US-Gericht: Tauschbörsen haften für ihre Kunden
Die Unterhaltungsindustrie feiert das Urteil als “Meilenstein” und tatsächlich droht den Tauschbörsen jetzt eine Klagewelle. Tot zu kriegen werden sie aber kaum sein.
Im Kampf gegen das Verbreiten von Raubkopien über kostenlose Tauschbörsen im Internet hat die US-Unterhaltungsindustrie einen wichtigen Sieg errungen. Wie das Oberste Gericht der USA in Washington entschied, können die Betreiber solcher Tauschbörsen künftig für die Verfehlungen ihrer Kunden verantwortlich gemacht werden. Beobachter erwarten jetzt eine Klagewelle gegen Internetportale wie ‘Grokster’ und Streamcasts ‘Morpheus’ – einen wirklichen Dämpfer werde das den P2P-Netzwerken aber nicht verpassen.
Das Urteil gilt als die wichtigste Entscheidung zum Urherberrecht in den USA seit 20 Jahren und wurde von der Unterhaltungsindustrie mit Spannung erwartet. In einer zentralen Stelle der Urteilsbegründung heißt es, Grokster und Streamcast hätten “mit dem Vorsatz gehandelt, das Urheberrecht zu verletzen”. Es gebe “erhebliche Beweise” dafür, dass die Angeklagten die Nutzer dazu ermutigt haben, Musik und Filme illegal auszutauschen. Das gehe aus internen E-Mails und Online-Werbungen hervor, in denen sich die Tauschbörsen als legale Alternative zu Napster bezeichnen.
Mit dem Beschluss kippte der Supreme Court verschiedene Urteile niedrigerer Instanzen. Diese hatten in der Vergangenheit entschieden, dass die Tauschbörsen nicht dafür verantwortlich gemacht werden könnten, wenn Dritte die von ihnen angebotene Technik für Raubkopien missbrauchten. Nun ließen die Richter in Washington die Klage der Musikindustrie grundsätzlich zu – Anbieter könnten selbst dann verantwortlich gemacht werden, wenn die Technik zwar von wesentlichem rechtmäßigem Nutzen sei, die Betreiber aber “die Absicht haben, dass sie zum Bruch des Kopierrechts verwendet wird”, so der auf Urherberrecht spezialisierte US-Anwalt Louis Bonham.
Die Klage beim Supreme Court hatten die Hollywoodstudios MGM eingebracht und mehr als zwei Dutzend Firmen der Film- und Musikbranche hatten sie unterstützt. Dort ist nun die Erleichterung groß, dass den Konzernen per Gericht ein legales Mittel an die Hand gegeben wurde, um Softwarefirmen und Verbraucher zu verfolgen, die illegales File-Sharing betreiben. Nach Bonhams Worten müssen sich Grokster und Co. schon einmal auf die Konsequenzen gefasst machen: “Sie werden verklagt und ich nehme an, dass sie sehr schnell dichtmachen werden.”
Viele Experten warnen jedoch vor übertriebenen Reaktionen. Zwar sei das Schicksal von Grokster und Morpheus derzeit ungewiss – das Phänomen File-Swapping an sich werde jedoch nicht tot zu kriegen sein. Grund dafür sei auf der einen Seite die ungebrochene Begeisterung der Nutzer für die Technologie. Nach Angaben des Datenservices BigChampagne nutzen inzwischen durchschnittlich sechs Millionen Amerikaner gleichzeitig P2P-Netzwerke – im vergangenen Jahr waren es 4,5 Millionen. Hinzu komme das dezentrale System von Grokster und Morpheus, das einen schnellen Tod ähnlich dem von Napster unwahrscheinlich mache.