Per (Zwangs-)Update zum Erfolg
Mit einer neuen Verordnung will die Europäische Union Hersteller dazu verpflichten, nachhaltigere Produkte zu entwickeln. Dazu gehört, dass Software-Updates angeboten werden müssen, um Produkte langlebiger zu machen.
Eine klare Mehrheit im EU-Parlament hat für die Einführung einer neuen Ökodesign-Verordnung gestimmt. Unter anderem sieht die Verordnung die Einführung sogenannter „Produktpässe“ vor. Damit sollen Verbraucher in die Lage versetzt werden, fundiertere Kaufentscheidungen zu treffen. Zugleich soll die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten verbessert werden. So soll es Herstellern u.a. verboten werden, die Lebensdauer von Produkten durch Konstruktionsmerkmale zu begrenzen oder die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Zubehör und Software-Updates einzuschränken. „Wenn wir wirklich nachhaltige Produkte auf dem europäischen Markt wollen, müssen wir das Problem an der Wurzel packen: nämlich bei ihrem Design“, erklärt Ebba Busch, schwedische Ministerin für Energie, Unternehmen und Industrie und stellvertretende Ministerpräsidentin.
Die Verordnung soll die derzeit geltende Ökodesign-Richtlinie (Richtlinie 2009/125/EG) ablösen. „Sie ist kein bloßes Update der veralteten Richtlinie, sondern eine grundlegende Neuordnung umweltbezogener Anforderungen an Produkte“, betont Dr. Marthe-Louise Fehse, Expertin für Produktrecht. Mit Blick auf die Europawahl im Juni 2024 sei zu erwarten, dass die derzeitigen Verhandlungen noch in diesem Jahr abgeschlossen würden.
Längst nicht alle Unternehmen sind auf Software-Updates gut vorbereitet
Für die allermeisten Hersteller von Geräten und Produkten mit einem Software-Anteil bedeutet dies, dass sie Updates eine deutlich größere Aufmerksamkeit schenken müssen als bislang. Denn darauf, dass es wohl schon bald europaweit Pflicht sein wird, dass Produkte über mehrere Jahre mit Software-Updates versorgt werden müssen, dürfte ein Großteil der betroffenen Unternehmen schlecht oder gar nicht vorbereitet sein. Dies gilt insbesondere für Hersteller, die komplette Produktreihen anbieten. Schließlich lassen sich Sicherheits-Updates oder gar neue Features im Normalfall nicht ohne Weiteres auf alle Modelle übertragen.
Gerade für Unternehmen wie beispielsweise Hersteller von Haushalts- und Küchengeräten sowie Weißwaren, die erst seit dem Smart-Home-Boom intelligente Lösungen entwickeln, brechen nun also neue Zeiten an – ob sie wollen oder nicht. Hersteller, die wenig Erfahrung mit der kontinuierlichen Pflege von Software über komplette Produktreihen hinweg haben, müssen zeitnah nach neuen Wegen suchen, um den künftigen Vorschriften gerecht werden zu können.
Laut Danilo Beuche, Honorarprofessor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig und Mitbegründer des Magdeburger Software-Spezialisten pure-systems, gibt es allerdings auch für diese Unternehmen Möglichkeiten, die Vorschriften aus der neuen EU-Verordnung einzuhalten. „Mit Hilfe von Product Line Engineering und einer ganzheitlichen Lösung
fürs Varianten-Management können Unternehmen selbst komplexe Produktlinien mit einem hohen Software-Anteil managen und pflegen“, so Beuche. „Durch die systematische Wiederverwendung sämtlicher Hard- und Software-Bausteine über komplette Produktlinien hinweg können Unternehmen ihre Produkte letztlich sogar effizienter entwickeln und produzieren – und auch Software-Updates für die verschiedenen Modelle deutlich leichter managen.“
In der Pflicht, zukünftig Software-Updates anbieten zu müssen, sieht Beuche also eine einmalige Chance für Unternehmen. „Viele Endverbraucher wünschen sich Produkte, die auch nach Jahren noch einwandfrei funktionieren und neue Features per Software-Update erhalten“, so Beuche. „Unabhängig von den neuen Vorschriften macht es also Sinn, nachhaltigere Produkte und Prozesse einzuführen.“
Dass dem so ist, zeigt sich u.a. beim FRITZ!Box-Hersteller AVM, dessen Router teils noch zehn Jahre nach dem Marktstart mit Software-Updates versorgt werden. Das Berliner Unternehmen hat sich so zum Marktführer für Breitbandgeräte entwickelt und steigert Jahr für Jahr seine Umsatzzahlen, obwohl die Router auf Langlebigkeit und nicht auf kurze Verkaufszyklen ausgelegt sind. Dauerhaft zufriedene Kunden sind offenbar besser für den Geschäftserfolg als Kunden, die ihr Produkt nach kurzer Zeit bereits wieder austauschen müssen.
Auch neue Business-Modelle sind möglich
Letztlich lassen sich mit cleveren Software-Lösungen auch neue Business-Modelle realisieren. So bieten etwa Unternehmen wie der E-Bike-Hersteller Cowboy neben einer Basisvariante im Rahmen eines monatlichen Abos zusätzliche Features an – im Fall von Cowboy eine GPS-basierte Anti-Diebstahl-Sicherung für die bereits verkauften E-Bikes. Eine gut gepflegte Software, wie es sich die EU wünscht, ist also nicht zwangsläufig eine lästige Pflicht, sondern kann auch zu ganz neuen Einnahmequellen führen.