WikiLeaks, eine Terror-Organisation?

Die USA sehen in der Bundeskanzlerin eine “Teflon-Merkel” und Guido Westerwelle ist ein “Rätsel” mit “überschäumender Persönlichkeit”.

Solche Pikanterien gehen unter anderem aus der Veröffentlichung von 251.287 geheimen, vertraulichen und nichtklassifizierten Dokumenten hervor, die das Enthüllungsportal WikiLeaks in der Nacht zum Montag unter dem Namen “Cabelgate” ins Web stellte.

Es sind in erster Linie Protokolle, die von den 274 amerikanischen Botschaften an das amerikanische Außenministerium geschickt wurden, so genannte Cables.

Die Berichte behandeln außenpolitische Beziehungen, interne Angelegenheiten ausländischer Regierungen, Menschenrechte, Wirtschaftslage, Terrorismus und den UN-Sicherheitsrat und stammen aus der Zeit von 1966 bis Februar 2010. Der überwiegende Teil der Veröffentlichung stamme Wikileaks zufolge aus den zurückliegenden fünf Jahren.

Möglicherweise kommen die Unterlagen aus dem Siprnet (Secret IP Router Network) des US-Verteidigungsministeriums, das für den Austausch von Geheimdokumenten verwendet und von der NSA, der Defense Intelligence Agency und der Defense Information Systems Agency gemeinsam betrieben wird.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, das neben anderen Zeitungen weltweit vorab Zugriff auf die Dokumente hatte, enthalten die Geheimdepeschen unter anderem Einschätzungen zu deutschen Politikern wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle, oder über die “lahme Ente” Günther Öttinger.

“Angela ‘Teflon’ Merkel”, wie sie von den US-Diplomaten liebevoll genannt wird, “meidet das Risiko und ist selten kreativ”. Internationale Diplomatie werde von ihr vor allem dafür verwendet, um daraus innenpolitisches Kapital zu schlagen. Nach dem sie das Joch der großen Koalition abgeschüttelt hatte, sei sie jetzt mit einem FDP-CSU-Doppel-Joch belastet”, wie es in einer Depesche aus dem Februar 2010 heißt.

In wie weit solche Einschätzungen das Deutsch-amerikanische Verhältnis belasten ist fraglich. Interessanter sind solche Einschätzungen jedoch, wenn sie aus Krisen- oder Kriegsregionen stammen. So berichtet etwa der britische Guardian, dass Israel Mitte 2009 davon ausgegangen sei, noch bis Dezember 2010 Zeit für eine Angriff auf Nuklearanlagen im Iran zu haben.

Darüber hinaus soll US-Außenministerin Hillary Clinton eine heimliche Überwachung von führenden Vertretern der Vereinten Nationen angeordnet haben. Laut einer als geheim eingestuften Direktive sollten Informationen über “Sicherheitsmaßnahmen, Passwörter, persönliche Verschlüsselungen und genutzte VPN-Versionen” beschafft werden.

Herkunft und Klassifizierung der neuen WikiLeaks-Veröffentlichung. Quelle: WikiLeaks
Herkunft und Klassifizierung der neuen WikiLeaks-Veröffentlichung. Quelle: WikiLeaks

“Die Kabel könnten vertrauliche Gespräche mit ausländischen Regierungen und Oppositionsführern offenlegen”, heißt es in einer Erklärung der US-Regierung. “Wenn Inhalte vertraulicher Gespräche auf der ersten Seite von Zeitungen weltweit erscheinen, könnte dies nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die außenpolitischen Interessen der USA haben, sondern auch auf unsere Verbündeten und Freunde.” Die Veröffentlichung der Dokumente stelle auch ein Risiko für Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter dar.

Vor allem aus den US wird heftige Kritik am WikiLeaks-Gründer Julien Assange und seiner Plattform geübt. Im Vorfeld der Veröffentlichungen, so teilt die Plattform mit, wurde das Portal zum Opfer einer Cyberattacke. Ein ehemaliger Berater von Georg W. Bush, machte sich in einer Kolumne dafür stark, die Plattform unter allen Umständen vom Netz zu holen.

Der republikanische Kongressabgeordnete Peter King hatte bei der Obama-Administration nachgefragt, “ob WikiLeaks als ausländische terroristische Organisation eingestuft werden soll”. Damit wäre das Portal auf einer Stufe mit Al-Kaida oder anderen Terror-Organisationen. “WikiLeaks erfülle die rechtlichen Voraussetzungen dafür”, so King weiter. Es repräsentiere eine klare und aktuelle Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten.

Die Unterlagen können über die Website “Cablegate.Wikileaks.org” abgerufen werden. Sie sollen im Lauf der kommenden Monate schrittweise veröffentlicht werden.