Wie setzt man ein BPO-Projekt auf?

Folge 4 unserer Serie über Business Process Outsourcing beleuchtet die Prinzipien, nach welchen die Zusammenarbeit zwischen Kunde und Dienstleister gestaltet wird.

Wie in jedem anderen Lieferverhältnis entstehen auch durch die Auslagerung von Geschäftsprozessen Abhängigkeiten zwischen Unternehmen. Kunde und Dienstleister haben ein vitales Interesse, diese Geschäftsbeziehung zum Nutzen beider Seiten auszugestalten. Viel hängt dabei von den “weichen Faktoren” in den Beziehungen zwischen Kunde und Dienstleister ab. Die Geschäftspartner werden abstimmen, wie Fragen der Unternehmensplanung oder des Transfers von Know-how gelöst und Entscheidungen koordiniert werden.

Die Prozesse beim BPO-Dienstleister würden wie folgt bestimmt: Der Kunde definiert die gewünschten Standard-Dienstleistungen, den Zeitrahmen für deren Erbringung und das entsprechende Service-Volumen. Der Dienstleister bestimmt, wie er die Standardleistungen liefert und welche Einheit welche Ressourcen erbringt. Das Ziel ist eine langfristige Geschäftsbeziehung, die dem Kunden Flexibilität und Skalierbarkeit garantiert und bis zur Partnerschaft hin ausgebaut werden sollte. Dabei entwickelt der BPO-Dienstleister häufig und auf regelmäßiger Basis Verbesserungsvorschläge, welche die erbrachten BPO-Services dynamisch verändern helfen.

Dass ‘Multi-Vendor Outsourcing’ (verschiedene Partner für verschiedene Aufgaben) zu einer normalen Option wird, unterstreicht die Notwendigkeit, den Outsourcing-Prozess mit einer Struktur für das Beziehungs-Management zu untermauern. Die Hinzuziehung von Experten und die Einbindung aller beteiligten Organe des Unternehmens sowie der Geschäftsleitung ist für den Aufbau dieser Beziehungsebene zwingend.

Der exakten Definition von SLA (Service Level Agreement) kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Nur so lassen sich überzogene Erwartungen beim Kunden oder mangelnde Service-Qualität beim Dienstleister vermeiden. SLA werden zur zentralen Größe bei der Entwicklung und Ausgestaltung einer strukturierten BPO-Partnerschaft.

Das Dienstleistungsmodell

Der BPO-Dienstleister liefert dem Kunden den Service auf der Grundlage eines globalen Dienstleistungsmodells. Dieses wird gemeinsam diskutiert mit dem Ziel, die vereinbarten Dienste nahtlos und einheitlich in beiden Unternehmen zu realisieren.

Es sollte folgende Grundmerkmale aufweisen:


  • Strategie und Richtlinien werden vom Kunden definiert und vom BPO-Dienstleister umgesetzt
  • Gemeinsame Leitung und fortlaufende Beteiligung der leitenden Angestellten des Kunden und des BPO-Dienstleisters
  • Standardisierte Prozesse und Daten für die Erreichung der gewünschten Produktivitätssteigerungen
  • Zentralisierte Erbringung der Dienstleistungen
  • Skaleneffekte in Kombination mit flexiblem Personaleinsatz
  • Gemeinsame Umgebung mit einem dedizierten Service-Team

Beispiel Rechnungswesen

Das Zusammenspiel zwischen Auftraggeber und Dienstleister in den verschiedenen Management-Ebenen soll anhand eines Beispiels illustriert werden, bei dem das Finanz- und Rechnungswesen eines Unternehmens ausgelagert werden.

Beim Auftraggeber werden die Dienste des BPO-Dienstleisters von den verschiedenen Geschäftsbereichen und Unternehmensfunktionen wahrgenommen. Sie haben eine direkte Schnittstelle zur Service-Erbringung und zum Service-Management.

Das Service-Management umfasst die zentralen Kontakte für die definierten Service-Leistungen. Es ist verantwortlich für das Kunden-Management, die Kenntnis des Service-Umfangs, die Umsetzung der beabsichtigten Verbesserungen, die Prüfung der Service- und Projektleistung und die Unterstützung bei der Lösung von Problemen.

Das Liefer-Management führt das Projekt- und Änderungs-Management zur Sicherung der Lieferung der vereinbarten Dienstleistungen aus. Es ist darauf ausgelegt, entsprechend dem jeweiligen Umfang der aktuellen Projektarbeit flexibel erweitert oder reduziert zu werden. Daneben sichert diese Funktion die termin- und budgetgerechte Planung und Umsetzung neuer Verbesserungen und deren bereichsübergreifende Integration beim Kunden. Auch verschiedene Strategien für das Änderungs-Management und die Umsetzung von Verbesserungen würden in den Zuständigkeitsbereich dieser Funktion fallen.

Die Funktion Buchführungsunterstützung konzentriert sich auf die tatsächlich täglich für die Nutzer erbrachten Dienste und die Steuerung der Nachfrage nach und Verfügbarkeit von Ressourcen für die Erbringung dieser Dienstleistungen (Nachfrage-Management). Dazu zählen auch die Lieferströme und mögliche weitere Dienstleistungspartner zur Unterstützung des Leistungsumfangs.

Die Kernaktivitäten im Bereich Kapazitäts-Management sind Personal-Management, das Leistungs-Management inklusive Leistungsmessung und Berichtswesen sowie das Finanz- und Vertrags-Management. Darüber hinaus ist diese Funktion verantwortlich für die proaktive Steuerung von Problemfällen und Risiken, die Verträge und deren Aktualisierung, die Umsetzung von Programmen für die Qualitätssicherung und laufende Optimierung sowie die Entwicklung und Umsetzung strategischer Planungen.

Personelle Veränderungen

Im Rahmen der Übertragung einer internen Funktion an einen externen Dienstleister stehen die betroffenen Mitarbeiter vor großen Veränderungen. Die Rahmenbedingungen für die Übertragung müssen in jedem Fall darauf ausgerichtet sein, die unerwünschten geschäftlichen und emotionalen Folgen dieser Veränderungen so gering wie möglich zu halten.

Der BPO-Dienstleister definiert am besten gemeinsam mit dem Kunden die im Kontext der Auslagerung erforderlichen personalbezogenen Maßnahmen wie zum Beispiel den Transfer der Mitarbeiter zum BPO-Dienstleister, die Übernahme einer neuen Funktion beim Kunden oder die Trennung.

Die Definition eines klaren Konzepts und die Kommunikation von Informationen im gebotenen Umfang zum richtigen Zeitpunkt sind entscheidende Voraussetzungen der Akzeptanz des Wandels durch jeden betroffenen Mitarbeiter des Kunden. Erfahrung mit anderen Kunden und die Verfahren des neuen Kunden für das Personal-Management könnten die mit einer solchen Veränderung verbundenen Folgen und Risiken minimieren.

Ist mit der Übertragung der operativen Tätigkeit die Auslagerung eines Teilbetriebs verbunden, muss in Deutschland (und in ähnlicher Weise in allen EU-Staaten) das Bürgerliche Gesetzbuch berücksichtigt werden. Dort wird in § 613a des BGB dem betroffenen Personal ein besonderer Schutz gewährt. Aufgrund der Erfahrungen im IT-Outsourcing erklären sich Betriebsräte und andere Interessensvertreter der Arbeitnehmer als einschlägige Fachleute. Es wird jedoch dringend empfohlen, Experten in einer möglichst frühen Phase mit dieser sensiblen Aufgabenstellung zu beauftragen. Diese findet man bei professionellen BPO-Anbietern wie auch im Dienstleistungsmarkt.


Im fünften Teil unserer Serie zum Thema Business Process Outsourcing lesen Sie, wie die Vertragsgestaltung und die Preismodelle bei BPO-Projekten aussehen.

Folge 1
Folge 2
Folge 3

Der komplette Bitkom-Leitfaden zum Business Process Outsourcing kann als PDF hier heruntergeladen werden.