Hoffnung und Angst prägen die aktuelle Debatte um das Thema Industrie 4.0 in Deutschland. Es besteht die Hoffnung, dass die deutsche produzierende Industrie den Schritt in die Digitalisierung machen wird und ihre exponierte Weltmarktstellung halten und ausbauen kann. Gleichzeitig blicken wir aber ängstlich und ehrfurchtsvoll in die USA: Das Land befindet sich in der Phase der Re-Industrialisierung, verfügt mit dem Silicon Valley sowohl über die technischen und finanziellen als auch über die kulturellen Voraussetzungen für eine “kreative Zerstörung” bestehender Märkte. Das scheint es bei uns so nicht zu geben, so das allgemeine Lamento.
Woher kommt diese Befürchtung? Die Analysten von Experton unterteilen Industrie 4.0 in sieben technische beziehungsweise prozessuale Ebenen – beginnend bei Sensoren über CPU, Betriebssystem, Netzwerk, IT-Services / Middleware bis hin zu Anwendungen und Geschäftsprozessen. Auf allen Ebenen müssen die Daten entsprechend verfügbar und die Schnittstellen zu den Nachbarebenen standardisiert sein. Nur die USA haben – so ist immer wieder zu hören – dank der Stärke ihrer IT-Branche und ihrer produzierenden Industrie das notwendige Know-how auf allen Ebenen dieser Wertschöpfungskette. In Deutschland und Europa werden beispielsweise keine Betriebssysteme oder Netzwerkkomponenten entwickelt. Aus diesem Grund habe es, so die Argumentation der Bedenkenträger, die USA leichter, durchgängige Industrie 4.0-Konzepte zu entwickeln.
Ist dem wirklich so? Dazu lohnt ein genauerer Blick auf die US-Wirtschaft und ihre Einstellung zum Thema Industrie 4.0. Einige aktuelle Studien beschäftigen sich mit dem Thema: PriceWaterhouseCoopers kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass sich das Investitionsverhalten der US-Industrie nicht wesentlich vom dem in Europa und Asien unterscheidet – in neue Sensorentechnik investieren sogar weniger US-Unternehmen (18 Prozent) als in Europa (19 Prozent) und Asien (24 Prozent). Die Berater von McKinsey haben eine Reihe von US-Unternehmen zum Thema “Industrial Internet” befragt – die Ergebnisse könnten von der deutschen Industrie stammen: 80 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Digitalisierung über die Wettbewerbsfähigkeit entscheiden wird, aber nur 37 Prozent sagen, dass sie über eine Digitalisierungsstrategie verfügen. Die US-Unternehmen sind sich bewusst, dass die durchgängige Datenverfügbarkeit über die gesamte Wertschöpfungskette das entscheidende Kriterium für Industrie 4.0 ist. Allerdings, so der Tenor, seien die bestehenden Software-Lösungen für computer-aided design (CAD), Enterprise Resource Planning (ERP) und Manufacturing Execution Systems (MES) in den meisten Fällen noch nicht für diese Durchgängigkeit ausgelegt.
Natürlich ist dies keine umfassende Analyse des US-amerikanischen Marktes. Aber dieser kleine Einblick zeigt bereits, dass es auch jenseits des Atlantiks noch keine praxiserprobten Masterpläne für die Digitalisierung der produzierenden Industrie gibt und dass die Unternehmen weltweit vor den gleichen Fragen stehen: Was muss ich in welche Technologie- und Prozess-Innovationen investieren? Mit welchen Partnern soll ich dabei zusammenarbeiten? Wie müssen künftig meine Arbeitsabläufe, Produkte und Services aussehen?
Industrie 4.0 ist eine Herausforderung für jedes Unternehmen in seinem speziellen Marktumfeld. Die “Nationalität” spielt dabei natürlich eine Rolle, aber nicht die einzige. Ich persönlich gehe davon aus, dass die aktuelle “dritte digitale Revolution” Gewinner und Verlierer hervorbringen wird – und zwar gleichermaßen in Deutschland beziehungsweise Europa und in den USA. Es wird keine ausschließliche Gewinner- oder Verliererseite geben.
Um zu den Gewinnern der Digitalisierung zu gehören, bedarf es der umfangreichen Planung und Analyse. Eine Anlaufstelle dafür: Die Hannover Messe, DER deutsche Marktplatz für Industrie 4.0. Kommen Sie vorbei und diskutieren Sie mit uns!
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