Ein bisschen klingt es wie das Fazit im Stuhlkreis einer Selbsterfahrungsgruppe: “Ich denke, wir haben alle voneinander profitiert”, resümierte beispielsweise der Diplom-Kommunikationsdesigner Alvar Freude. Er war einer der 17 Sachverständigen, die sich zusammen mit 17 Bundestagsabgeordneten drei Jahre regelmäßig in der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft (EIDG) getroffen hatten. Jetzt hat die Kommission ihren Abschlussbericht vorgelegt: 2000 Seiten, mehrere 100 Handlungsempfehlungen, Null Vision.
Doch zumindest individuell scheint der Erkenntnisgewinn beträchtlich gewesen zu sein. Im Januar etwa gab der Ausschussvorsitzende Axel E. Fischer zu Protokoll: “Erst nach und nach sind für mich die Dimensionen der Veränderungen klar geworden, die die Digitalisierung mit sich bringt.“ Das macht aus den EIDGenossen zwar noch keine Internet-Experten. Aber immerhin hat der Bundestag jetzt so etwas wie Expertise in einem zukunftsweisenden Infrastrukturprojekt.
Aber dass die Handlungsempfehlungen auch zu empfohlenen Handlungen in der Politik führen werden, darf doch mit einiger Skepsis belegt werden. Schon in der Enquete waren ja die Partei- und Koalitionsgrenzen kaum zu überwinden gewesen. So blieben konkrete Vorschläge oder gar Visionen eben aus, weil sie stets auch hätten als Kritik an der Politik des jeweils anderen Lagers hätten interpretiert werden können. Netzneutralität sieht anders aus.
Kein Wunder, dass sich der Branchenverband BITKOM zwar über die politische Aufwertung der digitalen Welt und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung freut, die sich in einer Fortsetzung der Debatte in einem ständigen Ausschuss oder gar in einem Internet-Staatssekretär manifestieren soll. Aber Sätze wie “BITKOM begrüßt, dass sich die Enquete mit der Bedeutung der digitalen Wirtschaft, mit Industrie 4.0 und mit Start-Ups befasst hat”, klingen doch eher nach einer höflich verbrämten “Setzen, Sechs” als nach einer Anerkennung. Denn der Maßnahmenkatalog, der da von der Enquete-Kommission in der vergangenen Woche präsentiert worden war, ist eher vom Knöpfchen-Sortieren im Kurzwarenladen geprägt, als vom großen Lebensentwurf für die digitale Gesellschaft.
Der Katalog – immerhin nach drei Jahren Debatte! – umfasst eine ganze Reihe von No-Brainern: Chancen intelligenter Strom- und Verkehrsnetze, Nutzung von digitalen Lernmedien an Schulen, bundesweit einheitliche Mindeststandards für Medienkompetenz, flächendeckender Breitbandausbau, Ablehnung von Inhaltskontrollen und Netzsperren, Absage an pauschale Vergütungen für urheberrechtliche Nutzungen, Forderung einer europäischen Datenschutzregelung.
Das ist für einen dienstleistungsorientierten, auf den Wissenstransfer ausgelegten Standort Deutschland doch eher ein bisschen wenig. Das Internet der Dinge, das Internet der Prozessorientierung, das Internet der Sensoren und Aktoren, das Internet der Graswurzelbewegung – all das wurde in der Debatte gestreift, ohne dass der Eindruck erweckt werden konnte, es habe zu einer wie auch immer gearteten Inspiration geführt. Am Ende blieben Gemeinplätze und Banalitäten.
Deutschlands wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft wird vom Umgang mit dem sich dynamisch weiterentwickelnden World Wide Web abhängen. Der stürmischen Entwicklung, die das Internet nahm und weithin nimmt, wird die Enquete-Kommission in ihrem Abschlussbericht kaum gerecht. Das „Internet für was auch immer“ braucht Gestalter. Bislang finden die sich vor allem im Silicon Valley. In Berlin sind sie nicht.
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