Immer häufiger erlauben Unternehmen es ihren Mitarbeitern, ein eigenes Notebook, Smartphone oder Tablet in der Arbeit einzusetzen und sogar Software und Cloud-Apps aus dem Privatbereich zu Business-Zwecken zu benutzen. Dazu wurden in den vergangenen Jahren die entsprechenden Infrastrukturen geschaffen sowie zahllose Fragen rechtlicher Natur geklärt. Unternehmen, die “dabei” sind, genießen den Ruf, zu den Vorreitern zu gehören. Denn BYOD – inklusive Bring Your Own Software (BYOS) – ist ein Megatreand, der nicht nur die IT-Branche, sondern die gesamte Geschäftswelt bewegt. Auf dem Emerging Technologies Hype Cycles 2012 von Gartner hatte BYOD den Scheitelpunkt der Trendkurve erklommen. Und im Mai 2013 prophezeite das amerikanische Analystenhaus, dass BYOD im Jahr 2017 flächendeckend sein wird. Auch wenn die Gartner Prognosen traditionell als amerikaorientiert gelten dürfen, stand die Zukunft auch in Europa im Zeichen der vier Buchstaben.
Nun zeichnet eine neue Studie von Loudhouse im Auftrag von Alfresco ein anderes Bild: Mitarbeiter wollen gar kein BYOD, sondern lieber feste Vorgaben aus der IT. 74 Prozent der deutschen Anwender würden es bevorzugen Tools zu nutzen, die ihnen ihre IT-Abteilung bereitstellt, statt eigene Geräte oder Apps im Job einzusetzen. Auch weltweit halten fast zwei Drittel der Arbeitnehmer nichts von BYOD: 63 Prozent bevorzugen Arbeitsmittel, die ihnen das Unternehmen vorgibt, während lediglich 37 Prozent gerne selbst über ihr Werkzeug entscheiden möchten. Gleichzeitig sehnen sich alle nach Möglichkeiten, so produktiv und effizient zu arbeiten, wie sie es aus dem Privatbereich gewohnt sind. Tatsächlich gaben die Befragten an, dass sie lediglich aus Frustration über die Beschränkungen vorhandener Tools dazu übergegangen seien, eigene Lösungen zu suchen.
Ist BYOD also vielleicht gar nicht das Allheilmittel, für das es gehalten wird? Die Studienergebnisse legen nahe, dass hier nicht das Übel an der Wurzel gepackt wird, sondern man lediglich an den Symptomen herumdoktert. Unternehmen, die BYOD zulassen – und viel Zeit darauf verwenden, damit einhergehende Sicherheitsrisiken einzudämmen und die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, dies in kontrolliertem Rahmen möglich zu machen – führen nur eine sehr oberflächliche und kurzfristige Besserung herbei. Es würde mich nicht wundern, wenn diese Unternehmen sich in ein paar Jahren eingestehen müssten: Wir haben zu den falschen Mitteln gegriffen.
Weiter gedacht: Wenn BYOD nur die Symptomatik bekämpft, worunter leidet denn der Patient “Unternehmen” tatsächlich? – Auch darauf gibt die Loudhouse Studie Antwort und zwar am Beispiel von Kollaboration und Sharing. Die Art und Weise, wie wir mit Kollegen, Geschäftspartnern und Kunden zusammenarbeiten und Informationen austauschen, funktioniert nicht. Und das Problem wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Denn laut der Studie erwarten 78 Prozent der Business-Anwender einen Anstieg ihrer Kontakte, mit denen sie Informationen teilen, um 20 Prozent. Aber nur 18 Prozent halten ihr Unternehmen für “sehr effektiv”, was den Wissensaustausch angeht. In Deutschland sind es sogar noch weniger. Nicht einmal jeder Achte (13 Prozent) hält sein Unternehmen für gut gerüstet für die kommenden Herausforderungen.
Das ist insofern erschreckend, als die IT-Abteilungen den Handlungsbedarf durchaus erkennen und ihn auch proaktiv vorantreiben: 87 Prozent der IT-Entscheider finden mobiles Arbeiten per Tablet und Smartphone wichtig. 88 Prozent wollen Zusammenarbeit mit Partnern, Kunden und Lieferanten nicht auf den bloßen Austausch von Dokumenten beschränken. Sie verstehen, dass eine effiziente Zusammenarbeit auch die passenden Workflows erfordert. Die gute Nachricht lautet also: Die Diagnostik ist nicht das Problem. Die IT-Abteilungen sehen sehr wohl, woran es hapert. Aber was hilft‘s, wenn die passenden Medikamente nicht parat sind? In ihrer Ratlosigkeit ermuntern 39 Prozent ihre Mitarbeiter sogar, öffentliche Cloud-Sharing-Plattformen zu nutzen. Es scheitert also nicht am Willen oder am Wissen, was zu tun wäre. Es liegt an der Geschwindigkeit, mit der deutsche Unternehmen neue Technologien prüfen, einführen und den Mitarbeitern als Arbeitswerkzeuge anbieten.
Es ist heute nicht mehr genug, zu reagieren. Denn das kann in unserer schnelllebigen Zeit einen nicht wieder einzuholenden Wettbewerbsrückstand bedeuten. Auch wenn über zwei Drittel des IT-Budgets zur Sicherung des laufenden Betriebs gebunden sind: CIOs und ihre Teams müssen zu Fortschritts-Treibern und “Enablern” werden. Ihre Aufgabe ist es, künftig konsequent neue Anwendungen zu beobachten und schon kurz nach dem Startschuss einer neuen Technologie über einen möglichen Einsatz nachdenken. Sich flexibel aufzustellen und sich technisch nicht über zu lange Zeit zu binden, zählt also zum Gebot der Stunde.
Viele etablierte Hersteller liefern nicht das, was die Anwender ganz offensichtlich brauchen. Es ist also nötig, über den Tellerrand von langen Vertragsbindungen und liebgewonnenen Standards zu schauen. Nun sind Ansätze gefragt, bei denen die Zukunftsfähigkeit zum Konzept gehört. Dazu zählen offene Schnittstellen, dynamische Preismodelle und Lösungen, die Expansion und flexible Strukturen erlauben.
Aber auch in der IT muss sich etwas verändern. Unter massivem Spardruck haben die IT-Abteilungen ihre Manpower immer weiter verkleinert. So fehlt oft die Zeit, sich intensiv genug mit neuer Technologie zu befassen. Weil die Ressourcen fehlen, Neues zu testen, setzen IT-Bosse auf Mainstream-Produkte. Erst wenn Innovationen sich bei anderen bewährt haben, wird ein Projekt etabliert. Darin liegt jedoch ein großes Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit. Denn der Mainstream von heute kann die Sackgasse von morgen sein. So wird die IT ihrer Rolle, zum Geschäftserfolg nachweislich beizutragen, nicht gerecht. Vom neuesten Emerging Technologies Gartner Hype Cycle 2013 ist BYOD übrigens bereits verschwunden.
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