Ein Leben jenseits von E-Mail? Auf dem Weg zum Corporate Facebook

Ich glaube nicht, dass E-Mail verschwinden wird. Es hat als Werkzeug sicher seine Berechtigung in der direkten Kommunikation untereinander. Aber auch ich bin überzeugt davon, dass E-Mail an Bedeutung verlieren wird. Das wird ein sehr langer Prozess werden, denn viele leben in der Tat in ihrem Posteingangskorb. Und diese Komfortzone zu verlassen, fällt wie jeder Abschied von Gewohntem schwer. Nur zu leicht ist der Senden-, Beantworten- oder Weiterleiten-Knopf gedrückt. Ich wünsche mir oft den Buzzer oder Auto-Replyer, wenn ich manch nutzlose Kettenmail erhalte, die viel besser in einem Wiki, Blog oder auf einem schwarzen Brett veröffentlicht würde, aber viele Anwender gerade der E-Mail Generation müssen diesen Weg noch gehen. Und natürlich müssen auch die Empfänger lernen, dass Informationen im sozialen Netzwerk stehen und nicht mehr (oder nur als Kurzhinweis) per E-Mail kommen.

Doch es gibt Hoffnung, denn es ist deutlich zu erkennen, dass (nicht nur) die junge Generation verstärkt Arbeitsformen nutzen will, wie sie sie von der privaten Nutzung des Web 2.0 kennt: wichtige Infos in Wikis und Blogs schreiben statt per E-Mail zu versenden, Lesezeichen gemeinsam nutzen, Dateien, Fotos, Präsentationen online teilen statt E-Mail Postfächer zu verstopfen und so weiter. Das, was man tut, erscheint auf einer Wall, einem River of Information, wie wir es von Facebook her kennen. Und dort tauchen auch die Aktivitäten meiner Freunde auf, mit denen ich vernetzt bin. Dort erscheinen Informationen von den Seiten, deren Fan ich bin. Ich folge dem Fluss an Informationen, passe meinen Informationsfluss an, indem ich bestimmte Infos (und “Freunde”) ausblende, die mich zu sehr nerven und belästigen. Ich “like”, kommentiere dort, wo es mir sinnvoll erscheint und diskutiere mit.

Alles nur pure Zeitverschwendung? Besonders Social Media? Genau wie E-Mail vor 20 Jahren als Zeitverschwendung angesehen wurde. Oder das Internet. Oder Telefonieren. Oder … Ich glaube, solche Aussagen muss man nicht ernsthaft kommentieren.

Kommunikation per Social Media und in sozialen Netzwerken, ob extern mit Kunden und Geschäftspartnern oder intern mit Kollegen, ist oder wird in kürzester Zeit genau wie Telefonieren und E-Mail zu einem ganz normalen Kommunikationsdienst werden und nicht mehr in Frage gestellt werden können. Wer darüber nicht kommuniziert, schneidet sich von seinen Kunden ab.

Social Software für den professionellen Einsatz im Unternehmenskontext bietet heute schon eine Menge: internes Microblogging à la Twitter, Vernetzen mit Kollegen und Gleichgesinnten, Blogs, Wikis, Communities und vieles mehr. Hier sollte man bei der Auswahl darauf achten, echte soziale Tools und nicht mehr schlecht als recht umgemodelte File-Sharing-Plattformen zu nutzen. Die Arbeitsweise mit an Personen orientierter sozialer Software kommt natürlich besonders den Digital Residents entgegen, die sich in ähnlicher Weise schon heute privat in sozialen Netzen bewegen, Informationen freizügig teilen und es gewohnt sind, mit Walls und Streams umzugehen.

Doch auch der nächste Schritt – quasi das NEXT Corporate Facebook – ist nicht weit: Activity Streams, wie sie beispielsweise Ed Brill beschreibt, erweitern das Modell der Wall oder des River of Information. Im Gegensatz zu einer Facebook Wall laufen aber in Activity Streams Informationen und zu erledigende Aufgaben aus der Berufswelt zusammen. Es ist eine Transaktion aus SAP, die bearbeitet werden muss, eine Rechnung, die geprüft werden muss, oder eine Spesenabrechnung. Es kann eine Nachricht vom Anrufbeantworter sein, eine E-Mail oder eine Benachrichtigung aus dem CRM-System, dass ein Kunde ein Angebot möchte oder eine Beschwerde hat. Der Anspruch ist, dass die tägliche Arbeit, die man als Person im Unternehmenskontext zu erledigen hat, in einem solchen Activity Stream konsolidiert wird.

Jedoch geht das Konzept über das reine Lesen, das “Liken” oder Kommentieren von Beiträgen hinaus. Schon heute werden Benachrichtigungen über zu erledigende Aufgaben per E-Mail verschickt. Man klickt auf den in der E-Mail enthaltenen Link, wird zum jeweiligen Programm oder zur Webseite weitergeleitet, in dem man die Aufgabe bearbeiten soll. Programm oder Webapplikation werden gestartet und dann kann die Task erledigt werden. Der Anspruch der Activity Streams ist dagegen sogenanntes Inline Editing, d.h. die Aufgabe soll direkt im Activity Stream erledigt werden können, ohne dass die zugehörige Anwendung separat gestartet werden soll. Und genau das wäre sicher eine deutliche Arbeitserleichterung und Zeitersparnis.

Wird jeder mit solchen Activity Streams arbeiten? Ich denke nicht. Jedoch wird es vielen Büroarbeitern, die mit unterschiedlichen Informationsquellen und Anwendungen agieren müssen, dabei helfen, produktiver zu arbeiten. Ich persönlich kann mich mit dem Gedanken sehr wohl anfreunden, da ich einerseits viele unterschiedliche Aufgaben, Quellen und Programme nutze, andererseits sehr teamorientiert mit Anderen zusammenarbeite und viele Informationen teile und mitteile. Für diese Art der Arbeit scheinen mir Activity Streams ein hervorragendes Werkzeug zu sein, das mir das Leben einfacher macht. Und einen wesentlichen Aspekt der Vision sollte ich nicht vergessen werden: Die Activty Streams müssen auch auf mobilen Endgeräten verfügbar sein, so dass ich von Blackberry, iPad und Android aus mit und in den Streams arbeiten kann. Nicht nur die Tage der absoluten Dominanz von E-Mail sind gezählt. Auch die Tage des monolithischen Arbeitsplatzes, der nur unter Windows auf dem Firmen-PC und Notebook läuft, neigen sich unaufhaltsam dem Ende zu.

Silicon-Redaktion

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  • Enterprise 2.0
    Ein guter Überblick über künftige Entwicklungen, mit denen sich Unternehmen langsam auseinandersetzen müssen.

  • Am Ende?
    Na dann viel Spass beim Backup und Durchsuchen der auf diesen Wegen gesendeten geschäftsrelevanten Mitteilungen, die gemäß gesetzlicher Rahmenbedingungen revisionssicher aufzubewahren sind!

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