Die Untersuchung zeigt: Die Deutschen sind drauf und dran, ihr Mobilgerät zur bevorzugten Schnittstelle ins Internet zu machen. Morgens am Frühstückstisch checken sie die Nachrichten und E-Mails auf dem Smartphone, abends liegt das Tablet griffbereit auf der Sofalehne. Der PC wird allenfalls in der Arbeit genutzt oder für digitale Behördengänge und die Bezahlung größerer Anschaffungen.
Diese Veränderung der Gerätenutzung spiegelt sich in den Marktprognosen der Analysten wider. Laut einer Veröffentlichung von Gartner vom Oktober 2013 schrumpfte der PC-Markt bereits in sechs aufeinander folgenden Quartalen. Den Grund für den Rückgang machen die Marktforscher in dem wachsenden Absatz von Tablet-Computern aus. In den reichen Ländern ist das Tablet das Zweitgerät neben dem PC. In den Schwellenländern ist es bereits das erste und häufig auch einzige Gerät, das sich die Menschen zulegen.
Smartphones und Tablets schieben sich also immer weiter an die erste Stelle unseres digitalen Lebensstils. Dieser Trend greift mittlerweile auch vom Privatleben auf den Beruf über. Immer mehr Kollegen bringen ihr eigenes Gerät mit in die Arbeit und nutzen es für berufliche Zwecke. Bring-your-own-Device, kurz ByoD, heißt das Buzzword, das sich für diese Entwicklung etabliert hat. IT-Abteilungen stellt dieser Trend vor nicht geringe Herausforderungen.
Dieser Trend zwingt Unternehmen grundsätzlich dazu, ihre Prioritäten neu zu stecken: Wenn das Tablet die meist genutzte Schnittstelle zum “SMAC-Stack” (Social-, Mobile-, Analytics- und Cloud-Technologien) ist, warum sollte man die Software zunächst für den PC entwickeln und sie dann unter Mühen und Kosten in eine App verwandeln. Schließlich verfügt der PC ja gar nicht über die Charakteristika, die Mobile überhaupt ausmachen wie Always-on, Handlichkeit, Apps, Scanner, Kamera etc. Daher ist es nur sinnvoll, immer mehr Programme zuerst für Mobilgeräte zu schreiben. Bei vielen dieser Programme ist es unwahrscheinlich, dass sie überhaupt jemals am PC benötigt werden.
Mobile First heißt das Schlagwort für diesen Wechsel der Prioritäten, und das hat bereits Einfluss auf die Budget-Planung. Laut Gartner haben die Unternehmen “Mobile Technologien” zu ihrem zweitwichtigsten Thema auf der CIO-Agenda erkoren – hinter Analytics und noch vor Cloud. Der Druck, den Kunden und Mitarbeitern möglichst schnell attraktive Lösungen zu bieten, ist enorm. Die Unternehmen experimentieren bereits viel und kommen dabei durchaus zu beachtlichen Ergebnissen. Homeplus beispielsweise, die südkoreanische Tesco-Marke, nutzt mobile Kommunikation, um ihr Umsatzmodell zu erneuern. Das Unternehmen entwickelte virtuelle Regale für die Wände von U-Bahnhöfen. An ihnen können die Kunden einkaufen, während sie auf den Zug warten. Über die App scannen sie den QR-Code eines Produkts, die Einkäufe werden innerhalb weniger Stunden zu ihnen nach Hause geliefert. Durch diesen neuen Shopping-Ansatz konnte Homeplus die Online-Verkäufe innerhalb von drei Monaten um 130 Prozent steigern. Die Anzahl der registrierten App-Nutzer wuchs um 76 Prozent in diesem Zeitraum.
Allerdings ist der Konsument von heute überaus anspruchsvoll. Viele Fehlversuche akzeptiert er nicht, unausgereifte Lösungen verschwinden schnell wieder vom Tablet – oder erhalten so schlechte Reviews im App-Store, dass sie erst gar nicht geladen werden.
Um das zu vermeiden, müssen Unternehmen ihre Geschäfte besser und andersartig betreiben, um Zugang zu dem Thema Mobile zu finden. Dies beginnt damit, Mobilität holistisch als eine Entwicklung zu sehen, die die gesamte IT-Infrastruktur betrifft. Es reicht nicht aus, eine bestehende Web-Anwendung für die Tablet-Ansicht zu optimieren oder dergleichen. Stattdessen geht es darum, neue Wege auszuloten, wie man mit Hilfe der mobilen Spezifika – Handlichkeit, Always-on, Lokalisierungsfunktion, Kameras, Barcode-Scanner etc. – Zusatznutzen für ein Geschäft bringen oder einen bestehenden Prozess verbessern kann. Die Antwort liegt hier darin, die Entwicklung von Mobile Apps voll und ganz auf die Bedürfnisse der Nutzer zu gründen – und ein völlig neuartiges Kundenerlebnis zu gestalten.
Um diese neue Art der Kundenerfahrung herzustellen, ist ein tiefes Umdenken nötig. Die Art und Weise, wie Software-Applikationen bislang geschrieben wurden, wird dabei gleichsam auf den Kopf gestellt. Früher ging man bei der Entwicklung zunächst von der vorhandenen Infrastruktur und Systemlandschaft aus. Dann überlegte man sich, welche Funktionalitäten und Datenstrukturen das Programm haben sollte. Und erst relativ am Ende des Prozesses kamen der Nutzer und das Nutzererlebnis ins Bild. Das funktionierte bis zu einem gewissen Punkt für datenhaltende Systeme (wie transaktionale Systeme oder Back-End- und ERP-Systeme) gut.
Heute spielen die Art der Softwarebereitstellung und die Infrastruktur eine wesentlich geringere Rolle, da diese Faktoren durch das Cloud-Bereitstellungsmodell standardisiert sind. Auch beginnt der Prozess nicht mehr mit der Hardware. Im Mobile-Zeitalter fängt die Entwicklung beim mobilen Nutzer an und bei den unterschiedlichen räumlich-zeitlichen Kontexten, in denen er sich bewegt und Aufgaben löst, bei denen die App ihm helfen soll. Vor allem für die Entwicklung interaktiver Systeme, in die jetzt vermehrt investiert wird, ist dies essentiell. Ziel ist es in erster Linie, ein möglichst angenehmes und positives Nutzererlebnis zu schaffen. Und wenn man den heutigen Lebensstil betrachtet, dann führt das höchstwahrscheinlich zu einem Mobile-First-Ansatz. Für viele Branchen ist das ein signifikanter Wendepunkt, an dem viele Unternehmen spätestens jetzt feststellen, dass ihr Geschäft und die unterstützenden Technologie-Umgebungen neu gedacht und radikal verändert werden müssen.
Um diese neue Art des Kundenerlebnisses zu kreieren, ist es unabdingbar, den Benutzer, seine Gewohnheiten und sein räumlich-zeitliches Bewegungsverhalten genau zu kennen – also die “Customer-Journey” genau nachzuverfolgen. Zwar helfen hier klassische Design-Tools, wie beispielsweise die Nutzung von Personas, mit deren Hilfe der Kunde möglichst genau “gemappt” werden kann. Allerdings ist sich der Anwender selbst nicht immer bewusst, wie er sein Gerät benutzt oder was ihm wann wo helfen würde. Eigenaussagen, auf denen Personas häufig beruhen, nutzen in diesem Fall wenig. Vielmehr geht es darum, den Nutzer in seinen Gewohnheiten und Kontexten richtiggehend zu studieren. Zum Beispiel könnte sich dabei herausstellen, dass ein Bankkunde ungern kritische Geldtransaktionen tätigen wird, wenn er in der Straßenbahn sitzt, aber dennoch gerne seinen aktuellen Kontostand und die letzten Kontobewegungen auf seinem Mobiltelefon checken möchte.
Erschwert wird die Erschaffung einer Customer-Experience dadurch, dass sie auch beim Springen zwischen den Kanälen funktionieren muss. Wenn der Kunde per App ein paar Schuhe bestellt, ihm kurze Zeit später aber einfällt, dass er am voraussichtlichen Liefertag nicht da ist und dies gleich am Telefon mit der Bestell-Hotline korrigieren will, dann sollte der Ansprechpartner alle aktuellen Informationen dazu vor sich haben, damit er den Kunden schnell und unkompliziert bedienen kann. Mediensprünge dieser Art müssen bei der Planung der Customer-Journey berücksichtigt werden.
Hinzu kommt: Heute spielt sich die App-Nutzung noch weitestgehend über das Hilfsmittel des Touch-Bildschirms ab. Aber Innovationen wie Google Glas, digitalisierte Kleidungsstücke (sogenannte “Wearables”) und andere vernetzte Gegenstände des Internets-der-Dinge bringen neue Schnittstellen in die digitale Welt mit sich. Zum Beispiel lassen sich schon heute leicht ganze Ladensysteme vorstellen, bei denen der Kunde schon beim Betreten des Ladens identifiziert und nach seinen Wünschen bedient wird. Diese neuen Schwellen zwischen Konsumenten- und digitaler Welt müssen bei der Konstruktion der Customer-Journey mit berücksichtigt werden.
Cloud-Computing, komplexe Nutzungsmuster, neue Schnittstellen zur Digitalwelt und die gesteigerten Erwartungen des Konsumenten haben die Art und Weise, wie Software für den Endverbraucher entwickelt wird, radikal auf den Kopf gestellt. Traditionelle Methoden werden nicht ausreichen, um dem Nutzer ein den heutigen Möglichkeiten entsprechendes Kundenerlebnis zu verschaffen. Hier wird eine neue Art von Entwickler benötigt, die nicht einfach versucht, Web-Erlebnisse auf das Mobiltelefon zu übertragen. Gesucht sind vielmehr Software-Ingenieure mit kreativen Ideen, die die Technik als Werkzeug zu nutzen verstehen, um die Customer-Journey zu gestalten. In unserem Studio 13 bei Cognizant stellen wir gerade ein solches Team kreativer Technologen zusammen, allerdings dauert diese Reise noch ein Weilchen.
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ich hab was erfunden für taps