Categories: Data

KI: Geben Sie sich nicht mit einer Kurzgeschichte zufrieden

Seit Beginn der industriellen Revolution mechanisieren Unternehmen manuelle Arbeit. Aktuell gilt, dass eine solche Automatisierung nicht mehr physisch erfolgen muss – die Rede ist von Software-Bots. Ergänzt um Künstliche Intelligenz (KI) steht als Ergebnis die sogenannte intelligente Automatisierung, die Entscheidungen über Aufgaben treffen kann, die vor fünf Jahren noch nicht selbständig durchführbar gestaltet werden konnten.

Traditionell wird Automatisierung als Substitut für menschliche Arbeit gehandelt: Entlassung von Mitarbeitern, Ersatz durch eine Maschine oder einen Bot, und weiter wie bisher. Die Kosten sinken, und die Margen steigen. Ende der Geschichte – das heißt, nur wenn jemand Kurzgeschichten mag. Denn die ganze Geschichte liest sich anders.

Jeanne Ross, leitende Wissenschaftlerin am MIT Center for Information Systems Research bringt es wie folgt auf den Punkt: „Unternehmen, die intelligente Maschinen nur als eine Möglichkeit zur Kostensenkung betrachten, werden sie wahrscheinlich an den falschen Stellen und auf die falsche Weise einsetzen.“ Paul R. Daugherty von Accenture und H. James Wilson vertreten in ihrem Buch, „Human And Machine Reimagining Work in the Age of AI“ eine ähnliche Ansicht: „Wenn Menschen einen bestehenden Prozess einfach akzeptieren und ihn dann mit Hilfe von KI automatisieren, können sie zwar inkrementelle Verbesserungen erzielen, aber nur wenig darüber hinaus.“

KI kann mehr

Unternehmen liegen folglich falsch, wenn sie glauben, dass KI ein 1:1-Ersatz für menschliche Team-Mitglieder sein könnte. Tatsächlich wird KI am besten genutzt, wenn sie eine „Humanbelegschaft“ maschinell ergänzt und so völlig neue Prozesse ermöglicht. Denn wenn KI Routinearbeiten erledigt, gewinnt der Einzelne mehr Zeit, sich auf komplexe Tätigkeiten zu konzentrieren, die wirklich Aufmerksamkeit erfordern. Man denke beispielsweise an schwierige oder sensible Interaktionen mit Kunden.

Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Bots können die Datenverarbeitung so automatisieren, dass sich Mitarbeiter voll auf deren Auswertung konzentrieren können. Was lässt sich etwa aus Mustern bei Mitarbeiter- oder Kundenabwanderungen ableiten. Eine leistungsstarke KI kann hierbei sogar erste Ratschläge bereitstellen, so dass der Mensch sich auf die Auswahl des richtigen nächsten Schritts konzentrieren kann. Dieses Paradigma wird zusammengefasst als „menschenzentrierte KI“, entlehnt aus dem englischen Ursprung „Human-Centered AI“ – also ein KI-Ansatz, der den Menschen in den Mittelpunkt einer gemischten Belegschaft stellt.

Ein Team mit der KI bilden

Ein solches Konzept kommt gut an: So unterstützte Avanade beispielsweise „HMS Host“ – einen Anbieter von Speisen und Getränken für Reisende an Flughäfen und Autobahnrastplätzen – auf seinem Weg zur digitalen Transformation. Ein Teil der Aufgabe war die Nutzung intelligenter Automatisierung. Mit deren Hilfe kann das Unternehmen nun eine große Bandbreite von zusätzlichen Mehrwerten nutzen, von der Neuordnung seiner Vorräte bis hin zum Management der Schichtplanung. Denn das ist der Clou an KI: Als Reaktion auf plötzliche Ereignisse wie Flugausfälle steigt die Nachfrage nach gastronomischen Dienstleistungen; es müssen dann innerhalb sehr kurzer Zeit sehr viele Faktoren berechnet und in Entscheidungen überführt werden. Hier sind menschliche Teams über jede Hilfe dankbar.

HMS Host weiß, dass Unternehmen der Zukunft ihre menschliche Komponente beibehalten und diese stärken müssen. So nutzt das Unternehmen intelligente Automatisierung, um den Team-Mitgliedern genug Zeit für wirklich wichtige Interaktion zwischen Mitarbeitern und Kunden zu ermöglichen – was eben nur klappt, wenn diese von simplen Anfragen entlastet werden. Nachfrageveränderungen werden antizipiert, damit „menschliche Kolleginnen und Kollegen“ dort eingesetzt werden können, wo sie am meisten gebraucht werden. Kunden erhalten einen besseren Service, Mitarbeiter werden befähigt, ihr Bestes zu geben und das Unternehmen profitiert natürlich ebenso.

Menschenzentrierte KI – was beachten?

Vier grundlegende Tipps helfen bei der Überlegung, eine menschenzentrierte KI im Unternehmen einzuführen:

  1. Entwicklung einer geeigneten Datenstrategie: Bei einer KI geht es darum, Verbindungen zwischen Daten herzustellen, um neue Erkenntnisse zu entwickeln. Dazu müssen Unternehmen durchdachte Entscheidungen treffen, welche Daten sie überhaupt benötigen, ehe sie mit deren Verwendung im großen Stil beginnen können.
  2. Mitarbeiter frühzeitig einbinden: Zu viele Unternehmen entwickeln im Hinterzimmer Pläne für KI und intelligente Automatisierung – das schürt natürlich Gerüchte und Ängste auf Mitarbeiterseite! Stattdessen ist es unbedingt erforderlich, Mitarbeiter einzubeziehen. Das muss bereits bei der Entwurfs- und Planungsphase der KI-Implementierung beginnen. Denn es geht nicht nur um weniger Widerstand: Großartige Ideen und wichtige Anregungen aus den Teams sind der wahre Wert.
  3. Schulung bedenken: Automatisierung kann Arbeitsplätze kosten und wird die verbleibenden sicherlich verändern; gleichzeitig können andere Stellen geschaffen werden. Mit entsprechenden Schulungen ist sichergestellt, dass Mitarbeiter auf solche Positionen geleitet werden, anstatt teuer und mit Aufwand neu einzustellen. Selbstverständlich wird die bestehende Belegschaft auch nur mit entsprechenden Wissen das Beste leisten können.
  4. Testen und lernen. Agil denken ist das Gebot der Stunde. Die Nutzung von Prototypen und Feedback aus der Entwicklung ist eine große Stärke solcher Ansätze. Etwaige Probleme lassen sich vergleichsweise schnell lösen. Diese Denk- und Handlungsweise klappt so gut wie in allen IT-Projekten und darum natürlich auch bei intelligenter Automatisierung und KI.

Die Grenzen menschlichen Verstands überwinden

Es ist wichtig, dass die Grenzen des menschlichen Verstands nicht zu Blockaden im Unternehmen führen. Und das ist auf mehreren Ebenen zu sehen: Einmal was die eigentlichen operativen Mehrwerte beim Einsatz von Technologie wie KI angeht. Aber auch, was das Verständnis des großen Ganzen betrifft: Wer an traditionelle Arbeiter und KI in schwarz-weißen Dimensionen denkt, springt zu kurz. Vorhandene Denkmuster sind das eigentliche Hindernis, um statt einer Kurz- eine echte Erfolgsgeschichte zu schreiben.

Redaktion

Recent Posts

Cloud-Beschleuniger Covid

Vielfach hat die Coronapandemie bestehende IT-Strukturen aufgebrochen oder gar über den Haufen geworfen – gefühlt.…

4 Jahre ago

Trends 2021 – Vier Entwicklungen bei (Graph)Datenbanken und Datenanalyse

Das Covid-Jahr 2020 konnte die digitale Transformation nicht ausbremsen. Sogar ganz im Gegenteil: Viele Unternehmen…

4 Jahre ago

Ein globales digitales Identitätssystem muss Vertrauen und Transparenz schaffen

Nach Angaben der Weltbank fehlt mehr als einer Milliarde Menschen ein offizieller Identitätsnachweis. Ohne den…

4 Jahre ago

Nachhaltigkeit wird zu einem der Schlüsselkriterien in der Tech-Industrie

Das Thema Nachhaltigkeit ist seit vielen Jahren fester Bestandteil des Selbstverständnisses vieler Unternehmen. Wenig verwunderlich,…

4 Jahre ago

Chief Data Officer: Garanten für eine stärkere Datennutzung in Unternehmen

Unternehmen sammeln eine Vielzahl von Daten. Doch IDC Analysten fanden in ihrer aktuellen Studie „IDC‘s…

4 Jahre ago

Ethik, Regulierungen, Cloud: Der Nebel lichtet sich

COVID-19 hat 2020 sowohl Gesellschaft als auch Wirtschaft bestimmt. Unbestritten ist auch die katalytische Wirkung,…

4 Jahre ago