Oder anders gefragt: Können die politischen Parteien den wirtschaftenden Unternehmen das Konzept “Industrie 4.0” verordnen (in den siebziger Jahren hätten wir den Pleonasmus “aufoktroyieren” benutzt…)?
Die Diskussion um die vierte Generation der Industrialisierung – kurz: “Industrie 4.0” – nimmt in Deutschland immer skurrilere Formen an. Während Angela Merkel (zuletzt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos) “auch als deutsche Bundeskanzlerin” sagt, wie wichtig eine technologische Weiterentwicklung der digitalisierten Fertigung für den Wertschöpfungsstandort Deutschland ist und zugleich vor einem zweiten Platz im Wettlauf mit den digitalen Propagandisten in Fernost und Farwest warnt, wird hierzulande mal wieder nichts so heiß gegessen, wie es in den Siliziumbrennöfen gekocht wird.
Dabei gibt es wohl überall einen weitgehenden Konsens darüber, wie sehr die Digitalisierung die Produktionsmethoden und damit die Produktionsstandorte verändern wird. Fünf Punkte sind es, die in der Regel genannt werden, wenn es um die Vorteile einer komplett durch die Informationstechnik revolutionierten Wertschöpfung geht:
Diese Vision verlangt deutlich mehr Zeit und Intelligenz als die bloße Digitalisierung eines bestimmten Fertigungsprozesses, in dem grundsätzlich oder strukturell eigentlich nichts gewonnen wäre. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie nicht vordergründig und plakativ in “Industrie 4.0” investieren, sondern weiterhin in Märkte, ihre Produkte und ihre Produktion. Genau das passiert derzeit. Die alle überraschenden guten Konjunkturzahlen der letzten Monate zeigen, dass das kein Irrweg ist.
Deutsche Ingenieure haben eine lange Tradition, den Technologiewettlauf zu verlieren, um den Nutzungswettlauf zu gewinnen. Der vielgeschmähte Audiostandard MP3 gilt vielen als Menetekel für die Unfähigkeit, eine vielversprechende Technologie gewinnbringend umzusetzen. Nur: Wo war eigentlich der Business Case hinter MP3? Der Niedergang der Musikindustrie ist genau der Beweis, dass sich hinter der Digitalisierung von Audiodaten kein gewinnbringendes Geschäftsmodell verbarg.
Und auch in der Digitalisierung eines Fertigungsprozesses liegt per se kein Business Case, wenn es nicht gleichzeitig einen Kulturwandel im Sinne der fünf genannten Prinzipien von „Industrie 4.0“ gibt.
Es mag sein, dass in Europa zum wiederholten Male der Wettlauf um die Entwicklung einer Technologie verloren geht. Aber die Zuversicht ist gerechtfertigt, dass die Nutzung dieser Technologie auch den alten Kontinent mit seinen Ingenieurstugenden beflügeln wird.
Industrie? Das sind wir Unternehmer. Punkt.
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