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Elektronische Gesundheitskarte: Der Rückzug in die Offline-Welt ist keine Lösung!

Stellen wir uns vor, wir würden ins Geschäft mit Tablet Computern einsteigen: Welche Funktionen müsste unser Produkt mindestens haben, um vom Markt akzeptiert zu werden? Online-fähig müsste das Gerät natürlich sein und zentrale sowie dezentrale Speichermöglichkeiten bieten. Auch Datenaustausch sollte möglich sein, damit ich mit den von mir vorgesehenen Personen wichtige Daten abgleichen kann.

Die elektronische Gesundheitskarte unterliegt nicht den Mechanismen des Marktes – zum Glück, denn sonst würde sie sehr schnell verschwinden. Inzwischen haben fast alle gesetzlich Versicherten in Deutschland die Karte von ihrer Krankenkasse erhalten. Das Problem ist: Sie unterscheidet sich in der Funktionalität nicht von ihrer Vorgängerin. Beide Karten speichern eine Reihe von Grunddaten des Versicherten und mehr nicht. Würden allein Ärzte und Krankenkassen über das Schicksal der elektronischen Gesundheitskarte entscheiden – in der aktuellen Variante würde diese nicht überleben, da sie keinen Mehrwert bietet. Auch für Patienten gibt es bei Umgang und Nutzen der Karte im Moment keinen Unterschied.

Dabei wurde bereits viel in die Karte investiert: Laut einer Pressemitteilung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen haben der Aufbau der Telematik-Infrastruktur und die Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte bereits rund 800 Millionen Euro gekostet, allerdings ohne dass ein messbarer Nutzen dagegen steht.

Die Verantwortung tragen – so der Verband – Teile der Leistungserbringerorganisationen, also die Ärzte-, Zahnärzte- und Apotheker-Verbände. Und in der Tat hat die Bundesärztekammer bei ihrer Jahrestagung 2013 erneut ihre Ablehnung der elektronischen Gesundheitskarte in der aktuellen Form bekräftigt und damit dazu beigetragen, dass die Karte derzeit das Attribut “elektronisch” nicht verdient.

Die Kartengegner führen eine Reihe von Argumenten ins Feld: So befürchtet die Ärztekammer unter anderem, dass die Krankenkassen bei einer digitalen Vernetzung den Arztpraxen immer mehr Bürokratie aufbürden, um dadurch die eigenen Arbeitsprozesse zu verschlanken. Der Hauptkritikpunkt allerdings ist die Datensicherheit. Aus Sicht der Bundesärztekammer wäre eine zentrale Ablage der Patientendaten zu unsicher und das Schutzniveau entspricht möglicherweise nicht der Sensibilität der betroffenen Daten.

In Zeiten von NSA-Affäre, E-Mail-Datendiebstählen und Angriffen auf kritische und persönliche Informationen ist dies ein schwerwiegendes Argument. Allerdings sollten wir das Thema differenzierter und vor allem nüchtern betrachten: Die Tatsache, dass Daten im Internet gestohlen werden können, darf nicht dazu führen, reflexartig den Zugang zum Netz zu sperren und isolierte Insellösungen zu entwickeln. Der Rückzug in die Offline-Welt ist keine langfristig sinnvolle Lösung, denn auch die beim Leistungserbringer gespeicherten Daten sind nicht absolut sicher.

Im Fall der elektronischen Gesundheitskarte birgt die genau definierte Bereitstellung bestimmter Daten an einen definierten Personenkreis besonders für die medizinische Versorgung unschätzbare Vorteile – von der verstärkten und vereinfachten Zusammenarbeit der Leistungserbringer untereinander bis hin zu neuen Erkenntnissen in der Forschung. Die demographischen Prognosen für Deutschland zwingen uns förmlich dazu, diese Potenziale zu heben, um den Stand der medizinischen Versorgung zu erhalten und zu verbessern.

Der Frage des Datenschutzes können und müssen wir natürlich begegnen. Eines vorweg: Absolute, vollständige Sicherheit für Daten gibt es nicht und kann es nicht geben. Die verfügbaren Schutzsysteme bieten jedoch unterschiedliche Intensität: Je sensibler die Daten sind, desto höher muss das Schutzniveau sein – hierfür existieren entsprechende Best Practices, Erfahrungen und Zertifizierungen. In vielen Bereichen der Wirtschaft werden diese Sicherheitskonzepte bereits erfolgreich angewendet, gerade auch mit sensiblen und kritischen Daten. Warum also sollte dies bei der elektronischen Gesundheitskarte nicht funktionieren? Bereits die mehrmalige Sicherung der Datenverbindung, beispielsweise vom Arzt zur Krankenkasse über die Telematik-Infrastruktur, bringt einen hohen Sicherheitsgewinn für alle Beteiligten.

Eines der Ziele der elektronischen Gesundheitskarte ist die digitale Patientenakte. Sie soll beispielsweise eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Krankenkassen und anderen Leistungserbringern ermöglichen sowie Versicherten die Möglichkeit geben, ihre Daten einfach einsehen zu können. Das Gegenargument an dieser Stelle ist, dass gerade ältere, gebrechliche und kranke Menschen die Karte nicht sicher nutzen können, besonders wenn sie sich PIN-Codes merken und eingeben müssen. Aber auch das ist kein belastbares Argument. Schon heute haben nahezu alle Erwachsenen eine EC-Karte, die ebenfalls mit PIN-Code funktioniert. Patienten, die gewisse Mehrwertdienste nicht in Anspruch nehmen können oder wollen, behalten die bisherigen Abläufe bei und müssen die Funktionen in Verbindung mit PIN-Code nicht nutzen. Die Ausgabe von Kreditkarten wird ja auch nicht gestoppt, nur weil es Menschen gibt, die lieber mit Bargeld bezahlen.

Die elektronische Gesundheitskarte muss mit vernetzten Mehrwertdiensten ausgestattet werden – die Parteien der Selbstverwaltung und der Industrie müssen sich hier einigen. Wenn dies nicht gelingt, ist nicht nur die Investition in die bisherige Infrastruktur verloren, sondern auch der Glaube an die Innovationskraft der Gesundheitswirtschaft in Deutschland.

Redaktion

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  • Also... das "der Glaube an die Innovationskraft der Gesundheitswirtschaft in Deutschland" verloren geht , möchte ich nicht bestätigen.
    Zumindest den Kassen fällt laufend etwas neues ein um Zahlungen zu verzögern.
    Schon der Begriff "Gesundheitswirtschaft" zeigt das die Beteiligten letzlich darauf aus sind, Kohle zu machen.
    Und das zu Lasten des Patienten.
    An gesunden Menschen lässt sich halt auch nichts verdienen...

  • Manche Daten werden erst dann wertvoll, wenn sie mit anderen Daten zusammen auf einem Haufen liegen. Sprich, sie erreichen unter anderem statistische Relevanz. Daten in einer Arztpraxis erlauben dem Arzt Einblicke in seinen Patienten, dazu bekommt er Arztbriefe von Mit-Behandlern.
    Dezentral bleiben die Daten näher beim Hausarzt und seinem Patienten.
    Benefits von der elektronischen GK für diese beiden kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

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