120 Minuten dauert in Deutschland durchschnittlich die Behandlung eines Herzinfarktpatienten. Zwischen dem Erstkontakt des Notarztes und der Öffnung des verschlossenen Blutgefäßes vergehen also in der Regel zwei Stunden. Zwei Stunden, die darüber entscheiden, ob der Patient weiterlebt oder stirbt. Denn mit jeder Minute, die verstreicht, geht wertvolles Herzmuskelgewebe verloren.
Die Behandlung kann dabei in etwa so aussehen: Der Notarzt macht ein EKG im Rettungswagen und bespricht am Telefon mit einem Facharzt der angesteuerten Klinik die nötigen Maßnahmen. In der Klinik angekommen, fertigt der behandelnde Arzt ein weiteres EKG an und überlegt, wie er vorgehen soll. Danach bereitet das Operationsteam den OP vor, während der Patient in der Notaufnahme wartet.
Offenbar besteht ein großes Risiko, dass zwischen den einzelnen Schritten viel Zeit (und Geld) verloren geht und Fehler dabei passieren können. Hier kann die Telemedizin wertvolle Dienste leisten. Mithilfe moderner Informationstechnologien, die Ärzte mit ihren Patienten verbinden, können bessere und schnellere Behandlungen erfolgen.
Im Falle eines Herzinfarkts könnte der Notarzt das vor Ort erstellte 12-Kanal-EKG per Funk oder E-Mail an die Klinik übermitteln. Diese könnte dann gleich das Herzkatheterlabor und die Übernahme des Patienten vorbereiten. Modellprojekte wie „FITT-STEMI“ in Pinneberg in Schleswig-Holstein haben gezeigt, dass sich durch die Funkübermittlung des EKGs die durchschnittliche Behandlungszeit von 120 Minuten auf unter 90 Minuten reduzieren lässt. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen geht innerhalb der ersten 90 Minuten, nachdem der Herzinfarkt eingetreten ist, kaum Herzmuskelgewebe verloren. Die Überlebenschance des Patienten verbessert sich damit erheblich.
Aber nicht nur bei der Behandlung von Herzinfarkten, sondern auch und vor allem bei chronischen Krankheiten wie Diabetes Mellitus kann der Einsatz von Telemedizin sehr hilfreich sein. In Deutschland soll laut dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) jeder 13. an Diabetes erkrankt sein. Dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2013 zufolge liegen die direkten Kosten für Diabetes bei etwa 50 Milliarden Euro und jedes Jahr steigen sie um 1,8 Milliarden. Durch Telemonitoring könnten Patienten ihre Blutzuckermesswerte an ihre Ärzte senden, die so immer ihren Gesundheitszustand im Blick haben. Nach einer Studie der VDE Initiative MikroMedizin verursachen gut eingestellte Diabetes-Patienten 90 Prozent weniger Kosten als ein Patient, der oft stationär behandelt werden muss. Somit könnte Telemedizin die Diabetes-Ausgaben deutlich senken.
Des Weiteren ermöglicht Telekommunikationstechnik Ferndiagnosen von Spezialisten. In Krankenhäusern in abgelegenen Regionen gibt es zumeist keine Sonderstationen für bestimmte medizinische Notfälle wie zum Beispiel Schlaganfälle. Doch statt zur nächsten Schlaganfallstation zu fahren, können sich die Ärzte die ausgebildeten Fachkräfte ganz einfach in den Operationssaal holen – per Videokonferenz. So spart sich der Rettungsdienst die lange Fahrt und der Patient gewinnt überlebenswichtige Zeit.
Telemedizin bietet also effizientere Behandlungen, Früherkennungen, Ferndiagnosen und zudem noch Kosteneinsparungen. Nach Angaben des britischen Marktforschers d4 Research kommen monatlich 1000 neue Health-Apps auf den Markt, deshalb soll nach der Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting die Telemedizin in spätestens 15 Jahren Standard sein. Um telemedizinische Technik einsetzen und von ihren Vorteilen profitieren zu können, muss jedoch eine zuverlässige und flexible Netzwerkinfrastruktur existieren. Genau hier hinken die Krankenhäuser allerdings noch hinterher.
Mein Fazit: Die Telemedizin wird natürlich nie ein persönliches Gespräch mit dem Arzt ersetzen. Wird sie jedoch richtig eingesetzt, kann sie Behandlungsergebnisse verbessern, Kosten senken und vielleicht sogar Leben retten.
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