Was IT-Manager über Webservices wissen sollten

Webservices basieren auf Standards – und davon gibt es längst nicht genug, zum Beispiel in punkto Sicherheit. Dennoch gibt es genügend Gründe, hier und heute Projekte aufzusetzen.

Der Hype um Webservices ist vorbei. Das stimmt – bedingt. Zumindest gehören überzogene Erwartungen dazu, in denen sich von heute auf morgen Applikationsmodule und Systemkomponenten wie durch Zauberhand in einem weltumspannenden Netz Funktionen und Applikationen zusammenfinden, genau dann wenn sie gebraucht werden. Auch die Erkenntnis, dass Webservices nicht alle IT-Probleme lösen, dürfte kaum überraschen.

Dass auf Euphorie die Ernüchterung und unter Umständen sogar eine kleine Depression folgt, ist primär ein menschliches Grundgesetz und nicht die Erfindung eines Maßstabs von Gartner-Analysten, die sich die Hype-Kurve zur Positionsbestimmung neuer IT-Techniken ausgedacht haben. Doch auch in diesen Kurven zeichnet sich stets – nach einem rasanten Abfall der Erwartungen –  der Aufbau produktiver Nutzung ab.
Allerdings sind Webservices weit mehr als eine technische Angelegenheit. Das scheinen vor allem die IT-Skeptiker zu übersehen, die schon lange im Geschäft sind, die “neue Techniken haben kommen und verschwinden gesehen haben” und die in der täglichen problembehafteten Arbeit den Blick für Potenziale verloren haben. Allerdings gehen Technik, Organisation  und Geschäft unter dem Begriff Webservice eine enge Verbindung ein.

Das Consulting-Haus SAP SI beispielsweise, das im Sommer letzten Jahres eine Befragung europäischer Unternehmen vorgenommen hatte, schreibt im Vorwort der daraus resultierenden Kurzstudie: “In Zukunft werden Webservices zweifellos neue Geschäftsmodelle erzeugen, die festgefügte IT-Strukturen ablösen und lose gekoppelte Collaborative-Business-Netzwerke ermöglichen.” Den Zeitraum, in dem sich neue Geschäftsideen entwickeln und durchsetzen, terminieren die SAP-SI-Berater wie das Gros internationaler IT-Analysten dabei auf mindestens drei Jahre.

Es fehlen ein paar Standards

Das scheinbare Schneckentempo ist zum einen dadurch bedingt, dass den Managern gescheiterte Customer-Relationship-Management-Projekte, versandete E-Business-Investitionen und geplatzte E-Commerce-Träume den Schneid zu neuen Konzepten abgekauft haben. Es liegt aber sicherlich auch an der noch immer jungen Technik.






















































































































Vorteile für das Management: effektivere Prozesse Vorteile für die IT: Reduktion der Kosten
Geschäftsprozesse verbessern sich, weil Kosten und insbesondere Zeitaufwand für die Verbindung von Applikationen sinken. Senkt die Connectivity-Kosten.
Steigert die Wahrscheinlichkeit eines remoten Zugriffs zur rechten Zeit auf wichtige Informationen, die ein Geschäftspartner vorhält. Reduziert Komplexität von Integrationsaufgaben.
Ermöglicht die Umstellung auf Echtzeit-Prozesse. Liefert Unabhängigkeit von Plattformen und Techniken.
Setzt Mitarbeiter, Partner und Kunden in die Lage, an Prozessen zu partizipieren.
Tabelle1: Web Services bieten einen einfachen Mechanismus, um Applikationen miteinander zu verbinden


Web Services beruhen auf der Nutzung standardisierter Softwarekomponenten und Verfahren, mit deren Hilfe sich Daten und Informationen austauschen lassen. Etabliert sind etwa das Kommunikationsprotokoll TCP/IP (Transmission Control/Internet Protocol), das Datenaustauschformat XML (Extensible Markup Language) sowie das Protokoll SOAP (Simple Object Access Protocol), der Standard zur Beschreibung von Schnittstellen WSDL (Web Services Description Language) und schließlich das Web-Service-Verzeichnis UDDI (Universal Description, Discovery, and Integration).

Doch lassen sich mit diesen Spezifikationen längst nicht alle Bedürfnisse aus verschiedenen Branchen und Aufgabenstellungen abdecken. Als wesentliches Hemmnis gilt nach wie vor das Fehlen von Security-Standards. Es gibt zwar vielversprechende Vorlagen aus Industriekonsortien in wechselnder Besetzung: WS-Secure Conversation, WS-Policy, WS-Trust sowie WS-Ferderation, WS-Authorization und WS-Privacy, aber die Weihen der maßgeblichen Standardisierungsgremien wie des W3C (World Wide Web Consortium) oder der OASIS (Organization for Advancement of Structured Information Standards) haben diese Vorschläge noch nicht.




















































































Management- und IT-Vorteile: Kostenreduktion und Wahlmöglichkeiten
Web Services sind herstellerneutral.
Anwender können zwischen vielen verschiedenen Anbietern wählen.
IT-Ausgaben werden sinken, weil Technikbestandteile Commodity werden.
Die Vergleichbarkeit der Produkte sorgt für Wettbewerb und bessere Qualität.
Tabelle 2: Web Services basieren auf Standard-Protokollen

Die auf Webservices spezialisierte Marktforschungs- und Beratungsfirma CBDI hat in einer Fragebogenaktion im Sommer letzten Jahres herausgefunden, dass fehlende Sicherheitsstandards von den Anwenderfirmen tatsächlich dafür verantwortlich gemacht werden, dass Webservices nur in geringem Maße verwandt werden, insbesondere wenn die Anwendungen ein Interface zum Kunden haben. Allerdings, so die Analysten, wandelt sich das Bild, wenn die Anwender in Einzelgesprächen befragt werden. Dann ändere sich die Aussage von “Wir sind sehr vorsichtig” zu “Security ist kein Hindernis für die Adaption von Webservices”.
































































































Management-Vorteil: Die Einstiegsbarriere sinkt. IT-Vorteil:- Vereinfacht die Middleware
Web Services taugen für alle Unternehmensgrößen Dieselbe Technik lässt sich für interne und externe Verbindungen heranziehen.
Die geringen Kosten ermöglichen es auch kleinen Partnern an Unternehmensnetzen zu partizipieren. Web Services vereinheitlichen die Infrastruktur.
Ob die Unternehmensteile geografisch weit auseinander liegen ist egal.
Tabelle 3: Web Services bieten einen einfachen Mechanismus, um Applikationen miteinander zu verbinden

Für die BMW-Gruppe jedenfalls stellen fehlende Security-Standards durchaus ein Hindernis für die Errichtung einer Webservices-Architektur auf breiter Ebene dar. Insgesamt hat man zwar in der Münchner Zentrale bereits elf Webservices-Projekte abgeschlossen, doch insgesamt nehmen die hauseigenen Berater eine abwartende Haltung ein. Zum einen fehle im Anwendungsbereich die Killerapplikation. Sodann produziere XML relativ viel Overhead, sei geschwätzig und deshalb beim Austausch von Massendaten fehl am Platze.

Existieren keine Sicherheitsstandards, verweigern Geschäftspartner die Akzeptanz bei unternehmensübergreifenden Funktionen. Gebe es aber noch mehr Standards, befürchten die IT-Strategen des Automobilkonzerns, man könne leicht den Überblick verlieren. Warte man dagegen die Standardisierung nicht ab und greift zu herstellerspezifischen Lösungen, gibt man den Vorteil von Standards auf. Die Inhouse-Empfehlungen, wie Webservices im Entwicklungsbereich zu verwenden sind, basieren auf dem Open-Source-Framework ‘Glue’.

Als nächstes kommen Strategie-Projekte

In der Konsequenz setzen sich Webservices weithin zunächst innerhalb der Firewall durch als preiswerte Alternative zur Systemkopplung. So bescheiden der Ansatz auch erscheint: selbst hierbei ist die Akzeptanz sehr begrenzt. Wie bei allen neuen Techniken ersetzen auch Web Services nicht zwangsläufig implementierte Lösungen. Im Gegenteil: Neues wird in überschaubaren Projekten eingesetzt, die sinnvollerweise ohnehin anstehen. Auf diese Weise holen sich Anwender und Hersteller aber zusätzliche Technik ins Haus, die parallel zur verwendeten Technik Schulung, Produkte und Fertigkeiten erfordert und somit Kosten verursacht.

Die CBDI-Berater haben für unabhängige Softwarehersteller (ISVs) eine Art Fahrplan zusammengestellt, der sich aber auch für IT-Abteilungen in Anwenderunternehmen nutzen lässt. Im ersten Szenario geht es um Distributed Computing mit Hilfe von Webservices, also etwa darum, verschiedene Plattformen wie Dotnet und J2EE zu verbinden. Typische Triebkräfte, die die Verwendung von Webservices unterstützen, seien Plattform-Unabhängigkeit, Einfachheit der Technik sowie der Wunsch nach verteiltem Arbeiten, auch über größere Entfernungen hinweg.












































































Management-Vorteil: agile Beziehungen IT-Vorteil: Die Wartungskosten sinken
Es wird einfachen Geschäftspartner zu wechseln und hinzuzunehmen. Wartungskosten sinken.
Der Änderungsaufwand wird kleiner.
Systemwechsel wirken sich nicht zwangsläufig auf geschäftliche Abläufe aus. Bestehende IT-Assets lassen sich weiter- und wiederverwenden.
Tabelle 4: Web Services erlauben eine lose Kopplung.

Weitere Szenarien stellen für den Roadmap-Autor Lawrence Wilkes etwa Portale, Enterprise Application Integration (EAI) und Electronic Data Interchange (EDI) dar. Im ersten Fall geht es darum, Backend-Applikationen in ein Portal einzubinden oder Funktionen, die in einem Portlet gekapselt waren, als Service zur Verfügung zu stellen. Eine solche Entwicklung wird häufig durch den Wunsch nach mehr Automation anstelle von User-Aktionen motiviert, nach mehr Flexibilität beim Publizieren und der Integration, sowie durch das Anliegen, die Funktionalität auch in anderen Portalen zur Verfügung zu stellen.

Im EAI-Umfeld ersetzen auf Webservices angelegte Wrapper proprietäre Adapter. Das reduziert die Abhängigkeit von sehr teuren Produkten, bestehende Systeme lassen sich kapseln und einbinden. Auch Software für den elektronischen Datenaustausch (EDI) ist teuer. Deswegen können sich diese nur große Vertragspartner erlauben. Webservices können eine vergleichsweise günstige Alternative darstellen und der erste Schritt zu einer unternehmensübergreifenden Supply Chain sein.

Web Services verheiraten sich mit neuen Geschäftsideen

Die CBDI-Systematik findet sich auch in der SAP-SI-Untersuchung wieder. Als Indikator für die jetzige oder geplante Nutzung von Web Services dient hier die aktive Verwendung des Protokolls SOAP. Rund 60 Prozent der Befragungsteilnehmer gaben an, bereits heute SOAP einzusetzen. Ihren Aussagen zufolge spielt der SOAP-Standard insbesondere bei Mitarbeiterportalen, der Multi-Channel-Integration und bei der Erweiterung der Möglichkeiten bereits existierender CRM-Systeme eine bedeutende Rolle. Zu den Kernargumenten zählen heute die Reduktion von Medienbrüchen und manueller Datenverarbeitung sowie der Investitionsschutz, der sich daraus ergibt, dass existierende Systeme für die Bewältigung neuer Aufgaben herangezogen werden.
























































IT-Vorteile: Kosten sparen durch Konsolidierung
Web Services können helfen, die Anzahl bisher erforderlicher Produkte, Protokolle und Fähigkeiten zu reduzieren.
Web Services fördern die Konsistenz.
Ein und dieselbe Infrastruktur dient verschiedenen Szenarien.
Tabelle 5: Web Services unterstützen diverse Connectivity- und Information-Sharing-Szenarien.

Solch eine neue Herausforderungen kann im nächsten Schritt die Kopplung mit Lieferanten sowie mit Abnehmern und Kunden sein. In beiden Fällen können Webservices zum Beispiel eine Beschleunigung und Verbesserung des Prozessflusses bewirken, obwohl zugleich ein hohes Maß an Flexibilität gewährleistet ist. Die SAP-SI-Berater ziehen ein Beispiel aus der Versicherungswirtschaft heran. Einerseits benötigt die Assekuranz umfangreiche Kunden-, Markt- und Schadensdaten, die zentral vorgehalten werden. Andererseits unterhalten viele Versicherungen ein weit verzweigtes Netz zu mehr oder weniger unabhängigen Vertriebs- und Kooperationspartnern, etwa Gutachter, Ärzte und Bausachverständige, die in Regulierungsvorgänge einbezogen werden müssen. Für die Schnittstellen- und Integrationsaufgaben bieten sich Webservices an.

Darüber hinaus lassen sich Dienstleitungsangebote für die Endkunden per Webservices in Kundenportale statt über Portlets einbinden, zum Beispiel wenn ein Finanzhaus einen Vergleich von Versicherungsprodukten anbieten möchte. Dieser Vergleich kann von einem Drittanbieter stammen. Der Endkunde, der einen entsprechenden Button drückt, merkt nicht einmal, dass die komplette Dienstleitung als Webservice in das Portal eingespielt wird.












































































Management-Vorteil: Time To Market IT-Vorteil: verkürzte Entwicklungszyklen
Verbindungen zu Partnern und Kunden lassen sich zum Teil wesentlich schneller realisieren. Ein Teil der Services ist ohnehin automatisiert, so dass sich der Aufwand für die Systementwicklung reduziert.
Für die Geschäftspartner wird es einfacher, mit dem Unternehmen Geschäfte zu machen. Änderungen lassen sich schneller und einfacher bewerkstelligen.
Services lassen sich auch ohne Eingriffe von Entwicklern nutzen.
Tabelle 6: Web Services beschreiben sich selbst.

Die Beispiele zeigen, dass Web Services über den Ausbau einer allgemeinen Agilität konsequent zu strategischen Fragestellungen führen, die mit dem Aufbau neuer Nutzergruppen und neuen Geschäftsmodellen zu tun haben. Denn das Auslagern und Einbinden von Prozessen wird vergleichsweise einfach und schnell möglich. Die Innovationskraft eines Unternehmens ist gefragt.

Zu diesem Schluss gelangt auch Claus Praeg, Forscher beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Unternehmensstrategen müssten sich insbesondere zwei – allerdings gegenläufigen – Trends stellen: dem Zwang zur Spezialisierung und der Nachfrage nach Full-Service. In diesen Hauptströmungen liegen die Gründe für eine verteilte Wertschöpfung in entsprechenden Netzwerken und die Verlagerung des Wettbewerbs in die einzelnen Wertschöpfungsstufen. Das heißt aber auch, dass Wertschöpfungsketten auf verschiedenen Ebenen zusammenwachsen: auf dem Domain-Level genauso wie auf der Anwendungs- und Unternehmensebene. Zu den Voraussetzungen, die Praeg aufzählt, gehören “die Anpassung der Aufbau- und Ablauforganisation, ein Management des Koordinierungs- und Kommunikationsaufwands, die Bereitschaft von Geschäftspartnern und Mitarbeitern, Informationen und Wissen zu teilen, eine Standardisierung von Leistungen, sowie kreative Geschäftsmodelle”.

US-Firmen legen vor

Nach Angaben der SAP-SI-Berater haben die meisten Unternehmen (rund 60 Prozent) bereits erkannt, dass mit der Einsatz von Webservices Änderungen in der Organisation einhergehen. Zum Beispiel stehen rechtliche Fragen an wie der Umgang mit traditionellen Lizenzmodellen im Vergleich zu nutzungsabhängigen Abrechnungen.

In Amerika scheint die Entwicklung schon weiter vorangeschritten zu sein. Das Marktforschungsunternehmen Gartner Dataquest hat herausgefunden, dass 92 Prozent der Unternehmen, die derzeit (Februar 2004) Integrationsprojekte aufgesetzt haben, Webservices einsetzen. Außerdem hat hier offenbar schon die zweite Ausbaustufe begonnen. Denn zwischen August 2002 und Februar 2003 ist der Einsatz von Webservices im Zusammenhang mit Systemintegration bereits um 10 Prozent gesunken, während der Gebrauch in B2B-Projekten um 8 Prozent zugenommen hat. Das veranlasst die Analysten zur der Aussage: “Web Services werden zum Mainstream”.

 

Quelle der Grafiken: CBDI