Offene Kommunikation: Meist ein frommer Wunsch

Es ist schon fast ein geflügeltes Wort. Jeder möchte sie, der Chef von seinen Mitarbeitern, der Freund, der Partner. Offene Kommunikation, Kritik-Bereitschaft, das ist doch wirklich etwas erstrebenswertes. Leider ist für mich aktuell der nicht fertig werdende Flughafen in Berlin, der Stuttgarter Bahnhof oder auch die Elbphilharmonie in Hamburg ein mehr als deutliches Indiz dafür, dass so etwas in der Realität oft wirklich nicht mehr als ein frommer Wunsch ist.

Warum klappt das in Wirklichkeit so gut wie nie? Warum haben so viele Menschen so große Probleme damit, sei es, offene Kommunikation aktiv zu betreiben oder ein offenes Wort anzunehmen?

Weil wir es eigentlich nie gelernt haben und noch wichtiger, weil es in der Kultur gar nicht verankert ist. Man muss sich nur mal Veröffentlichungen von Unternehmen durchlesen. Da wird sich dann in beiderseitigem Einvernehmen getrennt, wenn das offene Wort eigentlich bedeuten würde, er wurde gefeuert, weil er nicht das gemacht hat, was wir ihm sagen.

Da wird von Mitarbeitern Eigenverantwortung eingefordert, die dann im nächsten Schritt sofort durch permanente Kontrollen, auszufüllende Tabellen und Powerpoint-Folien konterkariert wird.

Zwischen Anspruch und Realität

Woran liegt das? Ich denke, ein sehr wichtiger und oft unterschätzter Faktor ist die Person. Die kommt ja im Beruf eigentlich nicht vor, oder hat wirklich jemand das Gefühl, dass er als Persönlichkeit angestellt wurde? Richtig, nein, wir sind als Arbeitskraft eingekauft worden, die je nach Unternehmen mal mehr mal weniger von ihrer eigenen echten Persönlichkeit präsentieren darf (im Zweifel immer weniger, denn was heute noch positiv ist, kann, sobald man nach abzubauenden Humanressourcen sucht, gleich negativ ausgelegt werden). Da greift dann auch das Problem der nicht ausgesprochenen Kritik. Klar, wer offen Missstände aufdeckt, der ermöglicht so die Korrektur. Aber leider hängen Misstände oft auch mit Personen zusammen. Und gerade wenn der Missstand in der Hierarchie begründet liegt, wird nicht der Missstand behoben, sondern oft der darauf Hinweisende abgestraft. Denn es gibt eine große Diskrepanz zwischen der eingeforderten offenen Kommunikation und der Realität.

Wieder kann man den Flughafen Berlin als Beispiel nehmen. Von den unteren Hierarchie-Ebenen wurde lange vor dem Stopp schon eine rote Ampel für den Eröffnungstermin gemeldet, die aber seltsamerweise beim Aufsichtsrat dann maximal gelb war. Woher kam das? Was war denn so schlimm daran? Nun, ich denke, da haben die Management-Ebenen, die ja alle noch Karriere machen wollten, einfach Angst gehabt, dass das, was der direkte Vorgesetzte nicht hören will, wenn gemeldet, zum Ende der Karriere führen könnte. Offene Kommunikation? Vergiss es. Das melden, was der Chef hören will ist oft angesagt. Wir werden sicher noch ein paar weitere Verzögerungen in Berlin erleben, denn offen werden auch die nächsten Humanressourcen nicht kommunizieren. Aber karrieresichernd.

Ich erlebe es in Gesprächen immer wieder, dass nur erfolgreich abgeschlossene Projekte zu einer guten Beurteilung im Jahresgespräch führen. “So, Herr Maier, sie haben also Aufgabe A nicht komplett abgeschlossen, das gibt dann eine drei.” Mal ganz abgesehen davon, dass derartige Jahresgespräche doch sehr stark an die Schule erinnern und die unguten Erinnerungen aus Zeugnis-Vergaben wieder wecken, was sicher auch nicht gerade zu einer positiven Motivation führt. Wer sagt denn, dass das Scheitern der Aufgabe nur an der Person hing. Gute Vorgesetzte analysieren hier die Hintergründe und erkennen auch, dass ein gestopptes Projekt möglicherweise im Gesamtkontext sinnvoll war.

Wenn aber die Erfolge des Vorgesetzten aus den erfolgreich abgeschlossenen Projekten seiner Mitarbeiter, oder aus den erreichten Zahlen des Vorjahres abgeleitet werden und dies unreflektiert geschieht, weil ja die Zahlen nur auf Papier kumuliert in den Hierarchie-Ebenen nach oben gegeben werden, dann wird auch der zuallerunterst in der “Unternehmensnahrungskette” befindliche, oft unter Stress und Weitergabe des Drucks an seine Kollegen versuchen, die Zahlen zu erreichen oder zumindest so weit zu schönen, dass das rot zuallermindest in ein warmes gelb verwandelt wurde.

Denn sicher, im Gespräch wird dann oft gesagt, das konnte ja nicht abgeschlossen werden, da ja Situation a oder b dagegen sprach. Aber mal ehrlich: Da bleibt meist ein kleines Minus im Hinterkopf, da hat ein Mitarbeiter dann, wenn man sich später daran erinnert, ein Projekt halt doch nicht so abgeschlossen, wie man sich das wünschte. Und es gehört ein großes Maß an Selbstsicherheit dazu, hier dann die eigentlich wichtige Rolle als Führungskraft einzunehmen und zunächst mal pro Mitarbeiter zu denken.

Hintergründe von Überlastung und Burn Out

Gerade im Moment, da von allen Seiten Krisenstimmung produziert wird, ist jede negative Nachricht oft schon so etwas wie ein stiller Alarm. Und leider erlebe ich noch immer viel zu oft, dass insgeheim davon ausgegangen wird, dass Mitarbeiter, so man sie nicht ständig kontrolliert und durch Tabellen ihren Arbeitsfortschritt verfolgt, stinkfaul sind und sich den Tag mit Nichtstun vertreiben. (Eigentlich ja ein Menschenbild, dass mich schaudern lässt, aber warum wird immer noch so viel an Aufwandserfassung getrieben, wenn doch letztendlich nur das abgelieferte Ergebnis zählt? Dazu aber mehr in anderen Beiträgen meines Blogs, in denen ich mich mit der Arbeitswelt der (positiven) Zukunft auseinandersetze)

Wir fordern von uns und unseren Mitmenschen, Kollegen, Untergebenen offene, ehrliche Kommunikation. Aber viel zu oft strafen wir dann diejenigen, die wirklich offen kommunizieren dafür ab. Und das perfide daran: Meist nicht direkt im Moment des offenen Kommunizierens. Nein, oft wird erst Monate oder gar Jahre danach nachgetreten.

Hier wäre ein extrem fruchtbarer Punkt anzusetzen, wenn gefragt wird, wie man Überlastung, Burn Out und Dienst nach Vorschrift verhindern kann. Und hier wäre auch der Punkt, an dem Großprojekte wie Stuttgart 21, Die Elbphilharmonie oder der Berliner Flughafen sicher Millionen wenn nicht Milliarden hätten sparen können. Wenn es WIRKLICH eine Kultur offener Kommunikation gegeben hätte. Und auf eines wette ich. Mit Sicherheit war in der Kommunikation der Führungskräfte stehts von vertrauensvoller, partnerschaftlicher und offener Kommunikation die Rede. Dafür lassen sich mit Sicherheit auch diverse Präsentationen finden. Aber wurde es auch gelebt. Wie wir sehen können, offensichtlich nicht.

Man sollte aber jetzt nicht den Fehler machen, die Schuld nur bei den Arbeitgebern zu suchen. Auch durch polemisierende Verdächtigungen oder ebenfalls durch jede Menge Vorurteile ist auch viel von Seiten der Arbeitnehmer beziehungsweise deren Vertreter an offener Kommunikation nicht mehr möglich. Denn wenn ich stets mit dem Hintergedanken an Diskussionen gehe, dass Arbeitgeber doch immer nur das schlechteste für ihre Angestellten wollen, dann kann kein fruchtbarer Diskurs entstehen.

Redaktion

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