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Die IT denkt mit – und voraus

In dem Film “Minority Report” aus dem Jahr 2002 können Morde verhindert werden, noch bevor sie stattfinden. Drei so genannte “precogs” mit hellseherischen Fähigkeiten warnen die Detektive der “precrime”-Einheit rechtzeitig vor, denn ihre Verbrechensvisionen lassen sich visualisieren und auf Bildschirmwänden abrufen. Das ist pure Fiktion und wird es wohl auch bleiben. Anders sieht es da schon mit der Bildschirmsteuerung in “Minority Report” aus: Chief Detective Tom Cruise & Co. steuern die Monitore per Handbewegung und nehmen damit praktisch die Wischtechnik vorweg, die rund zehn Jahre später mit der Einführung von Tablets eine Selbstverständlichkeit werden sollte. So kann, was gestern noch als Science-Fiction wahrgenommen wurde, binnen kurzer Zeit in den Alltag Einzug halten.

So faszinierend die Vorstellung einer proaktiven Verbrechensverhinderung auch ist: Im weiteren Verlauf des Films stellt sich heraus, dass das Verfahren nicht fehlerfrei ist und mehr Schaden als Nutzen anrichtet, wenn die Vorhersagen der drei “precogs” sich widersprechen oder gar als komplett falsch erweisen. Unterhalb der Ebene von fiktiver Mord-Prophylaxe können Vorhersagedienste und Assistenzsysteme, die weniger auf fehleranfälliger menschlicher Eingebung als auf geprüften Fakten beruhen, hingegen großen praktischen Nutzen entfalten, indem sie auf Basis von Cloud-, Netz- und M2M-Technologien (Machine-to-Machine-Kommunikation) zur rechten Zeit wichtige Informationen liefern.

Frühwarnsystem und Reisebegleiter

Ein Beispiel liefert das seit 2012 verfügbare Google Now, dessen Funktionsumfang kontinuierlich erweitert wird. Es zeigt unter anderem vor Terminen Fahrtrouten an, informiert über die aktuelle Wetter- und Verkehrslage und warnt vor Staus. Künftig soll es auch eine Funktion geben, die automatisch den Parkplatz eines Fahrzeugs speichert und dem Fahrer so hilft, auf dem kürzesten Weg zu seinem Auto zurückzufinden. Wer sich schon einmal in einem Parkhaus oder einer großen Abstellfläche auf der grünen Wiese verlaufen hat, wird dies zu schätzen wissen.

Indes bedeutet Mobilität heutzutage nicht automatisch Autoverkehr. Deshalb unterrichtet die Software auch über Abfahrts- und Ankunftszeiten des öffentlichen Personenverkehrs und kombiniert gegebenenfalls eine Verspätungswarnung mit dem Ratschlag, doch heute einen Zug früher zu fahren. Praktisch für Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln, die etwa Karten für Kino, Theater oder Konzert haben und nichts verpassen möchten. Wäre ja auch schade darum: Immerhin hat das mitdenkende Assistenzsystem schon Tage vorher ohne Aufforderung die E-Mails durchforstet und die Bestätigung der Kartenreservierung vermeldet.

Zugeschnitten auf den momentanen Standort hält Google Now auch Restaurant-Tips und den Wetterbericht bereit. Zudem zeigt das System – entsprechend den gespeicherten und ausgewerteten Suchanfragen seines jeweiligen Nutzers – aktuelle Nachrichten, Sportergebnisse oder Börsenkurse an. Die Software “lernt” buchstäblich aus den Bewegungs- und Nutzungsprofilen ihrer Anwender, wann und wo sie sie auf etwas aufmerksam machen sollte. Da derlei Informationen nicht nur für die Besitzer von Smartphones interessant sind (Systemvoraussetzung ist hierbei allerdings Android oder iOS), liegt Google Now neuerdings auch in einer Desktop-Version für Geräte vor, die das hauseigene Betriebssystem Chrome nutzen.

“Autonomes” Fahren im vernetzten Auto – Gehören Unfälle dann ins Museum?

Gleichwohl stehen die mobilen Nutzer im Fokus der Assistenzsysteme. Ein großes und lukratives Einsatzfeld sehen IT- wie Automobil-Branche im vernetzten Fahrzeug, das eines der beherrschenden Themen der Messen CES, CeBIT und Mobile World Congress war. Die “Open Car Alliance” von Google und “Apple Car Play” zeugen von der Bedeutung, die die IT-Schwergewichte dem Auto als Plattform für ihre Dienste zuweisen. Internet, E-Mail und HD-TV sind im Auto via LTE-Netz bereits abrufbar, autospezifische Dienste wie die vorausschauende Wartung inklusive Terminvereinbarung bereits eingeführt, und die so genannte Car-to-car-Communication steht auf dem Sprung zur Einsatzreife. Dann können Autos mittels M2M-Technologie andere Fahrzeuge auf Staus und Gefahren hinweisen und bei Unfällen automatisch einen Hilferuf absenden. Damit es gar nicht erst so weit kommt, gibt es gar “Müdigkeitsassistenten”, die den Fahrer überwachen.

Wie weit seine Entlastung durch Vernetzung und mitdenkende IT gehen soll, darüber sind die Meinungen indes geteilt, wie Berichte über den Technischen Kongress des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) in Hannover zeigen. Dort wurde das “autonome Fahren” heftig diskutiert. Während Continental-CEO Elmar Degenhart das vollautomatische Fahren bis 2025 für möglich hält (“Unfälle gehören ins Museum”), sind andere Branchenexperten skeptischer. So Daimler-Fahrzeugentwickler Ralf Herrtwich, der zunächst eine Diskussion möglicher Negativfolgen der Automatisierung anmahnt, oder Arne Bartels aus der VW-Konzernforschung, für den etwa ein “Roboter-Taxi” auch künftig unter die Rubrik Science-Fiction fällt.

Vorbeugen ist besser als heilen

Für Endverbraucher stehen ohnehin zunächst einmal die praktischen Aspekte im Vordergrund. Insofern gehen die Allianzen zwischen Auto- und IT-Firmen in die richtige Richtung, stellen sie doch sicher, dass Kunden auf Smartphone und Auto dasselbe Betriebssystem nutzen können. Und darauf legten bei einer Umfrage der Unternehmensberatung Accenture immerhin 40 Prozent der befragten Autofahrer in Deutschland Wert. Während Anwendungen wie Suchdienste, Navigation und Entertainment schon als etabliert gelten können, ergab die Befragung auch bei den spezifischen Fahrassistenzsystemen und Vorhersagediensten eine starke Nachfrage: Demnach hätten 67 Prozent gern Abstandswarner, 66 Prozent Spurwechselassistenten und eine Überwachung des toten Winkels, und 57 Prozent möchten von einem Müdigkeitswarner begleitet werden. Spitzenreiter mit 88 Prozent ist ein Notbremssystem. Die Umfrage bestätigt ein Bild, das auch aus Bereichen wie der IT (Stichwort Datenschutz) gut bekannt ist: In Deutschland hat das Thema Sicherheit höchste Priorität.

Daher ist es auch nicht erstaunlich, dass das automatische Notrufsystem E-Call, dessen Implementierung in Neuwagen die Europäische Kommission ab 2015 verbindlich festgelegt hat, in Deutschland auf große Zustimmung stößt: Laut der Accenture-Umfrage begrüßen 80 Prozent der Befragten die Einführung von E-Call. Und so liefern die Umfrageergebnisse gewissermaßen ein realistisches Abbild der Möglichkeiten von Vernetzung und Technologie: Eine vernetzte, vorausschauende IT kann zwar keine Verbrechen verhindern, aber mithelfen, Leben zu retten.

Redaktion

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