältige Perspektiven unerlässlich – und dafür brauchen wir Frauen an vorderster Front in der Forschung, Entwicklung und Anwendung.
Wie haben Sie das letzte Jahr erlebt, hat sich der Abstand verringert oder ist die Situation ähnlich?
Ich habe das Gefühl, dass sich die Situation bessert – in meinen Augen aber viel zu langsam. Auch wenn sich die Anzahl weiblicher Gründerinnen im Tech-Bereich positiv entwickelt, stehen Frauen immer noch vor vielfältigen Herausforderungen, die sie in einer von Männern dominierten Branche erleben. Es ist absolut entscheidend, dass wir weibliche Role Models noch sichtbarer machen und ihnen Plattformen bieten, um auch andere Mädchen und Frauen zu inspirieren, vielleicht einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Die Präsenz von erfolgreichen Frauen in der Technologiebranche und das Wissen, dass jemand diesen Weg bereits erfolgreich gegangen ist, kann unglaublich inspirierend sein und den Einstieg in die Branche erleichtern.
Sind Sie der Meinung, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um diese Kluft zu verringern? Was sollte Ihrer Meinung getan werden, um dies zu erreichen?
Es gibt bereits viele Unternehmen, die hier mit richtig tollen Initiativen vorangehen und auch tolle Fortschritte erzielen. Allerdings reicht es nicht aus, wenn die Bemühungen um Diversität und Inklusion lediglich auf Marketing beschränkt bleiben und nicht tiefgreifend in die Unternehmenskultur und -strategie integriert werden. Genau das muss sich ändern. Es ist zu einfach für Unternehmen, die Verantwortung für den Mangel an IT-Fachkräften und Frauen in der IT ausschließlich auf Schulen und die Politik zu schieben.
Es gibt tolle Möglichkeiten, um Mädchen aktiv für MINT zu begeistern, wie den Girls’Day und natürlich auch unsere Girls Hacker School. Bereits seit 2020 begeistern wir mit diesem Format Mädchen und Frauen für IT und planen, unser erfolgreiches Format bald auch auf Österreich auszuweiten.
ist Country-Lead Hacker School Österreich.