Gigabit-Datenraten im Zug
Projekt aus Bahn-, Mobilfunk- und Funkmastbranche zieht Zwischenbilanz. Start von Praxistests in erstem 5G-Korridor an einer Bahnstrecke.
Die Deutsche Bahn (DB), der Netzwerkausrüster Ericsson, der Telekommunikationsanbieter O2 Telefónica und der Funkmastbetreiber Vantage Towers ziehen ein erstes Zwischenfazit ihrer gemeinsamen Arbeiten zu Gigabit-Datenverbindungen im Zug. Das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit rund 6,4 Mio. Euro geförderte Projekt zum „Gigabit Innovation Track“ (GINT) war im Mai 2023 gestartet.
Mithilfe von 5G-Mobilfunk-Technologie sollen Bahnreisende auch in Zukunft unterwegs kommunizieren, arbeiten oder sich beim Kinofilm entspannen können, wie sie es von zu Hause gewohnt sind. Dafür sind nach Einschätzung von Fachleuten schon zu Beginn der 2030er Jahre Datenraten von bis zu 5 Gigabit pro Sekunde pro Zug notwendig. Das ist ein Vielfaches der mit heutiger LTE-Technologie möglichen Datenraten.
Für den Mobilfunkausbau bedeutet das einen Paradigmenwechsel: Bahnstrecken brauchen eine leistungsfähige 5G-Anbindung zusätzlich zum allgemeinen 5G-Ausbau in der Fläche. Denn für große Datenraten braucht es große Kanalbandbreiten, die nur bei höheren Frequenzen verfügbar sind. Die im GINT-Projekt genutzten 3,6-Gigahertz-Frequenzen von O2 Telefónica und dem Industriespektrum ermöglichen besonders schnelle mobile Datenübertragung, allerdings mit geringerer Reichweite als bei den heute für 4G-Mobilfunk eingesetzten niedrigeren Frequenzen: Ein Funkmast versorgt einen Umkreis von rund einem Kilometer.
Neuartige Technik
Das GINT-Projekt testet deshalb 5G-Mobilfunkversorgung über spezielle Funkmasten entlang der Gleise. Solche Masten braucht auch der künftige, 5G-basierte Bahnfunk, das „Future Rail Mobile Communication System“ (FRMCS). Rund 20.000 neue Masten werden für FRMCS in den kommenden Jahren deutschlandweit entlang der Schienen benötigt. Sie könnten auch die Basis für leistungsfähige Mobilfunk- und Datenverbindungen für Bahnreisende bilden.
Die von Vantage Towers im Projekt entwickelten neuartigen Funkmasten aus standardisierten Metallbau-Elementen sollen sich kostengünstig industriell in Serie fertigen und am Boden vormontieren lassen. Somit braucht nicht für jeden Mast eigens aufwändig eine Baustelle eingerichtet zu werden.
Standardisierte Untergestelle gleichen lassen sich zeitsparend im Boden verankern. Somit kann ein Bautrupp den Angaben der Konsortialpartner zufolge pro Tag mehrere Untergestelle errichten. Ebenso kann ein Bautrupp mehrere Funkmasten am Tag montieren. Die neuartigen Masten werden im Boden verankert, es brauchen keine aufwändigen Fundamente mehr gegossen zu werden. Das spart Beton und CO₂.
Die Masten für Mobilfunkkorridore entlang der Gleise passen sich mit rund 15 Metern Höhe in die Landschaft ein. Vielerorts entfallen damit die oft langen Genehmigungsverfahren.
Die Masten können gemeinsam für Mobilfunk und den künftigen Bahnfunk FRMCS genutzt werden. Somit sollen Synergien zwischen der Digitalisierung des Bahnbetriebs und High-Speed-Datenverbindungen für Fahrgäste entstehen.
Übertragung der Funksignale
Die Netz-Konfiguration sei inzwischen erfolgreich aus der Theorie auf die reale Testumgebung übertragen worden, so die Bahn weiter. Erste Messungen der Datenübertragung an der Strecke stimmen den Konzern optimistisch für die weiteren Detail-Tests.
In den kommenden Monaten sind unter anderem Messfahrten mit bis zu 140 km/h mit dem Laborzug der DB, dem advanced Train Lab (aTL) vorgesehen, um Erkenntnisse für High-Speed-Internet im Hochgeschwindigkeitsverkehr zu sammeln. Dabei werden auch die Effekte mobilfunktransparenter Scheiben untersucht: In einigen Wagen des aTL wurden die Scheiben mit einem Laser-Verfahren so bearbeitet, dass sie Mobilfunksignale besser durchlassen.
Außerdem werden Mehrfachantennen-Technologie (MIMO) und das sogenannte „Beamforming“ getestet, bei dem Mobilfunksignale auf den fahrenden Zug ausgerichtet und mitgeführt werden. Dadurch sollen sich Funksignale optimal aussteuern und die Sendeanlagen energiesparend betreiben lassen. Tests mit dem Zusammenschalten mehrerer Funkzellen zu einer (sogenanntes „Combined Radio“) sollen aufzeigen, wie die Wechsel zwischen Funkzellen reduziert und damit – gerade bei hohen Geschwindigkeiten – noch stabilere Verbindungen möglich werden.