Unter allen Erklärungsversuchen gefällt mir folgender am besten: Beide Begriffe beinhalten die Modernisierung und das Erweitern von Wertschöpfungsketten. Aber während sich die Digitalisierung meist auf eine technologische Sichtweise fokussiert, steht bei Industrie 4.0 die Veränderung der Prozesswelt in den Industrien im Vordergrund. Die industriegetriebene Sichtweise ist wichtig, um die fundamentalen Veränderungen, die die neuen Technologien ermöglichen, in Einklang mit den erweiterten Industrietrends zu bringen.
Dabei ist es bedeutend zu betonen, dass Unternehmen Industrie 4.0 nicht nur als Optimierungswerkzeug sehen dürfen, sondern dass sich großes Potential hinter der Vernetzung von Geräten und Prozessketten verbirgt. Mitunter über Unternehmens- oder sogar Industriegrenzen hinweg. Damit das nicht im endlosen Chaos endet, müssen sich Unternehmen und Anbieter von Lösungen intensiver mit dem Thema Datenaustausch beschäftigen (ohne den die Vernetzung ja keinen großen Sinn ergibt).
Folgende Grafik stellt ein vereinfachtes Modell dar, mit dem man das Thema breit diskutieren kann. Ich habe es in vielen Kundengesprächen erfolgreich eingesetzt, und vielleicht hilft es ja auch dem Leser dieses Blogs.
Vier Szenarien sollte die Diskussion um ein Datenmodell mindestens beleuchten:
Frei verfügbare Daten: Mitunter kann es für Unternehmen hilfreich sein, Daten (eigene Research, Erfahrungen, Informationen) frei zur Verfügung zu stellen. So können andere Unternehmen, Universitäten oder Start-ups auf diese Daten aufbauend eigene Erkenntnisse gewinnen und verwerten. Das kann dann zu weiteren Innovationen führen, die die Industrie als solche weiter nach vorne bringt, wovon wiederum das eigene Unternehmen profitiert.
Daten zur Kommerzialisierung: Es wird aber auch Daten geben, die als werthaltiger eingestuft werden – Daten, die das Unternehmen zwar weitergeben will, aber nur, wenn es dafür einen Gegenwert erhält. Dies können zum Beispiel andere Daten oder auch Geldleistungen sein. Der Datenaustausch kann über verschiedene Partner stattfinden und zuletzt in einem Datenmarktplatz abgewickelt werden, wie es der Industrial Data Space. Ein Beispiel für einen ersten Schritt in diese Richtung wäre zum Beispiel die Vernetzung von Werkzeugmaschinen verschiedener Unternehmen. Die Daten werden zwischen den Partnern oder sogar direkt zwischen den Maschinen ausgetauscht und beide Parteien können so die Parametrisierung ihrer Maschinen weiter optimieren (vgl. hierzu Schaeffler/DMG Mori).
Unternehmensdaten: Dann gibt es noch wettbewerbsentscheidende Daten, die Unternehmen auf keinen Fall mit anderen teilen wollen. Zum Beispiel Daten über Effizienz von Fabriken und Prozessen, die ein Wettbewerbsvorteil sein können oder über Lizenzrechte außerordentlich geschützt werden müssen.
Private Daten: Und natürlich muss man in einem Datenaustauschmodell auch die privaten Daten berücksichtigen, und die vielen Regularien, die dafür zu beachten sind (vgl. auch GDPR).
Unternehmen, die Partnerschaften im Sinne von Industrie 4.0 anstreben, müssen sich Gedanken machen, welche und wie viele Daten sie bereit sind zu teilen; und welche Daten – beziehungsweise welchen anderen Gegenwert – sie dafür bekommen wollen. Jede Schicht in einem Datenmodell braucht unterschiedliche Sicherheitsmechanismen, und die Datenstrukturen müssen in Datenbanken und Applikationen anwendbar und zugänglich sein.
Das Team der deutschen Gartner-Analysten bloggt für Sie auf silicon über alles, was die IT-Welt bewegt. Mit dabei sind Christian Hestermann, Frank Ridder, Bettina Tratz-Ryan, Christian Titze, Annette Zimmermann, Jörg Fritsch und Hanns Köhler-Krüner.
Ein erfolgreiches Ökosystem im Sinne von Industrie 4.0 braucht ein faires “Geben und Nehmen” zwischen Partnern – eine so genannte Daten-Governance, wie sie Gartner beschreibt (vgl. Industry Data Governance Is Key to Developing a Smart City Platform), kann dies ermöglichen.