Wer über das Thema Führung nachdenkt, über das Verhältnis von Chef und Mitarbeiter, über die Unterschiede zwischen der Arbeitswelt von heute und der von gestern, der sollte am besten eine Folge des US-Serienhits “Mad Men” schauen. Stille Sekretärinnen an der Schreibmaschine, übermotivierte Jungmanager und ein Don Draper, der seine Meetings bisweilen etwas zu selbstgefällig aus dem schwarzen Chefsessel führt. Sicher finden sich die einzelnen Charaktere heute noch in jedem Unternehmen wieder. Was aber die Definition von gutem Führungsstil angeht, sind zwischen den 1950er-“Mad Men”-Jahren und dem hier und heute in 2015 gefühlte Lichtjahre vergangen.
Unsere Einstellung zur Arbeit, die Beziehung der Geschlechter, das Selbstverständnis einer Führungspersönlichkeit haben sich fulminant verändert. Waren die Arbeitszeiten in einer Werbeagentur schon damals sehr unorthodox – welcher Werbeprofi kennt schon ein Wochenende – so kann man sicherlich mit Fug und Recht behaupten, dass die Produktions- und Innovationszyklen sich heute durch Globalisierung und Digitalisierung rasanter denn je drehen. Und doch tun sich viele Chefs bei Themen wie flexiblen Arbeitszeiten oder BYOD heute immer noch schwer und versuchen das Arbeitsmodell in ihrem Unternehmen in gewohnte, gefühlt sichere Bahnen zu lenken. Sind die Chefs von heute tatsächlich überfordert von der “New Technology”, den “Digital Natives” und den selbstbewussten “Millenials”, die sich in ihrem Leben nicht nur als Arbeitnehmer definieren?
Von den “Neuen” lernen
Auskunft gibt die aktuelle Studie des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ). Der zufolge stimmten 46 Prozent von 100 befragten Führungskräften der These zu, dass die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Kommunikation den Druck auf ihre Person zusätzlich verstärke. Bei weiteren 31 Prozent fand die These zumindest teilweise Zustimmung. Der Grund ist schlicht und einfach: In viel kürzerer Zeit als früher müssen wichtige Entscheidungen für Unternehmen und Mitarbeiter getroffen werden. Viel schneller als früher müssen neue Ideen, neue Strategien, neue Wege her. Das digitale Zeitalter fordert Führungskräfte enorm heraus. Sie müssen in einem neuen Wertesystem denken, in dem Kollaboration, Selbstständigkeit und Autonomie vorherrschend sind.
Die “Digital Natives” haben die neuen Medien im Blut: unkomplizierter Austausch, unverbindlichere Absprachen, stets verfügbares Wissen, globale Ideen, flexibles Arbeiten. Das erfordert eine neue Führungskultur, die sich für viele Experten aus vier wesentlichen Charakteristika besteht: 1. Offenheit 2. Vernetzung 3. Partizipation und 4. Agilität. Wer hingegen auf die alten Muster aus Machtdemonstration und “Top Down”-Kommunikation setzt und mit seinem Team nicht auf Augenhöhe spricht, fordert bei seinen Mitarbeitern nur eins heraus: Frust.
In einem aktuellen Artikel in der Wirtschaftswoche wird Bayer-Chef Marijn Dekkers mit den folgenden Worten zitiert: “Sie dürfen keine Atmosphäre schaffen, wo es für die Mitarbeiter schwierig wird, schlechte Nachrichten nach oben weiterzugeben.” Ein schlechter Chef ist heute immer noch der häufigste Grund für schlechte Stimmung am Arbeitsplatz – und letzten Endes die Kündigung.
Wer also die Dialogfähigkeit scheut und eine offene Diskussionskultur als Anarchie interpretiert, wird es als Chef besonders bei den “jungen Wilden” sicherlich schwer haben. Für sie ist neben der Work-Life-Balance und der Jobsicherheit vor allem selbstständiges Arbeiten wichtig. Aber trotzdem ist eins klar: Der Chef in seiner Funktion als “Häuptling”, der Orientierung gibt und die Intelligenz bündelt, ist heute genauso wichtig wie in den 1950er Jahren. Denn im besten Fall schweißt er ein Team zusammen und holt das Beste aus ihm heraus.
Das gilt vor allen Dingen für die Ära der Cloud, in der Teams verstreut über den Erdball über Collaboration-Plattformen, Chatter oder Online-Konferenzen miteinander kommunizieren. Dass daher die Wahl der passenden Tools umso entscheidender ist, versteht sich von selbst. Diese sollen aber nicht allein dem Chef gefallen, sondern viel wichtiger: für das gesamte Team gemacht sein. Die neue Workforce-Generation verlangt auch deswegen nach mehr Transparenz und Mitspracherecht, weil dies gerade die Natur der neuen Tools ist: Jeder ist zu jederzeit informiert, weiß unmittelbar woran das Team in Singapur oder in San Francisco gerade arbeitet und ist direkt am Projekt beteiligt. Wenn man so will, fördern die neuen Collaboration-Tools die Demokratisierung der Unternehmenskultur. Daher ist laut einer Führungs-Studie der Hochschule RheinMain zufolge auch die Bereitschaft zu Transparenz und Offenheit die wichtigste Kernanforderung im digitalen Zeitalter. Zeitgemäßes Führen, so heißt es, bedeutet vor allem offenes Führen (Open Leadership).
Die Welt ist für Chefs mit der Digitalisierung sicherlich nicht einfacher geworden, aber bestimmt auch nicht schwieriger! Während der Chef sich früher jedoch in seinem eisernen Turm der Autorität verschanzen konnte, und gewissermaßen das Image des “ewigen Patriarchen” pflegte, muss er sich heute ständig hinterfragen lassen. Das ist gewissermaßen die “Gefahr” des Dialogs, die beispielsweise Unternehmen bei der Einführung der sozialen Netzwerke erkennen mussten, als die Kundenkommunikation plötzlich keine Einbahnstraße mehr war. Und wer sich mit den neuen Regeln des “Open Leadership” immer noch schwer tun sollte, dem Wandel zähneknirschend gegenübersteht, dem hilft vielleicht ein Zitat eines Don Draper, der als Chef so schwierig und undurchdringlich, doch so inspirierend ist: “Change is neither good or bad, it simply is.”
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