Am 4. Juli hat die Ankündigung eines neuen Teilchens die Physikwelt in helle Aufregung versetzt. Das sogenannte Higgs-Boson wird bereits seit Mitte des letzten Jahrhunderts vermutet, und seitdem wird versucht, es nachzuweisen. Sollten sich die Ankündigungen bewahrheiten, dann wird sich das Teilchen genau dort in das Standardmodell der Elementarteilchenphysik einordnen, wo es vermutet wurde. Bisher gab es eben nur diese Vermutungen, und jetzt sollen die Beweise erbracht werden.
Ob es wirklich so ist, wie die Theorie bislang angenommen hat, oder es sich in der Praxis etwas anderes ergibt, wird in den einschlägigen Foren schon heftig diskutiert – und die Diskussion wird nach den entsprechenden Ankündigungen mit Sicherheit noch eine Weile weitergeführt werden. Spannend ist, dass dabei die Theorie schon seit Jahrzehnten sagt, dass es dieses Higgs-Teilchen geben soll, doch Versuche es bisher noch nicht nachweisen konnten.
Dies ist mit Sicherheit eine Sensation für die Physik, dennoch wird es wohl kaum die Welt grundsätzlich aus Ihren Angeln heben oder weitreichende Folgen für unseren Alltag haben. Ähnlich geht es oft in der IT-Technologie zu. Immer wieder werden neue Technologien entwickelt, ausprobiert und dann auf die Welt losgelassen, ohne jedoch einen ersichtlichen geschäftlichen Wert in sich zu tragen.
Immer wieder wird gefragt, welche neueste Technologie denn zu installieren sei. Was in diesen Fragen fehlt, ist jede gesunde Einstellung zum Verwendungszweck oder dem wirtschaftlichen Nutzen. Forschung und Innovation sind wichtige Grundlagen zur Weiterentwicklung, aber die Verwendung der neuesten Technologien in einem geschäftlichen Umfeld muss auch mit einem Ziel verbunden sein. Ein Ziel, das dem Unternehmen hilft, die eigene Position zu stärken.
Deshalb ist es wichtig, sich vorher Gedanken zu unternehmerischen Zielen und Vorstellungen zu machen, einen Plan festzulegen und erst danach zu schauen, welche Technologie diese Pläne unterstützen kann. Auch hierbei gilt immer wieder, flexibel zu sein, die eigenen Methoden und Ziele zu überprüfen und manchmal auch kleinere Umwege in Kauf zu nehmen, aber das Ziel muss vor der Technologie stehen. Das gleiche gilt natürlich auch bei der Entwicklung von neuen Technologien. Auch hier ist es wichtig, den Blick über den Tellerrand zu wagen und zu schauen, wofür man diese denn einsetzen könnte.
Bei Higgs’ Teilchen war es nicht anders. Das Ziel stand vor Augen, und es musste nur noch herausgefunden werden, wie man es nachweisen und dann beweisen kann. 40 Jahre hat man geforscht und gesucht, und nun ist es so weit… fast, denn ein Paar Beweise fehlen noch.
Unternehmen, die auf die neueste Technologie setzen, sollten sich vorher gut überlegen, welche Pläne Sie verfolgen, welche Möglichkeiten sie haben und welches “Teilchen” in ihrem Modell noch fehlt, um ihr Bild komplett zu machen. Dann steht auch die IT einer Weiterentwicklung nicht im Wege, sondern unterstützt diese aktiv und innovativ.
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... oder weitreichende Folgen für unseren Alltag haben.
Ui, da lehnt sich aber jemand weit aus dem Fenster! Wie kommen Sie zu dieser Schlussfolgerung? Habe Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie viele Produkte in der IT - um bei Ihrem Vergleich zu bleiben - auf Grundlagenforschung basieren, ohne dass man schon von vornherein wusste, was daraus einmal entstehen könnte?
Und dann der Vergleich zwischen Grundlagenforschung und Produktentwicklung in der IT - da spare ich mir jeden Kommentar und belasse es bei einem Kopfschütteln.
Hallo Herr Stephan
Danke für Ihren Kommentar. Mit Sicherheit gibt es auch in der IT viele sinnvolle und gut geplante Grundlagen Forschung und viele der heutigen Errungenschaften in z.B. Netzwerk Technologie oder Architekturen wären sonst nicht möglich gewesen.
Gleichzeitig kommen aber immer wieder Produkte auf den Markt bei denen sich selbst die Entwickler im nachinein abfragen wozu das eigentlich gut sein soll oder wo die Zielgruppe ist.
Wogegen ich mich wehre ist das sinnlose entwickeln ohne Idee, ganz anders als bei der Grundlagenforschung, wo das Higgs Bosun schon seit Jahrzehnten vermutet wurde, aber jetzt erst bewiesen werde konnte.
Mit freundlichem Gruss
Hanns Köhler-Krüner
Nun, die Entdeckung des Higgs mag für den naturwissenschaftlichen Laien oder Gelegenheitsphysiker keinen großen Wurf darstellen - wurde es doch von einer der wichtigsten Theorien vorausgesagt, die nun aller Vorraussicht nach - quasi "nebenbei" - an Konturen / Gewicht gewinnt.
Einerseits ist die Entdeckung des Higgs nur eine der ersten Aufgaben, einen allerersten Schritt die sich das CERN stellte und für das es erbaut wurde - darüberhinaus bietet die Experimentalanlage eine Arbeitsplattform für eine Vielzahl weiterer, bisher experimentell nicht klärbarer Naturzusammenhänge - andererseits dürfte es sehr wahrscheinlich auch eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zu bisher nicht vorhergesagten Zusammenhängen bringen.
Unbestritten dürfte wohl auch sein, das bereits die heutige Technologie, insbesondere auch die IT, von ebenden Erkenntnissen ebendieser naturwissenschaftlichen Disziplinen - vor allem aber aus diesen erwachsenen wie diese begründenden vergleichbaren Experimenten nicht nur profitierte, sondern ohne diese womöglich gar (noch) nicht denkbar wäre und mich würde doch sehr wundern, wenn diese Entwicklung künftig nicht mehr gemeinsame Wege gehen würde. Das die Mehrheit der Menschheit dabei nicht einmal annähernd versteht, wie diese Technologie funktioniert, bleibt eine ganz andere Frage...
Probleme - oder besser: zu bewältigende Aufgaben erwarten die Menschheit heute wie künftig wohl mehr als so manch einem lieb sein dürfte - vor allem bzgl. begrenzter Ressourcen auf der Erde.
Wir oder unsere Nachfahren werden künftig auch nicht umhin kommen das nähere (oder gar fernere All) zu erschließen, zu bereisen bzw. zu besiedeln - hierfür sind grundlegend neue Technologien erforderlich, deren Grundlage wiederum nur tiefgreifend neue Erkenntnisse über unsere Natur möglich machen kann.
Ergo: Wir haben gar keine andere Wahl als die Grundlagenphysik mit all unseren Möglichkeiten voranzutreiben - wer diese bis heute als eine Art "nerdige Spielerei" abtut, hat weder die Situation der Menschheit begriffen noch verstanden, was am CERN überhaupt erarbeitet wird bzw. werden soll.
So manches Mal würde ich mir ebendiese, oder zumindest annähernde "Tiefe" der Betrachtungen auch in der IT-Branche wünschen, denn die - so mein Eindruck - scheint dort die Ausnahme.
Sehr geehrter Herr Dettenbach
vielen Dank für Ihren Kommentar. Mir geht es wie Ihnen. Ein tieferer Blick, eine Weitsichtigkeit und langfristige Planungen sind eine Grundlage erfolgreicher IT Projekte. Leider bleiben zu viele an der Oberfläche stecken und werkeln immer wieder an den Symptomen herum anstatt an den Ursachen zu arbeiten.
Dies gilt in meinen Augen nicht nur für IT, sondern, wie von Ihnen schon gesagt auch für viele andere Probleme, die es gilt an zu packen. Da hilft kein kurzfristiges Denken, oder Mal irgendwas machen / entwickeln, sondern nur eine ordentliche Grundlagenforschung und ein deutliches Ziel vor Augen.
In diesem Sinne, einen herzlichen Gruss
Mit freundlichen Grüßen
Hanns Köhler-Krüner
Mir ist gerade irgendwie völlig unklar, wo die vielen mehr oder weniger kostspieligen und ebenso mehr oder weniger sinnvollen Gartner-Studien 'einen ersichtlichen geschäftlichen Wert in sich zu tragen', also mal abgesehen von dem 'offensichtlichen geschäftlichen Wert' für die Gartner-Group selbst.
Wer im Gartner-Glashaus sitzt sollte nicht mit Higgs-Bosonen werfen !
In diesem Sinne :) Herzlichen Glückwunsch an das CERN-Team.
Bei Cern handelt es sich um Grundlagenforschung, die naturgemäß kurzfristig wenig bringt. Auf lange Sicht jedoch eröffnen sich uvor ungeahnte Möglickeiten. Genaue Kenntnis der Eigenschaft des Higgs-Bosons könnte zu einem besseren Verständnis der Gravitation führen und letztendlich auch die Frage entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen es in einigen Jahrzehnten z.B. vielleicht möglich ist, "Antigravitation" zu erzeugen. Die Erfahrung zeigt, dass sich der Nutzen von Grundlagenforschung kaum abschätzen lässt und Anwendungen erst nach einigen Jahrzehnten realisiert werden.