Es ist schon ungewöhnlich, dass die Verantwortlichen bei der Deutschen Messe in Hannover für die CeBIT einfach das Motto des Vorjahres übernehmen: D!conomy, ein Mantelwort aus Digital Economy. Doch tatsächlich scheinen die Zeiten vorbei zu sein, in denen jedes Jahr eine andere Technologiesau durch Hannover gejagt wird. Die Digitale Transformation ist nun wirklich nichts, das mal eben in einer Zwölfmonatsfrist durchgehechelt werden kann. Sie ist vielmehr so fundamental in ihren Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft, auf Wirtschaft und Technik, Bildung und Wissenschaft, dass man sich eine ganze Dekade damit befassen sollte. Mindestens.
Dabei geht es vielen nicht schnell genug. BDI-Präsident Ulrich Grillo warnte zur CeBIT-Eröffnung: „Bei der Digitalisierung ist Gefahr im Verzug.“ Ihm geht nicht nur der Ausbau der digitalen Netze zu langsam, er sei auch zu wenig ambitioniert, warnt Grillo. Statt der bisher angestrebten 50 Megabit sollte eine Infrastruktur angelegt werden, die Gigabit-schnelle Leitungen erlaubt und damit auch den großen Themen der Digitalen Transformation – Internet der Dinge und Industrie 4.0, Big Data und Virtuelle Realität, Mobile und Cloud Computing – eine Plattform bietet.
Und ihr Marktplatz soll die CeBIT sein und bleiben, die sich ganz und gar der Digitalisierung verschrieben hat. Das wäre eigentlich nicht neu, würde dadurch nicht die Abkehr vom alten Hardware-Weltbild postuliert, in dem der Computer im Zentrum der Computermesse steht. Jetzt soll der Mensch in seinem digitalen Umfeld der Hauptfokus der Hannoveraner Messemacher sein. Das zeigt sich zum Beispiel in der Halle11, die unter dem Titel SCALE11 den Startups der Digitalisierung gewidmet ist. 350 Gründer wollen dort nicht nur ihre Kunden treffen, sondern zuvorderst ihre Investoren. Denn anders als im bisher üblichen CeBIT-Blick auf die Informationswirtschaft, muss man für einen erfolgreichen Messeauftritt nicht unbedingt ein fertiges Produkt ausstellen können. Es reicht auch eine Idee…
Und die Neupositionierung als „DigiBIT“ heilt auch alte Wunden, die mit dem verfrühten und verfehlten Versuch, über die CeBIT Home in die Welt der Consumer Electronics vorzudringen, geschlagen wurden. Unter dem Rubrum „D!conomy“ finden nicht nur Streaming-Dienste für Musik und Video ihren Platz, sondern auch alles vom vernetzten Haus bis zum vernetzten Auto. Alles ist ohnehin künftig mit allem verbunden – sowohl logisch als auch technisch. Das gigantische Angebot, das daraus entsteht, ist die Blaupause für eine künftige CeBIT als GigaBIT.
Das ist nicht alleine ein technischer Ausblick, sondern vielmehr noch eine gesellschaftliche Perspektive. Da ist es kein Wunder, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die CeBIT-Eröffnung als Plattform für die Ankündigung seiner „Digitalen Strategie 2025“ nutzt, um aus der Digitalen Agenda der Bundesregierung, die auf vier Ressortminister aufgeteilt ist und damit unter massiven Synchronisationsproblemen leidet, einen Sprung nach vorn zu wagen. Zu den zentralen Handlungsfeldern gehören neben dem Breitbandausbau die Bildung, Leuchtturmprojekte für den Mittelstand, ein Zukunftsinvestitionsfonds, die Entbürokratisierung der Unternehmensgründung, die Förderung von mehr Wagniskapital. Alles nicht richtig neu, aber nun in einem systematischen Ansatz zusammengefasst. Eine „neue Gründerzeit“, eine „Digitalisierungsoffensive Mittelstand“, ein „Haus der Digitalisierung“ soll das Thema „in die DNA des deutschen Mittelstands einschreiben“, erklärte Gabriels Staatsekretär Matthias Maschnig der Süddeutschen Zeitung. Und die Hochschulen sollen Lehrstühle für Big Data und IT-Sicherheit installieren.
Deutschland soll also nicht weniger sein als Leitanbieter und Leitanwender für Industrie 4.0 und damit zum modernsten Industriestandort avancieren. Nur: in fast allen angesprochenen Themenbereichen fällt die Bundesrepublik derzeit im internationalen Vergleich eher zurück. Da sind Milliardeninvestitionen nötig, die unter anderem aus der nächsten Runde der UMTS-Versteigerungen kommen sollen.
Aber wenn schon nicht Leitanbieter, so ist doch zumindest die Leitmesse der Digitalisierung schon erreicht. Die CeBIT setzt auf wachsende Aussteller- und Besucherzahlen. Sie wird thematisch an und mit der Digitalisierung unseres Lebens wachsen – eine GigBIT eben.
TIPP: CeBIT: Was wissen Sie über die wichtigste IT-Messe der Welt? Machen Sie den Test mit unserem Quiz auf silicon.de!
Vielfach hat die Coronapandemie bestehende IT-Strukturen aufgebrochen oder gar über den Haufen geworfen – gefühlt.…
Das Covid-Jahr 2020 konnte die digitale Transformation nicht ausbremsen. Sogar ganz im Gegenteil: Viele Unternehmen…
Nach Angaben der Weltbank fehlt mehr als einer Milliarde Menschen ein offizieller Identitätsnachweis. Ohne den…
Das Thema Nachhaltigkeit ist seit vielen Jahren fester Bestandteil des Selbstverständnisses vieler Unternehmen. Wenig verwunderlich,…
Unternehmen sammeln eine Vielzahl von Daten. Doch IDC Analysten fanden in ihrer aktuellen Studie „IDC‘s…
COVID-19 hat 2020 sowohl Gesellschaft als auch Wirtschaft bestimmt. Unbestritten ist auch die katalytische Wirkung,…