Vor fünf Jahren arbeitete ich normal im Büro der FileNet GmbH in Bad Homburg. Jeden Morgen ging es per Auto rund 30 bis 40 Minuten ins Büro beziehungsweise abends zurück. Heute arbeite ich weitgehend im Home Office. Vom Frühstückstisch geht es – so ich nicht unterwegs bin – direkt an meinen Heimarbeitsplatz. Das herkömmliche Büro in meiner Heimlokation besuche ich nur, wenn ich mich dort mit Kolleginnen und Kollegen zum Bürotag mit gemeinsamen Mittagessen verabrede. In der Frankfurter Niederlassung der IBM habe ich wie auch die anderen keinen festen Arbeitsplatz mehr. Wir arbeiten im Großraumbüro und suchen uns einen freien Schreibtisch. Der Container mit Bürounterlagen wird dorthin gerollt, Notebook und Telefon eingestöpselt und los geht es. Abends ist der Arbeitsplatz sauber zu hinterlassen. Clean Office nennt man das.
Ach ja, man muss auch sein Notebook mit Kensington Schloss anketten, so man den Platz verlässt. Das firmeneigene Notebook soll nicht verlustig gehen. Da ich mit selbst erstandenem Macbook arbeite – IBM erlaubt dies -, achte ich selbst darauf, dass mein teuer erstandenes Gerät natürlich geschützt ist. Mischt sich nun im Büro die Population jeden Tag dynamisch durch? Nein, es bilden sich natürlich Gruppierungen heraus und manch einer, der regelmäßig im Büro ist, hat natürlich quasi Gewohnheit seinen wiederum festen Schreibtisch.
Warum fahre ich nun nicht regelmäßig ins Büro? Zuerst einmal vermisse ich die Kolleginnen und Kollegen. Der gemeinsame Kaffee oder Mittagessen fehlen mir. Auf der anderen Seite bin ich für mein Home Office dankbar, denn ich bin in meinem Job ein Vieltelefonierer. Im Großraumbüro ist es einfach zu laut und unruhig, die Quiet Rooms oder Besprechungsräume sind besetzt, so dass ein konzentriertes Telefonieren schwer möglich ist. Da genieße ich bewusst die Ruhe und meinen drahtlosen Kopfhörer am Heimarbeitsplatz, der es mir auch mal erlaubt, auf dem Balkon oder an der Kaffeemaschine zu sprechen. Und natürlich brauche ich auch meine anderen Werkzeuge, um einerseits effizient kommunizieren zu können, andererseits mich auch sozial wohl zu fühlen. Ich möchte Instant Messaging, Chatten, nicht mehr missen, um schnell und unkompliziert Sachverhalte nachzufragen und zu bearbeiten.
Auf soziales Netzwerken kann ich ebenso wenig verzichten. Intern nutze ich es, um Dateien, Lesezeichen, Informationen zur Verfügung zu stellen und so die Mail-Flut einzudämmen. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen wissen, dass ich alle beruflich relevanten Informationen in meinen Dateien, im Wiki oder meinen Blogs dokumentiere und diejenigen, die weiter immer mehr per E-Mail nachfragen, versuche ich zu den Vorteilen des Information Sharings per sozialem Netzwerk zu bekehren. Mein Kollege Luis Suarez hat dies zur Perfektion getrieben und kommt mit 10 bis 20 E-Mails pro Tag aus. So weit habe ich es nicht geschafft, aber ich arbeite an der Minimierung der E-Mail-Flut. Die sozialen Medien haben daneben für mich auch extern enorme Bedeutung erlangt. Einerseits informiere ich Geschäftspartner, Kunden und Interessenten über soziale Medien und nutze diese auch zum Dialog mit
diesen Zielgruppen.
Andererseits sind es für mich wirklich soziale Medien. Ich kommuniziere darüber mit Freunden, die unterdessen in Südafrika oder an anderen Orten wohnen und arbeiten. Und über Facebook, Twitter & Co. habe ich in den vergangenen zwei Jahren viele neue Bekannte, Friends und Follower gewonnen, mit denen ich mich austausche. Hierbei geht es ganz sicher nicht nur um berufliche Dinge, sondern es wird auch über Privates geplauscht. Ich halte also Kontakt zu alten Freunden und gewinne Neue hinzu. Das soziale Netz kann für mich durchaus sozial sein und tut gut. Oft treffe ich neue Kontakte und sofort haben wir eine Wellenlänge und ein Verständnis. Das Web-Du ist nicht erzwungen, sondern ganz natürlich. Und entgegen der Unkenrufe der extrem weiterbildenden Netzschlechtschreiber werden dort nicht nur peinliche Geheimnisse oder Bilder ausgetauscht. Ja, im sozialen Netz verschwimmen ganz sicher die Grenzen zwischen beruflicher und privater Identität. Genau deshalb ist Ausbildung, ist der bewusste Umgang in sozialen Medien gefragt.
Zurück zum Home Office: Selbstverständlich gibt es auch die Skeptiker. Mähst Du nicht die ganze Zeit den Rasen oder bügelst die Hemden? Der erfolgreiche Heimarbeitsplatz ist eine Kombination von Selbstdisziplin und Vertrauen seitens des Arbeitgebers. Ja, man muss sich selbst organisieren. Man kann aber auch die Flexibilität genießen und sich die Arbeitszeit so einteilen, wie es der persönlichen Work Life Balance entspricht – ich mag das Wort nicht, obwohl mir mein berufliche Bekannter und Freund Henry Walther (Henry, keinen Schreck kriegen) die Balance par excellence vorlebt. Und dies muss nicht zum Nachteil des Arbeitgebers sein, der misstrauisch ist. Natürlich misstrauisch ist, habe ich zuerst geschrieben. Nur weiß ich
nicht, ob dieses Misstrauen natürlich sein muss und man vielleicht als Arbeitgeber besser auf die Leistung schauen sollte.
Doch jetzt genug, das Home Office, der Heimarbeitsplatz, und soziale Medien sind nur ein Bestandteil meines mobilen Lebens. Da gibt es noch mehr, das Arbeiten unterwegs, always on, die neuen Spielzeuge und so weiter. Wenn ich es trotz Jobs trotzdem schaffe – mehr zum mobilen Stefan, der unterwegs in Deutschland oder sonst wo ist, in einem zweiten Posting.
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Home Office
...das kann nur wirklich funktionieren, wenn man auch über den entsprechenden breitbandigen Internetanschluss verfügt. Und gerade das ist im großen Teilen der ländlichen Gebiete eben nicht gegeben.
Ich beobachte schon länger den Trend, dass die Bandbreite in den Ballungszentren immer größer angeboten wird, während sich auf dem Land überhaupt nichts tut. Im Gegenteil, mit neuen Kunde teilt man sich ab seinem Amt die anliegende Bandbreite noch mehr.
Ebenso ist es mit dem Mobilfunknetzen. In den Ballungsräumen immer mehr.
Auf dem Land ist ein kontinuierlicher Empfang im Haus nicht möglich. Muss man mal Mobil telefonieren geht man ins Freie.
Mobiler Arbeitsplatz, Workplace to go
Ja, endlich ein positive Einstellung zum mobilen Arbeitsplatz. Ich hatte auf Einladung der Hochschule München am 18.05.11 einen Impulsvortrag gehalten, exakt zu diesem Thema. Leider war es wohl sehr wenigen Studentinnen und Studenten bewusst, was hier für eine gute Chance ist, den Wandel im Arbeitsleben mit zu gestalten.
Auch wenn manche Netze noch zu langsam und träge sind, um gute Responszeiten zu haben, die Zukunft liegt im mobilen Arbeitsplatz.
Grüße Gitta Reuss
Home Office und Mobilität
Ich möchte dem Verfasser des Artikels vehement widersprechen. Leider gibt es in meinem Unternehmen - ich arbeite für einen weltweiten IT Berater - auch mehr und mehr die Tendenz, alles vom Home Office zu regeln; und das nicht nur in der Entwicklung, sondern auch im Vertrieb. Dabei ist man gerade hier auf die "Soft" Skills der Kollegen in der Beurteilung von Kunden angewiesen; und wer klopft schon all das in ein CRM System - das wir natürlich fleissig füttern -, gerade wenn es sich um brisante Infos handelt. So wird unser Arbeitsleben immer mehr "virtualisert", wobei eben der menschliche Kontakt - neusprech: Face to Face - auf der Strecke bleibt. Meine Meinung: Wir sind von unserem Herkommen her "Herdentiere", soll heissen: Auf den Kontakt mit anderen Menschen - dringend - angewiesen ! Schliesslich ist unser "Bauch" viel älter - und oft zuverlässiger - als unser "Kopf". Wer dauerhaft gegen seine "Natur" als Mensch verstösst, wird mit "Burnout", "Depression" oder Einsamkeit dafür betstraft ! Peter Bonin
Der mobile Mensch: Plädoyer für die sozialen Kanäle
Vor ca. 2-3 Wochen hat die ARD eine Themenwoche zu "Der mobile Mensch" gestartet. Das hat mich dazu veranlasst, das Thema Home Office zu thematisieren. Das Blogpost, das u.a. auch auf Silicon.de erschienen ist, hat durchaus zu Kontroversen geführt. So wird den von mir aufgeführten Vorzügen eines Home Office entgegengestellt, dass wir Menschen Herdentiere sind und den direkten sozialen Kontakt brauchen. Ich widerspreche dem Autor dabei nicht und persönlich versuche ich natürlich, meine Kolleginnen und Kollegen auch direkt zu treffen, um einen Kaffee zu trinken. Doch möchte ich an dieser Stelle einen Stab für die soziale Medien treffen, die durchaus auch einen sozialen Aspekt haben. In Zeiten von Reisebeschränkungen und dezentral arbeitender Teams sind dies Werkzeuge, auf die ich nicht verzichten möchte. Mit vielen Kollegen und Bekannten halte ich Kontakt über soziale Kanäle, über Twitter und Facebook, aber auch über die Tools, die wir in der IBM benutzen. Und dies hat durchaus den sozialen Aspekt der Kaffee-Ecke. Meine Kollegen vom BlueIQ-Team, deren Aufgabe es ist, die interne Adaption von sozialen Werkzeugen in der IBM zu fördern, nennen ihre Onlinetreffen Watercooler-Events ... Also ja, persönliche Treffen sollten wo immer möglich sein, aber "soziale" Kanäle haben durchaus auch eine soziale Funktion!