Die Erwartungen an derartige Systeme sind riesig. Zwei der am häufigsten genannten Punkte sind erstens eine schnelle Einführung mit geringem Aufwand und zweitens die ständige Verwendung der jeweils aktuellen Version durch automatische Upgrades, am besten mehrfach jährlich.
Interessanterweise haben beide Punkte nur wenig mit den Systemen an sich zu tun, und schon gar nicht damit, ob es sich dabei um “echte SaaS” handelt oder nicht. Viel wichtiger ist der Umgang damit, wie sie eingeführt und verwendet werden.
Anstatt lange vor einer großen Kiste von Bausteinen, Modulen usw. zu sitzen und sich zu überlegen, wie man denn jeden einzelnen Geschäftsprozess gerne gestalten würde, geht SaaS davon aus, dass man das System so einsetzt, wie es entworfen wurde und konfiguriert ist. Das setzt allerdings einen grundlegenden Wandel bei den Anwendern voraus: Statt zu fragen, wie man eine anstehende Geschäftstätigkeit unterstützen könnte, sollte man zu der Frage übergehen: warum nicht so? Nur wer bereit ist, Prozesse weitestgehend zu standardisieren, statt nach Individuallösungen zu suchen, wird schnellere Einführungszeiten erreichen können.
Dazu sollte man natürlich ein System auswählen, das möglichst gut zu den eigenen Anforderungen passt. Nicht umsonst muss man manchmal viele Schuhe anprobieren, bis man ein Paar findet, das wie angegossen passt. Und Einlaufen gibt es bei ERP nicht! SaaS ERP anzupassen, ist in vielen Bereichen schlicht nicht möglich, da der Anbieter Änderungen an der Kernfunktionalität weitgehend unterbindet. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass es gar nicht so viele “echte” SaaS ERP-Systeme gibt.
Auch das System permanent auf dem neuesten Stand zu haben, ist Fluch und Segen zugleich. Nur wenige Firmen sind darauf vorbereitet, dass sich ihr Kern-ERP-System mehrmals im Jahr ändert. Automatisierte Test-Routinen, beispielsweise für Interfaces und kritische Funktionen, sind so wichtig wie die Aktualisierung von Zertifizierungen mit dem neuen Software-Stand, um das Risiko zu minimieren.
Doch um die automatischen Upgrades in echten Nutzen zu übersetzen, benötigt es eine Kultur der permanenten Prozessoptimierung. Es ist nicht einfach, aus dem Wust an Änderungen, die meist von anderen Anwendern vorgeschlagen oder gar gestaltet wurden, die für sich relevanten und erfolgversprechenden herauszufinden. Noch schwieriger ist es, mehrmals im Jahr die Geschäftsprozesse zu analysieren und dort zu optimieren, wo das System neue Möglichkeiten eröffnet. Wozu sollte man technisch ständig auf dem neuesten Stand sein, wenn das keinen echten Geschäftsnutzen bringt?
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Dies ist ein guter Beitrag; allerdings hätte ich mir etwas mehr Kritik gewünscht:
1. Seit Jahrzehnten wird immer in Forschung und Lehre propagiert: "Prozesse vor Anwendung". Hier wird das Ganze auf den Kopf gestellt. Zählen nun die Geschäftsprozesse nichts mehr ? Wird IT zum "zentralen Vorgeber" und verliert die Rolle eines "Dienstleisters" ?
2. Standardprozesse sparen zwar Geld, aber dafür muss man die internen Geschäftsprozesse umbauen. Im Rahmen eines Outsourcing muss man zudem an intensive Kontrollprozesse denken. All dies kostet Geld und hebt den preislichen Nutzen häufig auf.
3. Eingekaufte Anwendungen mit Betriebsfunktionalität sind als Auslagerungen anzuschauen. Sie unterliegen somit §25a KWG, SolvV ... Jährliche aufsichtsrechtliche und auch revisorische Prüfungen kontrollieren dies oder sollten es zumindest kontrollieren. Die Abhängigkeit ist erheblich groß, wenn man zudem seine internen Prozesse an proprietären Anwendungen auszurichten hat. Ein Wechsel (-> "Exit") wird erheblich erschwert.
4. Durch Standardprozesse spart man sich zwar Geld, aber andererseits ist ein Individualprozess ein "Unterscheidungsmerkmal" zwischen den verschiedenen Institutionen. Wie sollen sich dann die Firmen, Banken, Versicherungen ... voneinander differenzieren ? Auch orientieren sich Individualprozesse an den individuellen Gegebenheiten und motivieren die Mitarbeiter.
5. "Systeme" und "Prozesse" stellen wichtige "Risikoobjekte" dar, die sog. Risikoanalysen unterworfen werden müssen. Auch das Risiko der laufenden "Changes" muss analysiert werden. Bevor also solch ein ERP-System angeschafft wird, sollte man Risikoinventuren durchführen. (-> KonTraG, ISO 31000 etc.)
Sehe ich dies zu kritisch ? Über Anregungen und einen Info-Austausch würde ich mich freuen.
Noch ein weiterer Punkt: Die IT-Landschaft besteht nicht nur aus EINER ERP-Anwendung. In größeren Institutionen hat man mit hunderten von Anwendungen "zu kämpfen". All diese Anwendungen haben Schnittstellen, gemeinsame Datenbestände auf die sie zurückgreifen und müssen zusammenarbeiten können. Hier werden in Zukunft vermehrt Probleme auf die Firmen zukommen, wenn Standardanwendungen eingekauft werden, deren Flexibilität und Änderungskapazitäten gering sind und die teilweise sogar bestimmte Datenstrukturen verlangen. Wenn dann auch noch jährlich in mehreren Changes neue Versionen auf den Markt kommen, die nicht nur Prozessanpassungen und Schulungen notwendig machen, sondern auch notwendige (Integrations-) Testläufe initiieren, so stellt dies die Institutionen vor große Herausforderungen und verzögert die Neueinführung von neuen Versionen. Ich denke, dass dies auch ein Grund dafür ist, warum so viele Institutionen noch Win XP besitzen ;-)
Ich finde den Artikel gut allerdings geht der Autor nicht auf die möglichen Anwendungsfälle von SAAS ein. Er ignoriert all die Unternehmen für die ERP-SAAS funktioniert. Stillschweigend geht er von einem großen, alteingesessenen Unternehmen mit komplexen betriebswirtschaftlichen Prozessen und einer ebenso komplexen IT aus. Es ist offentsichlich das ERP as a Service in dieser Welt nicht einsetzbar ist. Der Artikel lässt den überwiegenden Teil der Unternehmenslandschaft unter den Tisch fallen.
Anstatt sich darüber zu streiten warum ERP as a Service in einigen Bereichen nicht einsetzbar ist, könnte man Zeit und Gedankenkraft dazu nutzen sich zu überlegen welche Betriebe ERP as a Service sehr gut einsetzen können.
Hallo Peter,
Nein, ich glaube nicht das die Betrachtung zu kritisch war.
Im Gegenteil – da geht noch viel mehr.
Was heißt das denn praktisch:
Da werden doch die Standards als solche wiederum geändert. Und weiterhin als ‚Standard‘ bezeichnet. Das heißt auf die eingangs gestellte Frage genügt nicht die eine Antwort ‚Geht‘, sondern ggf. mehrfach im Jahr muss hier erneut analysiert und angepasst werden. Fällt möglicherweise eine grundlegende Funktionalität nach einem weg, bin ich sogar gezwungen zu reagieren, ob mir das nützt oder nicht.
Um das Bild des Schiffs mal wieder zu strapazieren:
Auf der Brücke kommen die Informationen diese Artikels sicher gut an. Wer aber im Maschinenraum arbeitet, wird nur den Kopf schütteln. Der damals angeschaffte Schiffsdiesel (z.B. SAP) ist doch heute schon kaum noch wieder zu erkennen, da so viele Zusatzaggregate angebaut wurden (Customising).
Das wurde allerdings Zielorientiert aufgrund der Anforderungen der Geschäftsprozesse durchgeführt. Hier nun bedeutet Zielorientiert, dass man das zur Verfügung stehende ‚Stahlkorsett‘ (Standard Prozess) versuchen muss möglichst vollständig auszufüllen – sonst entsteht kein echter Nutzen beim ERP as a Service.
Und hier frag ich mich, WER? denn diese riesigen Erwartungen hat? Der Hersteller?? Und auch die 2 am häufigsten genannten Punkte sowie mehrfach jährliche automatische Upgrades verwundern mich.
Das sind Erwartungen, die ich bei der Einführung einer Textverarbeitung haben kann – aber nicht bei einem ERP System.
Und wenn ich am Ende mal das Beispiel mit den Schuhe aufgreife: Wenn ich endlich ein Paar gefunden habe dann kann es trotzdem nach einem halben Jahr vorkommen, dass ich rechts eine Einlage benötige – und das genau geht hier nicht.
Da muss ich mir höchstens die Frage gefallen lassen: Warum nicht mal ohne probieren?
Erneut geschickt, da vorher einige Passagen durch Sonderzeichen nicht gezeigt wurden. Dieser Satz kann dann gelöscht werden :)
Hallo Peter,
Nein, ich glaube nicht das die Betrachtung zu kritisch war.
Im Gegenteil – da geht noch viel mehr.
Was heißt das denn praktisch:
"Noch schwieriger ist es, mehrmals im Jahr die Geschäftsprozesse zu analysieren und dort zu optimieren, wo das System neue Möglichkeiten eröffnet."
Da werden doch die Standards als solche wiederum geändert. Und weiterhin als ‚Standard‘ bezeichnet. Das heißt auf die eingangs gestellte Frage "Warum nicht so?" genügt nicht die eine Antwort ‚Geht‘, sondern ggf. mehrfach im Jahr muss hier erneut analysiert und angepasst werden. Fällt möglicherweise eine grundlegende Funktionalität nach einem "automatischen Upgrade" weg, bin ich sogar gezwungen zu reagieren, ob mir das nützt oder nicht.
Um das Bild des Schiffs mal wieder zu strapazieren:
Auf der Brücke kommen die Informationen diese Artikels sicher gut an. Wer aber im Maschinenraum arbeitet, wird nur den Kopf schütteln. Der damals angeschaffte Schiffsdiesel (z.B. SAP) ist doch heute schon kaum noch wieder zu erkennen, da so viele Zusatzaggregate angebaut wurden (Customising).
Das wurde allerdings Zielorientiert aufgrund der Anforderungen der Geschäftsprozesse durchgeführt. Hier nun bedeutet Zielorientiert, dass man das zur Verfügung stehende ‚Stahlkorsett‘ (Standard Prozess) versuchen muss möglichst vollständig auszufüllen – sonst entsteht kein echter Nutzen beim ERP as a Service.
Und hier "Die Erwartungen an derartige Systeme sind riesig." frag ich mich, WER? denn diese riesigen Erwartungen hat? Der Hersteller?? Und auch die 2 am häufigsten genannten Punkte "schnelle Einführung" sowie mehrfach jährliche automatische Upgrades verwundern mich.
Das sind Erwartungen, die ich bei der Einführung einer Textverarbeitung haben kann – aber nicht bei einem ERP System.
Und wenn ich am Ende mal das Beispiel mit den Schuhe aufgreife: Wenn ich endlich ein Paar gefunden habe dann kann es trotzdem nach einem halben Jahr vorkommen, dass ich rechts eine Einlage benötige – und das genau geht hier nicht.
Da muss ich mir höchstens die Frage gefallen lassen: Warum nicht mal ohne probieren?
ERP in Deutschland ist genauso heterogen wie die Unternehmenslandschaft - geprägt durch eine mittelständische Wirtschaft, die in erheblichem Umfang vom Wirtschaften in der Nische lebt. Und das drückt sich auch beim ERP-Betrieb aus. Also werden die Prozesse für jede Nische passend gemacht, mehr oder weniger intelligent.
Der ERP-SaaS-Markt ist aus meiner Sicht eines ERP-Herstellers auch im Jahr 2014 kaum relevant. Zwar brummen Cloud-Betriebsmodelle, aber nur dann, wenn die Server in Deutschland stehen und innerhalb der Installation wiederum beliebig individualisiert werden kann. Also nicht ganz die Marktsituation, die uns die Analysten seit Jahren vorhersagen.
Und der grösste Trugschluss liegt in dem Satz: "Statt zu fragen, wie man eine anstehende Geschäftstätigkeit unterstützen könnte, sollte man zu der Frage übergehen: warum nicht so?" Das könnte intelligent gedacht sein, setzt aber voraus, dass die Standardsoftware überhaupt eine Lösung beinhaltet. Das aber ist zu selten der Fall.
Deutschland hat nach meiner persönlichen Einschätzung den höchsten Reife- und Abdeckungsgrad bei Geschäftsprozessen mit ERP weltweit. SaaS kann also nur dann funktionieren, wenn der Anwender wie unsere angelsächsichen Freunde in bestimmten Teilen einfach auf "manuellen Betrieb" und Excel umstellt.