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Familien- und Bildungseinrichtungen müssen stärker zusammenrücken

Aktuelle Studien zeigen, dass der Frauenanteil in der IT weiterhin unter 20 Prozent liegt. Welche Gründe gibt es dafür? Ist es die Männerdominanz, die es Frauen schwer macht, in der IT Fuß zu fassen?  Haben Frauen weniger Interesse an der IT? Wir haben Barbara Schubert von der BWI GmbH, dem IT-Systemhaus der Bundeswehr gefragt.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Frauen in MINT-Berufen im DACH Raum, insbesondere im Technologiesektor?

Sie befindet sich in der Veränderung. Zwar sehr langsam, aber sie verändert sich. Und das ist in allen drei Ländern – Deutschland, Österreich, Schweiz – gleich. Punktuell gibt es immer noch verwurzelte Meinungsbilder zu Männer- und Frauenberufen, was sich durch das komplette Bildungswesen von der weiterführenden Schule, über die Fachhochschulen und Universitäten durchzieht. MINT-Fächer werden eher als ‚Männerfächer‘ verstanden; als Frauenfächer eher nicht. Das wiederum färbt auf Jugendliche und betroffene Frauen ab, die sich dann einen MINT-Beruf nicht unbedingt zutrauen oder ihn nicht attraktiv genug finden. Manche Frauen entwickeln sogar Angst vor einem erhöhten Druck, sich dort in der ‚Männerdomäne‘ durchsetzen zu müssen.

Was wird auf Schul- und Ausbildungsebene gut gemacht, und bei welchen Initiativen gibt es Ihrer Meinung nach noch viel zu tun?

Gut gemacht wird aus meiner Sicht, dass es immer mehr Digitalisierungsprojekte gibt. Bereits in Kindergärten werden Kleinkinder an digitale Medien herangeführt, beispielsweise durch kindgerechte Apps zum Vergleichen von Bildern. Dies bedarf auch Erzieher*innen und pädagogisch geschultes Personal, das heute oft selbst noch nicht die technologischen Zusammenhänge kennt. Hier könnte man sich wunderbar mit Schulen vernetzen und etwa gezielt Informatik AGs im Rahmen von Projektwochen zusammenbringen. Darüber hinaus könnten IT-ler Tools mit kindgerechten Ansätzen und für das pädagogische Personal Hilfestellungen zur Vermittlung von Technik und Inhalt entwickeln.

In den Hochschulen und Universitäten gibt es vermehrt Informationskampagnen über die jeweiligen Berufsbilder, was Studierenden mehr Transparenz darüber verschafft, wie sie mit ihren künftigen Studienabschlüssen in der Arbeitswelt starten können und wie die Weiterentwicklung in den Berufsbildern aussehen würde.

Es ist noch ein weiter Weg, bis junge Menschen frühzeitig erkennen können, welche Vielfalt und Möglichkeiten der Selbstverwirklichung bestimmte Berufsbilder ihnen bieten. Vor allem bei den Themen Digitalisierung und Technologiewandel stehen wir immer noch am Anfang.

Die Herausforderung besteht vor allem darin, dass Familien und Schulungs-/Bildungseinrichtungen zusammenrücken müssen. In der Schule sind oft nicht der zeitliche Rahmen und das ausgebildete Personal vorhanden, um die Verknüpfung der Themen zusammen zu bekommen. Wir haben große Schnittmengen in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Je nach Neigung der Schüler*innen, die stark von der Vermittlung der Lerninhalte durch Lehrpersonen und ihren Lehrmethoden abhängt, entscheiden Mädchen sich eher für Biologie oder Chemie. Mathematik erscheint manchmal etwas statisch und die Welt der Informatik ist auch nicht immer sofort griffig.

Es würde Kindern und Jugendlichen sicher leichter fallen, wenn sie die Schnittmengen schnell erkennen und die Fächer miteinander in Beziehung setzen könnten: So könnten sie ihre Stärken aus dem einen Fach mit dem vielleicht noch nicht so leichtfallenden weiteren Fach besser verbinden.

Welche Berufsbilder haben Ihrer Meinung nach das größte Potenzial und/oder die meisten Chancen für Frauen?

Wir befinden uns gerade in einem hochspannenden Technologiezeitfenster: Die Themen Künstliche Intelligenz (KI), Cloud sowie IT-Security sind richtungsweisend für die nächsten Jahre. Es muss auch nicht immer das ‚Super- Abitur‘ sein, das die Voraussetzung für einen IT-Beruf darstellt. Es gibt verschiedene Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten.

In den MINT-Berufen wird alles benötigt – von der Chemie-Laborassistentin bis zu Doktorandenstellen oder Professuren in wissenschaftlichen Berufen.

In der IT-Branche und der BWI benötigen vor allem Fachinformatiker, Applikationsmanager, IT-Systemmanager sowie Digitalisierungsmanager. Im kreativen Bereich suchen wir Game Designer oder Medien-Designer und UX-Designer. Es gibt tolle Studiengänge mit Schwerpunkten wie Data Management oder IT-Forensik. Wir haben aktuell eine große Bandbreite an Berufen und das Jobportfolio ist unendlich. Da ist für jede*n etwas dabei.

Wie haben Sie das letzte Jahr erlebt? Hat sich der Abstand verringert oder ist die Situation ähnlich?

Ich würde es neutral betrachten, auch für den DACH-Bereich, wo ich über meine Netzwerke mitbekomme, dass die Entwicklung noch ein wenig zäh ist. Noch immer benötigen Schulabgänger ihre Zeit, bis sie eine Idee haben, was sie machen möchten. Es gibt immer noch eine hohe Zahl von Studiengangs- wechseln. Das heißt: Studentinnen, die im ersten Semester merken, dass ihnen das gewählte Fach doch nicht liegt oder gar nicht das abbildet, was sie sich bis zu diesem Zeitpunkt vorgestellt haben.

Daher ist es umso wichtiger, dass Familie, Schule und Industrie diesen vielleicht noch schwer erkennbaren Berufswahlprozess gemeinsam gestalten. Eltern erkennen die Fähigkeiten und Talente ihrer Kinder in der Regel zuerst. Dies aber mit den Erfahrungen aus Kindergarten und Schule zusammen zu bringen und später als Rat für die Berufswahl in Einklang zu bekommen, ist ein weiter Weg und nicht immer leicht vermittelbar.

Sind Sie der Meinung, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um diese Kluft zu verringern? Was sollte Ihrer Meinung getan werden, um dies zu erreichen?

Die große Kluft ist noch nicht ganz überwunden. Wie schon ausgeführt, sind viele daran beteiligt, bis ein junger Mensch weiß, was er später machen möchte und es ist auch keine Garantie, dass die Berufswahl die Erwartungshaltungen erfüllt.

Dass wir dies heute thematisieren, wird aber einen Beitrag leisten, aus der Kluft vielleicht eine Brücke werden zu lassen, um von der Seite der Unklarheit auf die Seite der besseren Klarheit zu kommen.

Wir sollten nie aufhören, über die Vielfalt, die Entwicklungsmöglichkeiten und die Potenziale von Traumberufen, gerade in MINT-Sparten, zu sprechen und alles dafür tun, unsere Türen offen zu halten, um allen, die noch nicht sicher ist mit seiner Berufswahl, Einsicht in unsere Bereiche zu geben.

Durch die intensive Nutzung von medialen Räumen und Netzwerken, aktives Einladen in die Betriebe und Unternehmen, vielleicht auch inklusive der Lehrkräfte, gezielte Angebote für Betriebspraktika oder Werksstudenten in den Schwerpunkten, Projekte zur Mitarbeit und zum Ausprobieren, wie Bootcamps, Girls‘ Days oder ähnliche Veranstaltungen – all dies kann Mädchen und Frauen wesentlich dabei unterstützen, ihren Traumjob in den MINT Berufen zu finden.

Barbara Schubert

ist Head of ERP Projects, bei der BWI GmbH, dem IT-Systemhaus der Bundeswehr.

Hedy Goge

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