Oracle Deutschland will SAP mehr Kunden abjagen
Lösungen von Siebel sind hierzulande verbreitet, die von Peoplesoft und J.D.Edwards sind beliebt – deshalb rechnet sich Oracle Deutschland gute Chancen aus, SAP einmal einzuholen. Die Pflege der Altsysteme vorausgesetzt.
“Wir sind nicht realitätsfremd, im Bereich Business-Anwendungen werden wir nicht so schnell an die Spitze kommen, sondern einstweilen unsere gute, zweite Position hinter SAP ausbauen – aber das könnte sich über kurz oder lang möglicherweise ändern”, sagte Jürgen Kunz, der seit 1. Juni als neuer Deutschland-Geschäftsführer fungiert und den langjährigen Geschäftsführer von Oracle Deutschland, Rolf Schwirz, damit ablöste. Der neue Mann an der Spitze gilt nach 14 Jahren als Oracle-Veteran.
Er betonte, dass das Deutschlandgeschäft für Oracle “bei weitem kein Anhängsel des US-Geschäftes” sei. Vielmehr setze die Führungsriege rund um CEO Larry Ellison persönlich auf die Wachstumsprognosen der GmbH. Davon sollen auch die Kunden profitieren, sagte er. So habe die Gesellschaft ihr Ergebnis von 444 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 464 Millionen Euro im abgeschlossenen Jahr 2006 steigern können, was 5 Prozent Wachstum entspreche. Dabei zählt die Niederlassung des Softwarekonzerns alle Umsatzzahlen in dieses Ergebnis hinein, die in Deutschland generiert worden sind.
Das komplexe System aus verschiedenen nationalen Gesetzgebungen sorgt dafür, dass eine Übernahme bei einem international aktiven Konzern in den einzelnen Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten juristisch perfekt ist. In Deutschland sei Peoplesoft seit vergangenem Jahr mit in der Bilanz, damit auch J.D.Edwards – Siebel eben erst seit kurzem. “Wir rechnen uns ein starkes Wachstum im Intelligence-Bereich aus, wenn Siebel mit dazuzählt”, sagte Kunz. Schließlich sei Siebel nicht nur Spezialist für Customer Relationship Management – ‘Siebel Analytics’ sei als Produktgruppe aus dem Business Intelligence bei vielen größeren Mittelständlern in Deutschland im Einsatz. Die will er auch weiterhin wie gehabt über die Partner angehen.
Einer davon heißt T-Systems. Die noch relativ neue Technologiepartnerschaft erlaube, dass der Bereich Geschäftskunden der Deutschen Telekom bei seinen Kunden jetzt Oracle-Produkte “aller Art” mit verkaufen und implementieren darf und soll. Bei dem Ansehen, das T-Systems bei größeren Mittelständlern hierzulande genießt, rechnet er sich gute Geschäfte aus.
Vorfreude machte sich bei ihm ebenfalls breit, als er vor Journalisten in München von den Konzernen Continental und Deutsche Börse berichtete. Diese beiden seien die ersten Kunden in Deutschland, die ein neues Lizenzierungsmodell ausprobierten. “Mit ‘Unlimited License Agreement’, ULA, können sie unabhängig von der Nutzerzahl die gesamte Bandbreite unserer Produkte ohne Preisaufschlag nutzen – das zahlt sich vor allem für wachsende Unternehmen aus und wird in der Industrie scharf beobachtet, wir rechnen bald mit neuen Abschlüssen dafür in Europa”, so Kunz.
Er nahm gleich die Gelegenheit wahr, die Kundenfreundlichkeit von Oracle zu betonen. Bereits mehrmals hatten die als kritisch bekannten, organisierten deutschen Oracle-Kunden (DOAG) ihre jüngsten Sorgen geäußert: Wie lange wird beispielsweise ein Kunde von J.D.Edwards-Lösungen, der damit zufrieden ist, seine Software behalten dürfen; wie lange wird sie von Oracle tatsächlich aktiv und engagiert weitergepflegt? Kunz schiebt solche Bedenken beiseite.
Nicht nur, dass das unbegrenzte Weiterpflegen zum Programm erhoben worden sei. Firmen mit Altsystemen der zugekauften Hersteller – Peoplesoft, J.D.Edwards, Siebel – seien zudem keineswegs unter Druck, auf die neue ‘Fusion’-Plattform umzusteigen. “Wir werden die aktive Vermarktung von J.D.Edwards und Peoplesoft-Lösungen nicht nur wie ursprünglich geplant bis 2010 oder 2013 weiterführen, sondern unlimited”, sagte er. Die Kunden, die enger mit Firmen aus dem Mittelstand zusammenarbeiten, hätten um “etwas mehr Zeit” gebeten, und Oracle werde dem selbstredend nachkommen. Die Weiterentwicklung der Paradepferde – beispielsweise Peoplesofts ‘Enterprise’ – werde sogar aktiv betrieben, das heißt: neue Funktionen und eigene Entwicklerkapazitäten werden extra dafür abgestellt.
“Mit der gleichzeitigen parallelen Entwicklung unserer Middleware namens ‘Fusion’ und der geplanten Zusammenführung der Anwendungen zur ‘Application Suite Fusion’ versuchen wir so etwas wie die Quadratur des Kreises”, sagte Kunz. Doch gerade dann, wenn 2008 die integrierte Suite auf der neuen Middleware stehen werde, sei Oracle wieder ein Stück näher an der absoluten Marktdominanz – auch im Anwendungsbereich. Im Heimatland der SAP hat sich der neue Geschäftsführer der Oracle Deutschland GmbH damit viel vorgenommen.