Die Diskussion um das Ende von E-Mail ist unterdessen nicht mehr neu. Mein Kollege Luis Suarez postuliert nun schon geraume Zeit das Leben außerhalb des E-Mail Posteingangs. Atos verkündet das Ende der internen E-Mail-Nutzung. Doch wir alle müssen uns gegenwärtig sein, dass sich E-Mail und Verhaltensweisen rund um E-Mail in den vergangenen Jahrzehnten eingeschliffen haben und es Zeit brauchen wird, bestimmte Paradigmen zu ändern, und die Rolle von E-Mail neu zu definieren.
Ein wichtiger Aspekt E-Mail zu nutzen, ist E-Mail als persönliche Informationsquelle und Wissensarchiv. Nikos Drakos von Gartner berichtete unlängst von 16 GB persönliche Daten in seiner E-Mail, die auf seinem Rechner sitzen. Ich dürfte mindestens bei der gleichen Menge liegen, wenn ich mir meine Notes-E-Mail-Archive der vergangenen Jahre anschaue. Mittlerweile gibt es Werkzeuge, mit denen man per Volltextrecherche in diese Archive schauen kann. Google’s Desktop Search für Windows-Rechner oder der Spotlight unter Mac OS sind Tools, die ich dazu in den vergangenen Jahren genutzt habe.
Nun bin ich sicher (als jemand der Geschichte studiert hat) ein Sammler, der in hohem Maße davon lebt, einfach und effizient auf Informationen und Wissen zugreifen und dies wiederverwerten zu können. Archive gehören bei mir spätestens seit dem Studium zum Berufsalltag, zuerst die Bibliotheken und Archive an der Universität, das Zeitungsarchiv und die persönlichen Ordner mit ausgeschnittenen und kopierten Artikeln. Dann später mit dem Einzug des Computers wurden dann die Archive zumindest teilweise in die eigene E-Mail und die persönliche Festplatte verlagert.
Immer stand im Vordergrund, persönlich die wichtigen Informationen schnell verfügbar zu haben. Bitte bedenken: Damals war man ganz sicher nicht Always-on, weder im firmeneigenen Netzwerk noch im Internet. Das hat sich massiv geändert. Always-on sein zu können, auf dem Mobiltelefon, dem Tablet oder dem Computer gehört heute fast zur Normalität. Eigentlich muss man also nicht mehr alle Informationen “lokal” speichern. Eigentlich, aber es ist immer noch ein latentes Misstrauen vorhanden, dass das Netz mal nicht verfügbar ist, deshalb speichert man eben trotzdem noch lokal.
Und natürlich will man die Informationen nicht mehr nur auf dem Computer verfügbar haben. Sie sollen auch auf dem Tablet oder dem Smartphone zugreifbar sein. Mobile E-Mail, das heißt die Unternehmensmail auf dem mobilen Gerät abrufbar und dabei zu haben, ist spätestens seit dem Siegeszug des Blackberry Normalität, wobei bei der Nutzung der Kommunikationsaspekt wohl klar im Vordergrund steht. Anders ist es bei Tools wie Evernote oder Dropbox, die Informationen, Notizen und Dokumente zwischen verschiedenen Geräten synchron halten (und gleichzeitig in der Wolke sichern). Hier gibt es unterdessen Tools wie Postbox, mit denen E-Mails zur Aufbewahtung zu Evernote geschickt werden können.
Die gerade genannten Werkzeuge einhergehend mit der Nutzung mobiler Endgeräte – Stichwort Bring your own device (BYOD) – sind ganz sicher eine Herausforderung für IT-Verantwortliche und Unternehmen. Sie sind unter Zugzwang, denn unternehmensrelevante Inhalte in privaten Dropbox- und Evernote-Konten in der Cloud, auf privaten Tablets und Smart Phones, geht eigentlich gar nicht. Die Unternehmens-IT muss schnellstens mit ähnlichen Werkzeugen nachziehen, die einerseits vergleichbaren Komfort bieten, andererseits die spezifischen Sicherheitsanforderungen für Unternehmensinhalte abbilden. Nicht umsonst arbeiten wir auch bei IBM intensiv an solchen Lösungen, unter anderem einem Dropbox für Unternehmen.
Lokal E-Mail-Archive, lokale Festplatten, mobile Endgeräte und Cloud-Speicher sind unterdessen Orte, wo Wissen gespeichert wird. Dabei verschwimmen vor allem durch die Nutzung privater Tablets und Smartphones auch die Grenzen zwischen privater und beruflicher Nutzung, zwischen privaten und beruflichen Daten und Wissen. Jenseits von platten (und nicht funktionierenden) Verboten hilft hier wohl Sensibilisierung und Aufklärung, mit Unternehmensinhalten verantwortungsvoll umzugehen und diese auch nur in Systemen zu speichern, die unter Unternehmenskontrolle stehen.
Neben dieser Frage der sensiblen Unternehmensdaten gibt es sicher weitere wichtige Aspekte. Welche Informationen muss ich wirklich lokal in meinem persönlichen Wissensspeicher, ob nun E-Mail Archiv oder einem sonstigen Repository, vorhalten und welche sind oder bleiben eh im Langzeitgedächtnis des Unternehmens, im Intranet oder in Content-Management-Repositories erhalten? In Zeiten des WWW, der Intranets und der sozialen Tools sollte der bisherige Informationssammler und -Horter vielleicht durch den Informationsjäger abgelöst werden, der Informationen dann “jagt” (und findet), wenn er sie gerade braucht.
Welche Informationen und welches Wissen, das in E-Mails enthalten ist, gehört in das Unternehmensgedächtnis statt in persönliche E-Mail Speicher? Das oben genannte Postbox ist für mich ein Beispiel aus der privaten Nutzung, das zeigt, wie E-Mails (bzw. das darin enthaltene Wissen) aus der Inbox in einen Wissensspeicher weitergegeben (und dabei getaggt) werden können. Ähnliche Funktionen sollten auch im Unternehmensumfeld verfügbar gemacht werden, um E-Mails in das unternehmensinterne soziale Netzwerk, in Wikis oder Blogs, in Unternehmensanwendungen zur Wissensbewahrung, zur weiteren Kollaboration und Bearbeitung zu übergeben.
Das Zeitalter der E-Mail ist nicht nur durch das Senden-Paradigma, sondern auch durch persönliche E-Mail Archive geprägt. Durch den Einfluss der sozialen Tools, durch Twitter, Facebook und YouTube, befinden wir uns derzeit in einem Paradigmenwechsel weg von den persönlichen Informationssilos und Herrschaftswissen hin zum teilen von Informationen und offenen Informations- und Diskussionsnetzen. Dazu mehr in einem folgenden Beitrag.
Dies ist ein erstes Posting zum Thema Zukunft von E-Mail. Ich werde mich in kommender Zeit mit weiteren Aspekten und Perspektiven rund um E-Mail auseinandersetzen.
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